Abschlussbericht der Hartz-Kommission: Mehr Schatten als Licht

Forschung

Die Vorschläge der Hartz-Kommission sind nicht über einen Kamm zu scheren. Jedes Innovationsmodul verdient eine gesonderte Betrachtung. Einige Module sind Lichtblicke, das Kernstück der Reform, die Personalserviceagenturen (PSA), ist jedoch in seiner geplanten Ausgestaltung abzulehnen.

PSA - Mega-Beschäftigungsgesellschaften oder "Rosinenpicken" statt Problemgruppen helfen

Die zu sogenannten JobCentern umgestalteten Arbeitsämter sollen möglichst allen erwerbsfähigen Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern nach spätestens sechs Monaten die Möglichkeit einer Beschäftigung in einer PSA anbieten. Die PSA wählt Arbeitslose mit hoher Beschäftigungswahrscheinlichkeit aus, stellt sie per Arbeitsvertrag an und entleiht sie dann gegen eine im Vergleich zu privaten Zeitarbeitsfirmen niedrigeren Vergütung an private Arbeitgeber. Damit wird der Kündigungsschutz neutralisiert, schärfer formuliert: Der Staat übernimmt die Kosten seiner eigenen Arbeitsmarktregulierung. Arbeitslose sind mit Vertragsabschluss bei der PSA sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Während der Probezeit erhalten sie einen Nettolohn in Höhe des Arbeitslosengeldes, anschließend den tariflich vereinbarten PSA-Lohn; die Regelung für Sozialhilfeempfänger ist unklar. Lehnt der Arbeitssuchende ein zumutbares PSA-Angebot ab, wird sein Arbeitslosengeld reduziert, eventuell auch die Sozialhilfe. Nur Arbeitssuchende, die tatsächlich keine reguläre Beschäftigung finden, werden bereit sein, für ein Entgelt in Höhe des Arbeitslosengeldes zu arbeiten. Dadurch entsteht für Arbeitssuchende mit relativ guten Arbeitsmarktchancen ein Anreiz, möglichst schnell eine reguläre Beschäftigung aufzunehmen.

Für die Arbeitgeber werden die PSA-Zeitarbeiter als Arbeitskräfte interessant sein, weil sie deutlich kostengünstiger sind als private Zeitarbeiter. Das liegt daran, dass ein PSA-Zeitarbeiter staatlich subventioniert wird. Wenn bei gleicher Qualifikation staatliche Zeitarbeiter durch Subventionierung billiger sind als private Zeitarbeiter, dann kommt es zur Verdrängung privater Arbeitsplätze. Hinzu kommt die Gefahr sogenannter Drehtüreffekte, wenn Unternehmen Mitarbeiter entlassen, um subventionierte Personen einzustellen.

Weiterhin könnten die PSAs bewirken, dass ein Teil der Arbeitslosen aus der Statistik herausfällt und damit aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit schwindet. Wenn ein erheblicher Teil der Arbeitslosen zu staatlichen Zeitarbeitern gemacht wird, dann lässt sich tatsächlich die Zahl der offiziell arbeitslos gemeldeten Personen deutlich reduzieren. Gleichzeitig entstehen staatliche Mega-Beschäftigungsgesellschaften, deren "Arbeitnehmer" in einer wenig beachteten, separaten Statistik zusammen mit Teilnehmern an Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und Vorruheständlern aufgeführt werden.

Wenn private Zeitarbeitsfirmen die Personalserviceagenturen betreiben dürfen (Marktlösung), könnte das zu "Rosinenpicken" führen: Sie werden sich aus dem Pool der Arbeitslosen die relativ besten herauspicken, weil sie nur bei erfolgreicher Verleihung Gewinne machen können. Das mindert zwar die Gefahr staatlicher Mega-Beschäftigungsgesellschaften, doch den Problemgruppen des Arbeitsmarktes wird kaum geholfen - sie bleiben außen vor.

Was spricht gegen eine Arbeitsteilung zwischen Staat und privaten Zeitarbeitsfirmen? Ein weitgehend deregulierter Zeitarbeitsmarkt braucht keine staatlichen Subventionen. Die PSAs sollten sich ausschließlich um die Problemgruppen des Arbeitsmarktes kümmern, was nachweislich positive Beschäftigungseffekte mit sich bringt, wie eine Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) belegt.

JobCenter: Schlanke Verwaltung oder bürokratische Ungetüme?

Als organisatorische Änderung in der Bundesanstalt für Arbeit schlägt die Hartz-Kommission vor, bisher von unterschiedlichen Trägern (Arbeits- und Sozialämter und andere) wahrgenommene Aufgaben in sogenannten JobCentern zusammenzulegen. Das verhindert sogenannte Verschiebebahnhöfe zwischen Ämtern. Auch der Personalschlüssel Fallmanager zu Kunden (=Arbeitssuchender) soll auf eins zu 60 bis maximal eins zu 200 verbessert werden. Damit wurden wissenschaftliche Erkenntnisse aus Modellversuchen berücksichtigt. Fallmanager ist jedoch de facto ein neues Berufsbild. Amtsmitarbeiter müssen erst mit hohen Kosten umgeschult werden, wenn das überhaupt möglich ist.

Auch wegen der sogenannten Quick-Vermittlung, die sofort beginnen soll, nachdem ein Arbeitnehmer eine Kündigung erhalten hat, kommen auf die Mitarbeiter der JobCenter Millionen von Kunden zu - etwa sieben Millionen Personen meldeten sich im letzten Jahr arbeitslos; die Zahl der Gekündigten, die sich nicht beim Arbeitsamt meldeten, ist unbekannt. Was spricht hier gegen eine stärkere Arbeitsteilung zwischen Staat und privaten Vermittlern?

Die Hartz-Kommission schlägt ferner vor, nicht nur Arbeitssuchende, sondern auch Arbeitgeber als Kunden zu betrachten, da die Vermittlung darauf basiert, dass Unternehmen möglichst alle offenen Stellen dem JobCenter melden. Dies ist begrüßenswert. Wie weit dies gehen soll, ist noch nicht klar zu erkennen. Insgesamt besteht die Gefahr, dass in Folge der Hartz-Vorschläge bürokratische Ungetüme entstehen könnten - das Gegenteil einer schlanken Verwaltung, die doch ursprünglich anvisiert wurde.

Neuregelung der Zumutbarkeit - ein sinnvoller Vorschlag

Bei der "neuen Zumutbarkeit" ist der wichtigste Punkt die Umkehr der Beweislast: Anders als bisher müssen die Arbeitssuchenden ihre Arbeitswilligkeit gegebenenfalls beweisen, wenn sie Leistungskürzungen vermeiden wollen. Darüber hinaus werden neue Zumutbarkeitskriterien vorgeschlagen, nach denen eine stärkere regionale und berufliche Mobilität von Arbeitssuchenden erwartet wird. Insoweit es sich dabei tatsächlich um eine Verschärfung der Zumutbarkeit handelt, ist dies insbesondere aufgrund der angespannten Arbeitsmarktsituation in Ostdeutschland bei gleichzeitigem Fachkräftemangel in einzelnen Regionen Westdeutschlands zu begrüßen.

Was fehlt bei den Hartz-Vorschlägen?

Nachdem in der Anfangsphase der Hartz-Kommission eine Pauschalierung des Arbeitslosengeldes zur Vereinfachung von Verwaltungsprozessen diskutiert wurde, ist nun keinerlei generelle Kürzung der Höhe und der Dauer von Arbeitslosengeld und -hilfe mehr vorgesehen. Es ist bedauerlich, dass sich die Kommission nicht zu einer umfassenden Reform der Arbeitslosenversicherung und der Sozialhilfe durchringen konnte, obwohl ein echtes Innovationsmodul auf diesem Gebiet zu ihren ureigensten Aufgaben gehört hätte.

Insgesamt ist die Kommission vor der häufig gehörten Kritik in Schutz zu nehmen, sie kümmere sich einseitig um die Vermittlung, ohne die Schaffung von Arbeitsplätzen ausreichend zu thematisieren. Dies war nicht ihr Auftrag. Es ist ferner festzuhalten, dass mit einer erfolgreicheren Vermittlung, also einer Reduktion der Arbeitslosigkeitsdauer, ein deutlicher Abbau der Arbeitslosigkeit erreicht werden könnte, wenn auch nicht annähernd in der von der Kommission genannten Größenordnung. Die Arbeitsmarktprobleme, insbesondere in Ostdeutschland, werden mit verbesserter Vermittlung alleine nicht in den Griff zu bekommen sein.

Ansprechpartner

Dr. Alexander Spermann, E-Mail: spermann@zew.de

Dr. Bernhard Boockmann, E-Mail: boockmann@zew.de

Michael Feil, E-Mail: feil@zew.de

Prof. Dr. Tobias Hagen, E-Mail: hagen@zew.de

Prof. Dr. Thomas Zwick, Telefon: 0621/1235-131, E-Mail: zwick@zew.de

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