Unternehmenssteuerreform - Regierungskoalition springt zu kurz

Forschung

Die Gesetzesentwürfe zur Unternehmenssteuerreform 1999, 2000 und 2002 stehen. Mit den bereits für 1999 vorgesehenen Maßnahmen springt die Regierungskoalition jedoch zu kurz. Von ihnen dürften keine positiven Wachstumsimpulse ausgehen. Es zeigt sich vielmehr, dass die für 1999 geplanten Änderungen für die meisten Branchen sogar eine Verschlechterung der steuerlichen Belastungssituation zur Folge haben werden. Darüber hinaus wird mit der geplanten ökologischen Steuerreform nicht das Ziel einer nachhaltigen Verbesserung des Klimaschutzes erreicht. Hierfür erscheint eher die Einführung einer europaweiten Umweltsteuer sinnvoll. Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Zusammenarbeit mit dem Steuerexperten Professor Otto H. Jacobs von der Universität Mannheim.

Mit Hilfe des von ihnen entwickelten European Tax Analyzers haben sie die Effekte der wesentlichen Steueränderungen auf die Steuerbelastung von Unternehmen berechnet. Die Reformmaßnahmen für 1999 sehen durch die Reduzierung des Steuertarifs einen entlastenden und durch die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage einen belastenden Effekt vor. In Abhängigkeit von unternehmensspezifischen Charakteristika, die sich in der Branchenzugehörigkeit ausdrücken, werden diese gegenläufigen Maßnahmen in den meisten Fällen zu einer Erhöhung der Steuerbelastung führen. Damit dürften vom ersten Reformschrittrelativ geringe Wachstumsimpulse für die Investitionsentscheidungen und Beschäftigungsnachfrage der Unternehmen ausgehen. Dies ist im Wesentlichen in der weitestgehend Aufkommensneutralität begründet. Denn nur von einer Nettoentlastung des Unternehmenssektors werden deutlich positive Effekte auf die Investitionen ausgehen können.

Auch bezüglich der internationalen Wettbewerbsfähigkeit stellt der erste Schritt der Reformmaßnahmen keinen Fortschritt für die deutschen Unternehmen dar. In der Mehrzahl der Fälle kommt es infolge von Mehrbelastungen zu einer spürbaren Verschlechterung des Standorts Deutschland. Die geplante ökologische Steuerreform 1999 hat aufgrund der niedrigen Steuertarife und der zusätzlichen Ausnahmeregelungen kaum Auswirkungen auf die Belastungssituation der Unternehmen insgesamt. Dies gilt, mit Ausnahme des Verkehrssektors, für alle untersuchten Branchen. Allerdings resultieren auf Unternehmensebene nur äußerst geringe ökologische Lenkungswirkungen, so dass das angestrebte Ziel einer Verbesserung des Klimaschutzes mit dieser Reform kaum erreicht wird. Insbesondere die Nichtbesteuerung von Kohle stellt die Minderung der CO2-Emission in Frage. Aus steuersystematischem Blickwinkel sollen die Unternehmen nach dem Willen des Gesetzgebers ähnlich wie Arbeitnehmer künftig nach ihrer tatsächlichen Leistungsfähigkeit besteuert werden. Per se stellt sich eine Gleichbehandlung der Einkunftsarten solange nicht ein, solange Gewinn- und Überschuss Einkünfte nach unterschiedlichen Prinzipien ermittelt werden.

Die Beseitigung von Ungleichbehandlungen zwischen Beziehern unterschiedlicher Einkunftsarten wird durch Gesetzesänderungen erkauft, die mit bisherigen Bilanzierungskonventionen brechen. Gerade bezüglich der künftigen Behandlung von Rückstellungen ist hinter diesen kasuistischen Einzelfallregelungen eine geschlossene Systematik nicht zu erkennen, was der mit dem Gesetzentwurf bezweckten "Vereinfachung des deutschen Steuerrechts" (zumindest im Bereich der Gewinnermittlung) zuwider läuft. Da die für 1999 geplanten Reformmaßnahmen zu kurz greifen, sollte mit den für 2002 vorgesehenen Steuerrechtsänderungen eine deutliche Entlastung der Unternehmen angestrebt werden. Dazu kann die Einführung einer rechtsformunabhängigen Unternehmenssteuer mit einem Tarif von 35 Prozent einen wichtigen Beitrag leisten.

Mögliche Gegenfinanzierungen der Tarifabsenkung sind derzeit noch nicht hinreichend konkretisiert. Zieht man eine Reduktion der degressiven Abschreibung auf maximal 25 Prozent als Gegenfinanzierung in Betracht, so resultieren für die meisten Unternehmen dennoch spürbare Steuerentlastungen. Damit könnten positive Effekte bei der Investitionsbereitschaft erreicht werden, die sich auch auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar machen dürften. Im internationalen Vergleich würde sich damit zwar eine Verbesserung der Wettbewerbssituation deutscher Unternehmen gegenüber ihren ausländischen Konkurrenten einstellen, trotzdem wäre die Steuerbelastung gegenüber Großbritannien und den Niederlanden nach wie vor deutlich höher.

Ansprechpartner

Dr. Tobias H. Eckerle, E-Mail: eckerle@zew.de

 

Die Studie ist als ZEW-Dokumentation Nr. 98-10 erschienen und kann beim ZEW, Postfach10 34 43, 68034 Mannheim bestellt werden.


Branchen


Veränderung der Steuerbelastung


Verarbeitendes Gewerbe


0,3%


Chemische Industrie


-4,3%


Elektrotechnik


5,0%


Ernährungsgewerbe


2,3%


Herst. v. Kraftwagen


3,9%


Maschinenbau


2,5%


Metallerzeugung und -bearb.


10,2%


Baugewerbe


6,0%


Dienstleistung


-3,5%


Handel


1,1%


Verkehr


-2,7%



Tabelle 1: Veränderung der Gesamtsteuerbelastung 1998 zu 1999 unter Berücksichtigung der wesentlichen Reformmaßnahmen

 

Deutschland


Frankreich


Großbritannien


Niederlande


USA


Effektive Gesamtsteuerbelastung 1999


34,8 %


41,5%


23,7%


24,1%


32,1%


Effektive Gesamtsteuerbelastung 2002


30,8%

       



Tabelle 2: Effektive Steuerbelastung eines Durchschnittsunternehmens des VerarbeitendenGewerbes im internationalen Vergleich