„Senkung ist fiskalpolitisch verantwortungslos“
KommentarZEW-Ökonom Friedrich Heinemann zur Mehrwertsteuer in der Gastronomie
Der Bundesrat hat heute die Mehrwertsteuersenkung für die Gastronomie bestätigt und damit den entsprechenden Beschluss formell auf den Weg gebracht. Prof. Dr. Friedrich Heinemann, Leiter des Forschungsbereichs „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft“ am ZEW Mannheim und Professor an der Universität Heidelberg, erklärt dazu:
„Mit der dauerhaften Absenkung der Mehrwertsteuer für die Gastronomie wird die Steuerbasis einer der wichtigsten Steuerquellen des Landes weiter durchlöchert. Die zentralen Argumente, die angeblich für dieses Gastronomie-Privileg sprechen, sind seit langem widerlegt.
Die Steuersenkung ist sozialpolitisch kontraproduktiv. Reichere Haushalte haben deutlich mehr davon als ärmere. Die Absenkung ist struktur- und arbeitsmarktpolitisch nicht gerechtfertigt, weil viele andere Branchen in Deutschland ebenfalls mit erheblichen Rentabilitätsproblemen und Arbeitskräftemangel zu kämpfen haben. Sie ist ordnungspolitisch verfehlt, weil man Strukturwandel nicht mit Subventionen bekämpfen kann. Und das Argument, dass deutsche Restaurants einen Wettbewerbsnachteil gegenüber Restaurants in anderen Ländern mit Steuerbegünstigung hätten, trägt nicht. Restaurants bieten eine lokale Dienstleistung, die nicht im Wettbewerb mit Angeboten in großer Entfernung steht.
Die hohen und über die Jahre weiter wachsenden Steuerausfälle begrenzen den Spielraum der Länder für Investitionen in Bildung, Digitalisierung und die Energietransformation. Auch ist leicht vorhersehbar, dass sich jetzt weitere Branchen und Produktgruppen einreihen werden in den Ruf nach neuen Steuersubventionen. Die Mehrwertsteuersenkung für die Restaurants ist ein Beleg für die Macht von Interessengruppen. Und sie zeigt, dass die Lockerung der Schuldenbremse von diesen Lobbies für den eigenen Vorteil ausgenutzt wird.
Dass jetzt auch der Bundesrat dieser Subvention zustimmt, ist fiskalpolitisch verantwortungslos. Eigentlich sollten Ausnahmen vom Normalsatz abgeschafft werden – jetzt haben sich Bundestag und Bundesrat für das Gegenteil dessen entschieden, was wünschenswert ist.“