Gegen das Konzept einer Gesundheitsprämie, also einem einheitlichen Eurobetrag für alle Beitragspflichtigen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), findet derzeit ein Kesseltreiben in Form von ideologisch motivierten Vorbehalten und gezielten Desinformationskampagnen statt. Das beginnt bereits mit der Bezeichnung "Kopfprämie", welche die Nähe zu Wildwest-Verhaltensweisen suggeriert. Das negative Urteil vieler Leute steht dann vollends fest, wenn ohne Umschweife darauf hingewiesen wird, dass dann der Chefarzt genauso viel zahle wie die Krankenschwester. Es scheint unendlich schwer vermittelbar zu sein, dass im Gegenteil eine Gesundheitsprämie die Ungerechtigkeiten des gegenwärtigen Finanzierungssystems der GKV beseitigt. Gerade die Politiker, welchen die Umverteilung von oben nach unten besonders am Herzen liegt, müssten die Gesundheitsprämie eigentlich mit Nachdruck einfordern.

Bleiben wir einen Moment bei dem Chefarzt und der Krankenschwester. Die Realität sieht wie folgt aus. Erstens ist der Chefarzt vermutlich nicht in der GKV, sondern Mitglied einer Privaten Krankenversicherung (PKV). Die viel beschworene Solidarität in der GKV findet also unmittelbar ohne ihn statt, mittelbar höchstens dadurch, dass er mit seinen Steuerzahlungen den Bundeszuschuss zum Gesundheitsfonds mitfinanziert. Angesichts von rund 8,7 Millionen Privatversicherten (im Jahr 2007), das sind mehr als 10 v. H. aller Krankenversicherten, ist es mit der Solidarität so weit mithin nicht her. Aber die Geschichte geht noch weiter.

Zweitens, angenommen, der Chefarzt sei gleichwohl Mitglied der GKV - vielleicht weil seine Familie sehr groß und ihm die PKV deshalb zu teuer ist. Denn bei der PKV müsste er für jedes Familienmitglied einen Beitrag entrichten, während die nicht berufstätige Ehefrau sowie seine zahlreichen Kinder in der GKV praktisch beitragsfrei mitversichert sind. Drittens gibt es die Beitragsbemessungsgrenze in Höhe von monatlich 3.750 Euro. Unterhalb dieser Grenze wird der volle Beitragssatz von aktuell 14,9 v. H. für die Krankenschwester fällig. Der Chefarzt hingegen entrichtet diesen Satz maximal nur auf die 3.750 Euro. Bezogen auf sein volles Gehalt als Chefarzt zahlt der Chefarzt also weniger in die GKV ein als die Krankenschwester. Ein Zeichen der Solidarität in der GKV? Sollen wir daher die Beitragsbemessungsgrenze abschaffen und den Chefarzt voll zur Kasse bitten? Er würde schleunigst in die PKV wechseln.

Die Beispiele sollen die Crux der GKV deutlich machen, nämlich dass in der GKV bestimmte Verteilungsanliegen bewerkstelligt werden. Verteilungsanliegen und deren Finanzierung sind aber eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, zu der alle Steuerzahler und sämtliche steuerpflichtigen Einkommen heranzuziehen sind, also die der PKV-Versicherten ebenso wie Kapital- und Mieteinkünfte. Daher müssen Verteilungsanliegen aus der GKV ins Steuersystem verlagert werden.

Die Gesundheitsprämie bewirkt genau das, unbeschadet unterschiedlicher Modelle, die ausgearbeitet vorliegen – wie etwa die Bürgerpauschale des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung oder die Vorschläge des Kronberger Kreises –, zwischen denen sich die Politik entscheiden muss. Der Grundgedanke bleibt derselbe: Jeder Versicherte, einschließlich der Familienmitglieder, zahlt einen von der Krankenkasse geforderten Festbetrag. Wessen Leistungsfähigkeit dies übersteigt, bei dem also Verteilungsanliegen zum Zuge kommen sollen, erhält steuerfinanzierte Unterstützungszahlungen. Damit kann die Umverteilung zielgerichteter vorgenommen werden als bisher, nämlich bei dem Personenkreis, der unserer Förderung wirklich bedarf. Dieser muss sich nicht als Bittsteller fühlen, denn der Sozialausgleich kann über die Finanzämter oder gegebenenfalls beim Arbeitgeber erfolgen. Widmet man den bisherigen Bundeszuschuss zur GKV zur Finanzierung dieser Hilfen um, dürfte bei einem schrittweisen Einstieg in die Gesundheitsprämie die Aufbringung kein unüberwindliches Hindernis darstellen wie verschiedene Berechnungen zeigen.

Wolfgang Franz