Krankenkassen-Zusatzbeitrag belastet alle Einkommen gleichermaßen moderat

Forschung

Finanzierungsreform der Krankenkassen

Die vom Bundesgesundheitsministerium vorgeschlagene Erhöhung des Krankenkassen-Zusatzbeitrags fällt über alle Einkommensgruppen hinweg gering und relativ betrachtet gleich aus. Aufgrund von Steuereffekten reduziert der gestiegene Beitrag das verfügbare Nettoeinkommen der Haushalte zudem nicht in voller Höhe. Das hat ein Wissenschaftsteam des ZEW Mannheim mithilfe des Mikrosimulationsmodells ZEW-EviSTA für die Arbeitnehmerseite berechnet. Dabei nahmen die Wissenschaftler an, der GKV-Zusatzbeitrag werde um 0,3 Prozentpunkte steigen. Das hatte das Bundesgesundheitsministerium neben anderen Maßnahmen vorgeschlagen, um die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu reformieren.

Im Durchschnitt steigen die Krankenkassenbeiträge laut den ZEW-Berechnungen um 57 Euro pro Haushalt und Jahr. Die höheren Beiträge schlagen jedoch nicht eins zu eins auf die verfügbaren Haushaltseinkommen durch. Netto reduzieren sich diese im Mittel um 42 Euro. „Verantwortlich für diese Differenz ist in erster Linie, dass die Kassenbeiträge als Vorsorgeaufwendungen die Einkommensteuer mindern. Das wirkt sich vor allem in höheren Einkommensgruppen aus“, erklärt Prof. Dr. Holger Stichnoth, der die ZEW-Forschungsgruppe „Ungleichheit und Verteilungspolitik“ leitet. Dadurch entgingen dem Fiskus Steuereinnahmen in Höhe von 600 Mio. Euro. Am unteren Ende der Einkommensverteilung hingegen sorgt der höhere Zusatzbeitrag dafür, dass der Arbeitslosengeld II-Anspruch bei jeweiligen Empfänger/innen steigt. Die Mehrausgaben bei den Sozialtransfers belaufen sich laut Berechnung auf 30 Mio. Euro.

Steuereffekte reduzieren die Netto-Belastung

Je höher das Einkommen, desto mehr steigt der Krankenkassenbeitrag in absoluten Zahlen. So beläuft sich die Erhöhung bei den einkommensärmsten zehn Prozent der Haushalte im Durchschnitt auf 15 Euro pro Jahr. Netto sinkt das verfügbare Einkommen um 13 Euro. „Geringverdiener-Haushalte zahlen wenig Einkommensteuer. Daher fällt die Differenz zwischen Brutto- und Nettobelastung durch den höheren Krankenkassenbeitrag so gering aus“, sagt Stichnoth. Die nach Einkommen reichsten 30 Prozent der Haushalte müssen mit 90 Euro mehr Krankenkassenbeitrag pro Jahr rechnen. Aufgrund der  oben beschriebenen Steuereffekte reduziert sich das Nettoeinkommen jedoch nur um etwa 60 Euro.

Die ZEW-Wissenschaftler haben zudem berechnet, wie stark die relative Belastung durch einen höheren Zusatzbeitrag zum verfügbaren Nettoeinkommen ausfällt. „In unserer Modellsimulation können wir zeigen, dass die relative Belastung der Haushalte über alle Einkommensgruppen hinweg gleich hoch ist. Im Schnitt reduziert sich das verfügbare Nettoeinkommen in allen Einkommensgruppen um rund 0,1 Prozent. Die Belastung fällt also bei allen moderat aus“, sagt ZEW-Ökonom Stichnoth.

Das Bundesgesundheitsministerium schätzt die Mehreinnahmen für die Krankenkassen auf 4,8 bis 5 Mrd. Euro, sollte der Zusatzbeitrag um 0,3 Prozentpunkte erhöht werden. Die ZEW-Berechnungen bestätigen dies. So ergibt die Modellsimulation ein Mehraufkommen von 4,66 Mrd. Euro für das aktuelle Jahr 2022. „Wir haben im ZEW-EviSta-Modell eine Summe berechnet, die knapp unter der Schätzung der Bundesregierung liegt. Berücksichtigt man jedoch die derzeit hohe Inflation, so landen wir für das Jahr 2023 in der vom Ministerium genannten Größenordnung“, erklärt Verteilungsforscher Stichnoth.