„Dieses Abkommen ist aus einem gemeinsamen Interesse heraus entstanden“

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ZEW-Präsident Prof. Achim Wambach und Dr. Philipp Steinberg, Abteilungsleiter Wirtschaftspolitik im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) über die Herausforderungen einer gelingenden Zusammenarbeit.

Seit Jahren nimmt die Bedeutung Chinas für die Weltwirtschaft zu. Und sie wird weiter wachsen. So ist das Land seit 2020 Mitglied der Comprehensive Economic Partnership (RCEP) in der Region Asien-Pazifik, der größten Freihandelszone der Welt. Durch ihr großes wirtschaftliches Gewicht ist die chinesische Volkswirtschaft inzwischen nicht nur ein wichtiger Partner für die Europäische Union (EU), sondern zugleich ein Wettbewerber. Nach mehrjährigen Verhandlungen haben sich die EU und China gerade auf ein Investitionsabkommen geeinigt. Über das Abkommen sowie faire Wettbewerbs­be­dingungen für europäische Unternehmen diskutierten ZEW-Präsident Prof. Achim Wambach, Ph.D., und Dr. Philipp Steinberg, Abteilungsleiter Wirtschaftspolitik im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), beim #ZEWlive am Mittwoch, den 13. Januar 2021. Moderiert wurde die Veranstaltung von Jessica Sturmberg.

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„Seit Jahren steigen die Importe und Exporte zwischen der EU und China kontinuierlich. China ist ein wichtiger Handelspartner für Europa geworden. Die deutsche Wirtschaft hat stark vom chinesischen Wachstum profitiert“, eröffnete ZEW-Präsident Achim Wambach sein Impulsreferat zum Auftakt der Veranstaltung. Durch seine Industriestrategien habe sich die Volksrepublik auch zu einem Wettbewerber entwickelt. Mit der „Made in China 2025“-Strategie etwa verfolge China das Ziel, die inländische Wertschöpfung in zehn Schlüsselindustrien zu erhöhen und das Land durch gezielte Investitionen im Ausland zu einem Konkurrenten um die weltweite Technologieführerschaft aufzubauen.

EU-Instrumente auf Chinas Wirtschaftssystem einstellen

Das chinesische Wirtschaftsmodell unterscheidet sich vom EU-Binnenmarkt. „Chinas Wirtschaftsmodell ist hybrid: Es weist sowohl staats- als auch marktwirtschaftliche Elemente auf, zielt aber vornehmlich auf eine zentrale Wirtschaftsplanung samt Industriepolitik ab“, sagte Achim Wambach. So greife der chinesische Staat bei der Verfolgung seiner Ziele eben auch in das Wirtschaftsgeschehen ein, etwa durch Subventionen und über staatliche Unternehmen. „Diese Unternehmen denken nicht rein betriebswirtschaftlich, sondern orientieren sich bei ihrem unternehmerischen Handeln an der staatlichen Industriepolitik. Schaut man sich die hieraus resultierenden Fehl-Allokationen an, ist es fragwürdig, ob dieses System unserer sozialen Marktwirtschaft überlegen ist“, erklärte der ZEW-Präsident. Laut Achim Wambach kann die Begünstigung von am europäischen Markt aktiven chinesischen Unternehmen durch den chinesischen Staat zu Wettbewerbsverzerrungen führen. Um Nachteile für europäische Unternehmen im Rahmen eines Investitionsabkommens zu verhindern, bringt die EU-Kommission Anti-Subventions- und Anti-Dumping-Instrumente in Stellung. „Der EU-Binnenmarkt basiert auf der Prämisse, dass Unternehmen miteinander in fairem Wettbewerb stehen, in den sich kein Staat einzumischen hat. Um dies zu garantieren, haben die Mitgliedsstaaten der EU streng geregelt, unter welchen Voraussetzungen Beihilfen eines Staates für Unternehmen zulässig sind und wann nicht“, betonte der Ökonom. Die Einhaltung dieser Regeln auch durch chinesische Unternehmen, die in Europa aktiv seien, müsse die EU einfordern.

Dem stimmte Philipp Steinberg zu. Der Abteilungsleiter Wirtschaftspolitik im BMWi skizzierte einen Bewusstseinswandel im Verhältnis zu China. Habe man früher noch einen Wandel durch Handel erwartet, so habe sich inzwischen die Erkenntnis durchgesetzt, dass man gegenüber China bei Bedarf auch zu harten Bandagen greifen müsse. Die veränderte Sichtweise zeige sich etwa im Weißbuch der EU-Kommission, das als Ziel formuliert, europäische Unternehmen vor der Übernahme durch staatlich subventionierte Konzerne aus dem Ausland zu schützen. „Das Abkommen will fairere Wettbewerbsbedingungen für EU-Investoren schaffen, indem es klare Regeln in Bezug auf staatseigene chinesische Unternehmen, die Transparenz von Subventionen und anderer wettbewerbsverzerrender Praktiken festschreibt“, sagte Philipp Steinberg vor den rund 270 Zuschauerinnen und Zuschauer der Veranstaltung im Livestream.

Ausarbeitungen des Abkommens laufen noch

ZEW-Präsident Achim Wambach diskutierte mit Philipp Steinberg, Leiter der Abteilung Wirtschaftspolitik im BMWi.

Der Wortlaut des Investitionsabkommens wird laut EU in den kommenden Monaten noch genauer ausgearbeitet. Anschließend muss der Text juristisch überprüft werden, bevor er dem Rat und dem Europäischen Parlament zur Annahme vorgelegt wird. „Welche Vorteile ergeben sich aus diesem Abkommen für Europa?“, fragte Moderatorin Jessica Sturmberg die Diskutanten. „Durch das Abkommen gehen beide Parteien eine Investitionsbeziehung ein, die sich auf Grundsätze der nachhaltigen Entwicklung stützt. So verpflichtet sich China etwa in den Bereichen Arbeit und Umwelt, keine Schutzstandards zu senken, um Investitionen anzuziehen, seine internationalen Verpflichtungen einzuhalten und das verantwortungsvolle unternehmerische Handeln seiner Unternehmen zu fördern. Das sind gute Grundlagen“, sagte Philipp Steinberg.

Für Achim Wambach kam dieses Abkommen zur rechten Zeit. „Am Ende der deutschen Ratspräsidentschaft gab es durch den Wechsel in der Präsidentschaft der USA ein ‚Window of opportunity‘. Das hat die EU genutzt, um einen siebenjährigen Verhandlungsmarathon zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Dieses Abkommen ist aus einem gemeinsamen Interesse heraus entstanden und wir müssen uns auf dieser Grundlage nun Stück für Stück weiter voranarbeiten“, sagte Achim Wambach. Für die weitere Zusammenarbeit mit China sei dieses Abkommen sehr bedeutsam, denn Anliegen wie etwa eine weltweite Klimapolitik ließen sich nur gemeinsam mit China durchsetzen. Als nächsten Schritt sollte die EU mit den US-Amerikanern eine gemeinsame Position entwickeln, richtete der ZEW-Präsident den Blick nach vorne. Auch Steinberg befürwortete multilaterale Abkommen. Gerade mit Blick auf die aktuellen Herausforderungen der EU, etwa durch die Corona-Pandemie, sei die gemeinsame Zusammenarbeit wichtig.

Anmerkung der Redaktion: Dr. Philipp Steinberg (ebenfalls BMWi) übernahm kurzfristig für Herrn Dr. Ulrich Nußbaum in der #ZEWlive-Ausstrahlung.

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