Ex-ante-Evaluierung und Design von Klima- und Energiepolitik stärken

Nachgefragt

Nachgefragt bei ZEW-Ökonom Prof. Dr. Sebastian Rausch

Prof. Dr. Sebastian Rausch gibt im Interview einen Ausblick auf seine neubegonnene Tätigkeit am ZEW und die bevorstehenden Veränderungen.

Zum 1. August hat Prof. Dr. Sebastian Rausch die Leitung des ZEW-Forschungsbereichs „Umwelt- und Ressourcenökonomik, Umweltmanagement“ angetreten. Nach Stationen am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich ist er einem gemeinsamen Ruf der Universität Heidelberg und des ZEW Mannheim gefolgt.

Im Interview gibt er einen Ausblick auf seine neubegonnene Tätigkeit am ZEW. Außerdem erklärt er, welche gesellschaftliche Bedeutung die Umweltökonomik hat und wie sie einen Beitrag zum Umgang mit dem Klimawandel leisten kann.

Was erhoffen Sie sich von Ihrer neuen Aufgabe?

Ich freue mich darauf, als Leiter des Forschungsbereichs meine Forschung zur Gestaltung von Emissions- und Energiemärkten zu intensivieren und in die klima- und wirtschaftspolitische Diskussion einzubringen. Nicht zuletzt die weltweite Klimadebatte hat in den vergangenen Jahren das öffentliche Bewusstsein für die Bedeutung von Umweltqualität für das menschliche und wirtschaftliche Wohlergehen noch einmal stark in den Vordergrund gerückt. Das ZEW Mannheim und die renommierten VWL-Bereiche an den Universitäten Heidelberg und Mannheim bieten ein ideales Umfeld für politik- und gesellschaftlich-relevante Forschung zu zentralen umweltökonomischen Herausforderungen unserer Zeit.

Wo liegen Ihre Forschungsschwerpunkte?

Meine Forschung zielt darauf ab, die Rolle von Wirtschaftspolitik bei der Gestaltung der vernetzen Herausforderungen von Umwelt, Energie, Technologie und wirtschaftlichem Wohlergehen zu verstehen. Konkret beschäftige ich mich vor allem mit der Bewertung und dem Design von Märkten und wirtschaftspolitischen Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels und der Gestaltung nachhaltiger Energiewirtschaftssysteme. Ich verwende angewandte theoretische und numerische Methoden der empirischen Wirtschaftsforschung an der Schnittstelle von Umwelt- und Energieökonomie, Finanzwissenschaften und Computational Economics, mit interdisziplinären Verbindungen zur technologieorientierten Energiesystemanalyse und den Umweltwissenschaften.

Welchen Beitrag kann die Umweltökonomik zur politischen Debatte über die Energiewende leisten?

Energie ist ein Lebenselixier moderner Gesellschaften. Die stetig angewachsene Energienachfrage ist maßgeblich mit der wirtschaftlichen Entwicklung verknüpft. Zuverlässige und erschwingliche Energie zu liefern und gleichzeitig die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern, um negative Auswirkungen auf Wirtschaft und Umwelt zu vermeiden, ist eine zentrale Herausforderung des 21. Jahrhunderts. Die Umweltökonomik und ihre Teildisziplin, die Energieökonomik, untersuchen die Entstehungsfaktoren von Energieangebot und -nachfrage. Sie sind somit entscheidend für das Verständnis der Auswirkungen des industriellen Wirtschaftens auf die Umwelt, zum Beispiel in Form des globalen Klimawandels oder durch lokale Luftverschmutzung, aber auch in umgekehrter Richtung durch Feedback-Effekte von der Umwelt auf die Wirtschaft. Darüber hinaus bietet die Umweltökonomik, im Verbund mit anderen Sozial- und Verhaltenswissenschaften, Erklärungsansätze, wie es möglich ist und sein könnte, Konsumenten- und Firmenverhalten in Richtung nachhaltiger Energiewirtschaftssysteme zu verändern und dabei sowohl die positiven als auch die negativen Auswirkungen verschiedener Alternativen abzuwägen.

Wie können ökonomische Anreize zur Erreichung der Klimaziele gesetzt werden?

Die ökonomische Analyse der Klimapolitik beruht in großen Teilen auf der Idee, dass potenziell schädliche Folgen wirtschaftlicher Aktivitäten auf die Umwelt, zum Beispiel durch CO2-Emissionen, eine Externalität darstellen, eine wirtschaftlich bedeutsame Auswirkung einer Aktivität, deren Folgen, zumindest teilweise, von anderen Parteien getragen werden als der Partei, die die Externalität verursacht. Die Klimapolitik versucht dieses Ungleichgewicht auszugleichen, indem sie den Anreiz erhöht, ­diese externen Kosten zu minimieren. Hieraus ergibt sich eine starke Rolle für die Bepreisung von CO2-Emissionen, zum Beispiel durch CO2-Steuern oder Märkte für handelbare Emissionsrechte. Dieser Gedanke steht hinter dem europäischen Emissionshandelssystem und der Einführung eines nationalen Brennstoffemissionszertifikatehandels in Deutschland. Darüber hinaus können allerdings auch andere wirtschaftspolitische Eingriffe notwendig sein. Ein Beispiel. Marktversagen im Zusammenhang mit CO2-Emissionen interagiert mit Marktversagen im Zusammenhang mit der Innovation und Diffusion neuer Technologien. Dieses kombinierte Marktversagen liefert eine starke Begründung für ein Portfolio öffentlicher Politiken, die die Reduzierung von Emissionen sowie die Entwicklung und Einführung klimafreundlicher Technologien fördern. Positive Wissens- und Adoptions-Spillovers und Informationsprobleme können die Innovationsanreize weiter schwächen. Technologiepolitik, zum Beispiel in Form von Subventionen, Leistungsstandards oder Mandaten für die Übernahme spezifischer bestehender Technologien, ist allerdings aufgrund mangelnder Kosteneffizienz im Vergleich zu marktbasierten Ansätzen und oft erheblicher Verteilungsfolgen meist mit Schwierigkeiten behaftet.

Welche neuen Projekte planen Sie am ZEW?

Die Frage, mit welchen wirtschaftspolitischen Maßnahmen zum Beispiel ambitionierte Klimaschutzziele erreicht werden können, erfordert Wissen über die komplexen Zusammen­hänge von Konsumenten- und Firmenentscheidungen, Märkten, Technologie und Regulierung. Am ZEW möchte ich neue Kompetenzen in der ökonomischen Modellierung von Emissions- und Energiemärkten aufbauen, insbesondere auch mit Blick auf ihre gesamtwirtschaftlichen Verflechtungen, um so den wichtigen Bereich der Ex-ante-Evaluierung von Energie- und Klimapolitik zu stärken. Dies soll bereits bestehende Schwerpunkte im Forschungsbereich in der Ex-post-Evaluierung komplementieren. Thematisch werden hier unter anderem Fragen der CO2-Bepreisung und Sektor-Kopplung von Strom, Wärme und Verkehr, des Ausbaus erneuerbarer Energien, der gesamtwirtschaftlichen Folgenabschätzungen und Verteilungswirkungen von Klimapolitik sowie der europäischen Integration der deutschen Energie­wende im Mittelpunkt stehen.