Geschäftsgeheimnisse besser zu schützen, kann dem Gemeinwohl entgegenstehen

Nachgefragt

Nachgefragt bei Dr. Bernhard Ganglmair

Dr. Bernhard Ganglmair, Leiter der ZEW-Nachwuchsforschungsgruppe „Wettbewerb und Innovation", erläutert die Ziele und Schwerpunkte seines Forschungsbereichs.

Der Forschungsbereich „Innovationsökonomik und Unternehmensdynamik“ des ZEW – Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung hat hat die neue Nachwuchsforschungsgruppe „Wettbewerb und Innovation“ eingerichtet. Die Wissenschaftler/innen dieser Gruppe erforschen Fragen zum Zusammenwirken von Recht und Wirtschaft mit besonderem Fokus auf der Wettbewerbsökonomik.

Dr. Bernhard Ganglmair, Leiter der neuen Nachwuchsforschungsgruppe, gibt Einblick in Projekte und Forschungsfragen des Teams und zeigt deren Anwendungsbezug auf.

Deutschland hat eine EU-Richtlinie zum besseren Schutz von Geschäftsgeheimnissen umgesetzt.

Die neue ZEW-Forschungsgruppe befasst sich mit der Vereinheitlichung und Stärkung des Schutzes von Geschäftsgeheimnissen. Worum geht es dabei?

Die Verbesserung und Vereinheitlichung des Schutzes von Erfindungen, Informationen und Daten hat, vereinfacht gesagt, immer ein Ziel: Stärkere Anreize schaffen und in Forschung und Entwicklung investieren. Gerade wenn es um Geschäftsgeheimnisse geht, kann dies aber auch unbeabsichtigte Folgen haben und zwar dann, wenn ein verbesserter Schutz von Geschäftsgeheimnissen zu mehr Geheimnissen führt und sich Unternehmen entscheiden, Erfindungen nicht mehr offenzulegen, beispielsweise in Patenten. Wir untersuchen diesen Effekt auf die Offenlegung und Sichtbarkeit von neuen Erfindungen anhand US-amerikanischer Daten. In den einzelnen Bundesstaaten der USA gibt es seit den 1980ern einen ähnlichen, wenn auch langwierigeren, Prozess zur Vereinheitlichung des Schutzes von Geschäftsgeheimnissen. Wir machen uns diesen zunutze und zeigen, dass ein besserer Schutz zu einem Rückgang in der Patentierung (und somit Offenlegung) von Prozessinnovationen im Vergleich zu (sichtbareren) Produkten führt. Wir veranschaulichen dann mithilfe von Modellsimulationen, dass besserer Schutz zu negativen Effekten für das Gemeinwohl führen kann. Das ist dann der Fall, wenn negative Effekte geringerer Sichtbarkeit die positiven Anreizeffekte überwiegen. Dies betrifft besonders Branchen, in denen Forschung und Entwicklung relativ profitabel ist.

Das ZEW hat in den vergangenen Jahren enormes Wissen zu Innovationen und Patenten aufgebaut. Dieses Wissen soll nun durch die Nachwuchsforschungsgruppe mit Fragen der „klassi­schen“ Wettbewerbsökonomik verbunden werden.

Gibt es ein Projekt, das dies besonders anschaulich macht?

In einem gerade angelaufenen Projekt untersuchen wir den Zusammenhang zwischen steigender Unternehmenskonzentration und dem Produktivitätswachstum in den entsprechenden Märkten. Eine zentrale Frage dreht sich um die Rolle von Innovation. Wir untersuchen, wie sich ein Rückgang des Wettbewerbs auf die Anreize von Unternehmen, in produktionskostensenkende Technologien zu investieren, auswirkt. Eine Reduktion solcher Prozessinnovationen hätte langfristige Auswirkungen auf das Produktivitätswachstum in diesen Branchen. Zum einen wollen wir dokumentieren, ob es einen solchen Zusammenhang überhaupt gibt und wie gewichtig er ist. Dafür profitieren wir ganz klar von den Ressourcen und der Expertise des Forschungsbereichs in diesem Gebiet. Wir nutzen auch die am ZEW gesammelten Daten zur Innovationsaktivität deutscher Unternehmen. Zum anderen wollen wir mit modelltheoretischen Methoden die wettbewerbsökonomischen Mechanismen erklären, die diesem Zusammenhang zugrunde liegen. Das soll uns näher an das ‚Warum‘ heranführen und somit neue Erkenntnisse für mögliche wett­bewerbspolitische Maßnahmen liefern

Welche Ziele verfolgt die neue Forschungsgruppe?

Wir wollen unser wissenschaftliches Profil schärfen, da gute wettbewerbspolitische Beratung aus guter wissenschaftlicher Forschung entsteht. Gleichzeitig braucht es dafür aber auch den aktiven Austausch mit wirtschaftspolitischen Entscheidungsträgern. Ziel ist es, uns nach außen hin an dieser Schnittstelle zwischen Wissenschaft und wettbewerbspolitischer Beratung zu positionieren. Am ZEW wollen wir zu einem verlässlichen Ansprechpartner in Sachen Wettbewerbsökonomie werden. Durch unsere Arbeit soll zusätzliches Knowhow entstehen, das auch für die anderen Forschungseinheiten wertvollen Input gibt. Gleichzeitig werden wir uns stark interdisziplinär ausrichten und den engen Austausch zwischen Ökonomen/-innen und Juristen/-innen fördern, insbesondere durch unser Engagement im Leibniz-WissenschaftsCampus MaCCI (Mannheim Centre for Competition and Innovation), den das ZEW gemeinsam mit der Universität Mannheim aufgebaut hat.

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