ZEW-Workshop zu Herausforderungen und Chancen eines emissionsarmen Verkehrssektors

Workshop

ZEW-Umweltökonom Martin Kesternich bei der Begrüßung der Gäste des Workhops zum Verkehrssektor

Für einen emissionsarmen Verkehrssektor sind neben neuen Technologien wie der Elektromobilität und Dienstleistungen wie Ridesharing oder Carpooling insbesondere zielgerichtete Politikinstrumente wie die Bepreisung der Straßennutzung weiterzudenken. Dies ist ein wichtiges Ergebnis des ZEW-Workshops mit 35 Experten/-innen aus Forschung, Politik und Praxis, der am 13./14. September 2018 in Mannheim stattfand und zugleich den Abschluss für das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Forschungsprojekt „CO2-neutrale Kurierdienstleistungen“ (CO2URIER) darstellte.

Der Verkehrssektor ist einer der wenigen wirtschaftlichen Sektoren in Deutschland, in dem die CO2-Emissionen weiterhin ansteigen und lokale Schadstoff­emissionen bisher nicht im erhofften Maße reduziert werden konnten. Neben der Beeinträchtigung der Umweltqualität verursacht die Beförderung von Personen und Gütern eine Reihe weiterer sogenannter externer Effekte wie z.B. Lärm, Unfälle und Staus. Neue Technologien wie Elektroautos und selbstfahrende Autos können einen wichtigen Beitrag zu einem emissionsarmen Verkehrssektor leisten, bringen aber auch eine Vielzahl neuer Herausforderungen mit sich. So könnte beispielsweise die Anzahl der gefahrenen Kilometer deutlich steigen. Angesichts der steigenden Nachfrage nach Mobilität ist es daher umso wichtiger, die daraus resultierenden externen Kosten durch den Einsatz von geeigneten Politikinstrumenten zu adressieren und mithilfe von Experten/innen eine Langfriststrategie für den Verkehrssektor zu entwickeln. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Workshops befassten sich mit aktuellen Fragestellungen wie der Förderung der Elektromobilität, dem Verkehrsmanagement in Innenstädten, der wachsenden Nachfrage nach Kurierdienstleistungen, notwendigen Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität sowie dem Einfluss der Sharing Economy. Eingeladen waren Vertreter/innen verschiedener Organisationen, Unternehmen und Städte sowie zahlreiche Wissenschaftler/innen aus Frankreich, den Niederlanden, Österreich, Schweden und den USA. Dr. Martin Kesternich, stellvertretender Leiter des ZEW-Forschungsbereichs „Umwelt- und Ressourcenökonomik, Umweltmanagement“ (URM), gab zur Begrüßung einen Einblick in aktuelle ZEW-Forschungsarbeiten zu Transport und Mobilität. In seinem Vortrag zur Nachfrage nach freiwilligen CO2-Ausgleichsmechanismen griff er auf aktuelle feldexperimentelle Ergebnisse zurück, die im Rahmen des CO2URIERS-Projekts in Kooperation mit einem polnischen Kurierdienstleister erzielt wurden.

Vielfältige Möglichkeiten zur Verminderung von CO2 und Luftschadstoffen

Die Podiumsdiskussion beim ZEW-Workshop drehte sich um Revolutionen im Transportsektor

Als einer von drei Hauptrednern des ersten Tages stellte Professor Erik Verhoef von der Vrije Universiteit Amsterdam ein Laborprojekt vor, in dem ein softwaregestütztes Zertifikatehandelssystem für die Nutzung von Straßen in den Niederlanden getestet wurde, das dem europäischen CO2-Emissionshandel ähnelt. Dabei stellte sich heraus, dass ein solches System durchaus den erhofften Effekt zeigte, die Verkehrsflüsse über den Tag hinweg zu glätten, und dabei von den Autofahrer/innen verstanden und akzeptiert wurde. Die Wirksamkeit und Effizienz von Luftverschmutzungsstandards für Neufahrzeuge in den USA betrachtete Professor Mark Jacobsen von der University of California (UC), San Diego, in der zweiten Keynote. Er erläuterte, dass die lokalen Schadstoffemissionen von PKW in den Vereinigten Staaten seit dem Jahr 1967 um 99 Prozent gefallen seien. Gleichzeitig warnte er jedoch davor, dass die Standards mit zunehmendem Alter der Fahrzeuge nicht mehr eingehalten würden und somit ein Verschrotten älterer Autos gerechtfertigt sein könnte. In der dritten Keynote zeigte Professor Antonio Bento von der University of Southern California (USC), Los Angeles, dass die Zahlungs­bereitschaft für die Nutzung sogenannter „Express-Spuren“ auf Highways in den USA gerade dann sehr hoch sei, wenn die Ankunft am Zielort besonders zeitkritisch ist, beispielweise um rechtzeitig am Flughafen anzukommen. In solchen Fällen seien Autofahrerinnen und -fahrer dazu bereit, für die Umgehung des Staus einen hohen Preis für letztendlich nur wenige eingesparte Minuten zu zahlen.

Politikinstrumente ergänzen neue Technologien und Dienstleistungen

Im Mittelpunkt der zweiten Podiumsdiskussion des ZEW-Workshops standen Politikmaßnahmen für urbane Mobilität.

Professor Wambach, Präsident des ZEW und kommissarischer Leiter des Forschungsbereichs URM, eröffnete den zweiten Tag mit einem Impulsreferat zum Stand der Elektromobilität in Deutschland. Dabei wies er darauf hin, dass die deutschen Automobilhersteller bei den Verkäufen von Elektroautos in nahezu allen Ländern besser abschnitten als beim Verkauf von Fahrzeugen mit Verbrennungs­motoren. Professor Antonio Bento sprach sich dafür aus, nicht nur auf neue Technologien wie Elektromobilität oder neuartige Dienstleistungen wie Ridesharing oder Carpooling zu vertrauen, sondern zielgerichtete Politikinstrumente wie die Preisgestaltung bei der Straßennutzung weiterzudenken. Hier schloss das CO2URIER-Projekt inhaltlich mit dem Ziel an, konkrete Wege zur Verbesserung der Nachhaltigkeit im Bereich von Paketdienstleistungen aufzuzeigen. Dessen Ergebnisse präsentierten Stefan Baumeister von myclimate Deutschland, Tomasz Gac von Quriers in Polen, ZEW-Ökonom Dr. Martin Kesternich und Maksymilian Kochanski von RIC Pro-Akademia Polen. In Zusammenarbeit mit deutschen und polnischen Unternehmen wurden im Rahmen des Projekts umweltfreundlichere Dienstleistungen entwickelt, die der wachsenden Branche wichtige Anstöße für Entwicklungen hin zu emissionsarmen Produkten liefern können.

Ansätze für zukünftige und städtische Mobilität in der Diskussion

Zwei Podiumsdiskussionen ergänzten die Veranstaltung, die erste davon moderierte ZEW-Umweltökonom Dr. Wolfgang Habla. Professorin Sonia Yeh von der Chalmers University of Technology Schweden, Dr. Martina Kohlhuber von der Nationalen Plattform Elektromobilität, Tilman Bracher vom Deutschen Institut für Urbanistik, Chris Kühnemund von BlaBlaCar und Oliver Leicht, Geschäftsführer von Blue Village Franklin Mobil diskutierten das Thema „Revolutionen im Transportsektor“ – von Carsharing und Ridesharing über Elektroautos bis hin zu autonomen Fahrzeugen. Die Runde kam zu dem Schluss, dass diese Revolutionen nur dann zu einer Reduktion des Verkehrsaufkommens führen würden, wenn die Menschen ihr Mobilitätsverhalten grundlegend änderten. Ob dafür finanzielle Anreize ausreichend sind, war in der Diskussion allerdings umstritten. Entscheidend dabei sei, dass es gelänge, den öffentlichen Nahverkehr zum Rückgrat der zukünftigen Mobilität zu machen. In der abschließenden Podiumsdiskussion zu Politikmaßnahmen für urbane Mobilität stellte Dr. Martin Kesternich kritische Fragen an die Runde, die aus dem Ersten Bürgermeister der Stadt Mannheim, Christian Specht, Professor Mark Jacobsen, Professor Walid Oueslati von der OECD, Dr. Carl-Friedrich Eckhardt von BMW sowie Christian Harter von der fka Forschungsgesellschaft Kraftfahrwesen bestand. Dabei wurde insbesondere angemahnt, dass die rechtlichen Zuständigkeiten im Bereich Verkehr auf vielen unterschiedlichen Ebenen angesiedelt seien. So gestalte es sich sehr schwer, Verkehrsprojekte über alle Ebenen hinweg zu initiieren und zu koordinieren. Außerdem plädierten die Diskutierenden für eine bessere Nutzung von Parkgebühren in Städten und Gemeinden, um Verkehrsprobleme zu beheben.

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