Seit vielen Jahren wird in Deutschland intensiv darüber diskutiert, dass die Alterung der Bevölkerung für die Rentenversicherung finanzielle Probleme schafft. Immer weniger Beitragszahler werden künftig die Renten von immer mehr Ruheständlern zahlen müssen. Um den Anstieg dieser Lasten in Grenzen zu halten, hat die Politik in den letzten zwei Jahrzehnten mit mehreren Reformen die Rentenleistungen gekürzt. In die Rentenformel wurde ein demographischer Faktor eingeführt und die letzte große Koalition hat die Rente mit 67 beschlossen. Das Alter, in dem man ohne Abschläge in Rente gehen kann, wird demnach bis zum Jahr 2030 schrittweise angehoben. Die Rentenversicherungsbeiträge werden in den nächsten Jahren trotzdem steigen, aber der Anstieg wird durch die Reformen erheblich gedämpft.

Die neue Bundesregierung hat nun einen anderen Kurs eingeschlagen. Die Leistungen der Rentenversicherung werden wieder ausgebaut: Arbeitnehmer mit mindestens 45 Beitragsjahren sollen schon im Alter vor 63 Jahren ohne Abschlag in Rente gehen können und Mütter von Kindern, die vor 1992 geboren sind, sollen mehr Rente erhalten. Befürworter dieser Kehrtwende behaupten, wir könnten uns diese Wohltaten angesichts prall gefüllter Rentenkassen leisten. Was ist davon zu halten?

Die gesetzliche Rentenversicherung hat in den letzten Jahren in der Tat Überschüsse erwirtschaftet. Die gute Arbeitsmarktentwicklung in Deutschland hat das Beitragsaufkommen steigen lassen. Gleichzeitig befinden wir uns demographisch derzeit in einer besonderen Phase, die allerdings nicht lange anhalten wird. In den letzten Jahren haben die Menschen das Rentenalter erreicht, die während des Zweiten Weltkriegs und den ersten Nachkriegsjahren geboren wurden. In diesen Jahren war die Zahl der Geburten in Deutschland niedrig. Deshalb ist die Zahl der Rentenzugänge gesunken, von rund 1,4 Millionen im Jahr 2003 auf 1,2 Millionen im Jahr 2012. Die Rentenversicherung hat allein in den Jahren 2011 und 2012 jeweils rund 5 Milliarden Euro Überschüsse erwirtschaftet. In den nächsten Jahren werden diese entlastenden Faktoren verschwinden, und die Rentenversicherung wird ohne Beitragserhöhungen wieder Defizite produzieren. Deshalb wäre es eigentlich sachgerecht, die Überschüsse auf die hohe Kante zu legen. Die Politik konnte aber der Versuchung nicht wiederstehen, das Geld auszugeben. Allerdings reichen die Überschüsse bei weitem nicht. Die Bundesregierung rechnet damit, dass allein die Mütterrente pro Jahr rund 6,5 Milliarden Euro kosten wird. Die Reserven werden schnell verbraucht sein, den Löwenanteil der Mehrbelastung müssen künftige Beitragszahler tragen.

Vor allem die Mütterrente wird mit Gerechtigkeitsargumenten verteidigt. Es wird angeführt,  dass es ungerecht sei, für nach 1992 geborene Kinder mehr Rentenleistungen zu gewähren als für Kinder, die vor diesem Termin geboren wurden. Das kann man durchaus so sehen. Wichtiger ist aber, dass diejenigen, die Kinder haben und viel Geld und Zeit für deren Erziehung eingesetzt haben, die umlagefinanzierte Rente aufrechterhalten, während Versicherte ohne Kinder sich auf andere verlassen. Aus dieser Perspektive wäre es richtig gewesen, die Mütterrente durch Rentenkürzungen bei Kinderlosen zu finanzieren oder Renten generell nach der Kinderzahl zu differenzieren. Der Politik hat aber der Mut gefehlt, eine Debatte darüber zu führen, wer die Kosten der Mütterrente tragen soll. Sie auf Pump zu finanzieren, die Lasten also den Kindern der betroffenen Mütter aufzuerlegen, ist kein überzeugender Weg. Es ist der Weg des geringsten politischen Widerstands, zu mehr Verteilungsgerechtigkeit führt er nicht.