Wiedereinführung der Vermögensteuer schadet dem Standort Deutschland

Forschung

Die Wiedereinführung einer Vermögensteuer würde die steuerliche Attraktivität des Standorts Deutschland und die Wettbewerbsfähigkeit deutscher, insbesondere mittelständischer, Unternehmen weiter senken. Dies zeigen eine internationale Bestandsaufnahme und Belastungsrechnungen, die das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim durchgeführt hat.

Zudem ist es fraglich, ob der Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Vermögensteuer ausräumen und sein ehrgeiziges Aufkommensziel realisieren kann. Wenn einzelne Bundesländer trotz dieser Bedenken an einer Neuauflage der Vermögensteuer festhalten wollen, dann sollte ihnen dies zwar nicht verwehrt werden. Genauso wenig sollten aber diejenigen Bundesländer, die die zu erwartenden Standortnachteile nicht in Kauf nehmen wollen, einer bundeseinheitlichen Regelung unterworfen werden.

Die SPD-geführten Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen wollen ab 2004 die Vermögensteuer mit einem Steuersatz von 1 Prozent wieder einführen und so ein jährliches Aufkommen zwischen 8 und 9 Milliarden Euro generieren. Es sollen Freibeträge in Höhe von 300.000 Euro für Alleinstehende, 600.000 Euro für Verheiratete sowie 200.000 Euro pro Kind und ein besonderer Freibetrag in Höhe von 2,5 Millionen Euro für Betriebsvermögen gewährt werden. Grund- und Betriebsvermögen sollen mit 80 Prozent der Verkehrswerte angesetzt werden. Die Auswirkungen dieses Vorschlags auf die Steuerbelastung von Unternehmen in Deutschland sowie im internationalen Vergleich wurden mit dem am ZEW in Kooperation mit der Universität Mannheim entwickelten "European Tax Analyzer" simuliert.

Steuerbelastung deutscher Unternehmen steigt

Für ein typisches Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes in Deutschland steigt demzufolge die Gesamtsteuerbelastung um 3,4 Prozent. Betrachtet man darüber hinaus typische Unternehmen verschiedener Branchen, so zeigt sich, dass mit Belastungsanstiegen zwischen 0,6 Prozent im Verkehrssektor und 24,8 Prozent im Baugewerbe zu rechnen wäre. Die sehr hohe Belastung des Bauunternehmens ist auf dessen geringe Erfolgslage zurückzuführen, so dass eine zusätzliche Substanzsteuer stark ins Gewicht fällt. Auch die chemische Industrie müsste mit einem vergleichsweise hohen Belastungsanstieg von 3,6 Prozent rechnen. Ausschlaggebend ist in diesem Fall die hohe Eigenkapitalquote. Dies ist ein Beleg für die Diskriminierung der Eigenkapitalfinanzierung im Rahmen einer das Nettovermögen erfassenden Vermögensteuer. Zu befürchten ist deshalb eine verstärkte Belastung junger, innovativer Unternehmen ("Start-ups"), die bekanntlich eine hohe Anfangseigenkapitalausstattung benötigen.

Aus der Sicht mittelständischer Unternehmen kommt es neben der Belastung des Unternehmensvermögens auch auf die Belastung des privaten Vermögens an, das der Gesellschafter seinem Unternehmen zur Verfügung stellt. Unter Einbezug der Anteilseigner würde sich die effektive Gesamtsteuerbelastung für das Ausgangsunternehmen sogar um etwa 8,5 Prozent erhöhen. Prozentual würden damit mittelständische Unternehmen trotz vorgesehener hoher persönlicher Freibeträge noch stärker belastet als Publikumsgesellschaften.

Internationale Attraktivität des Standorts Deutschland nimmt weiter ab

Im internationalen Vergleich ist die Steuerbelastung deutscher Unternehmen trotz der deutlichen Tarifsenkungen im Rahmen des Steuersenkungsgesetzes des Jahres 2001 hoch. Durch die Vermögensteuer würden die Entlastungen dieses Gesetzes mehr als kompensiert werden. Im Gegensatz zur derzeitigen Rechtslage unterliegen deutsche Kapitalgesellschaften nach Einführung einer Vermögensteuer einer höheren Belastung als ein vergleichbares Unternehmen in den USA (der Vorteil der USA steigt von 0,3 Prozent auf 3,7 Prozent). Gegenüber Frankreich würde der derzeit noch bestehende Vorteil nahezu halbiert werden (von 9,6 Prozent auf 5,6 Prozent). Die aus der Sicht britischer und niederländischer Unternehmen bestehenden deutlichen Vorteile würden weiter ansteigen (von 25,2 Prozent auf 38,3 Prozent aus der Sicht Großbritanniens und von 17,6 Prozent auf 25,5 Prozent aus der Sicht der Niederlande). Bei diesen Berechnungen sind die Mehrbelastungen des geplanten Steuervergünstigungsabbaugesetzes noch nicht einmal berücksichtigt. Mit der Wiedereinführung einer Vermögensteuer würde Deutschland schließlich gegen den internationalen Trend steuern und auch den Harmonisierungsbestrebungen innerhalb der Europäische Union eine klare Absage erteilen. So unterliegen innerhalb der 15 Mitgliedstaaten Kapitalgesellschaften keiner Vermögensteuer. Gerade in den vergangenen 20 Jahren wurden die ertragsunabhängigen Steuern in vielen Ländern auf ein Minimum reduziert. Wichtige Beispiele bilden die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer in Luxemburg, Österreich und auch in Deutschland sowie unlängst die Beseitigung der privaten Vermögensteuer in den Niederlanden.

Erreichung der verfassungsrechtlichen Vorgaben und der Aufkommensziele fraglich

Neben den Wettbewerbsnachteilen für deutsche Unternehmen ist die Vermögensteuer nach wie vor verfassungsrechtlich bedenklich. Die gebotene zeitnahe Bewertung des Betriebs- und Grundvermögens verlangt die Neufeststellung von Verkehrswerten zu jedem Veranlagungszeitpunkt, was verwaltungstechnisch kaum zu bewerkstelligen sein dürfte. Zudem begrenzt der Halbteilungsgrundsatz den steuerlichen Zugriff des Fiskus. Denn bei einem Einkommensteuerspitzensatz im Jahr 2004 in Höhe von 49,6 Prozent einschließlich Solidaritätszuschlag besteht nur ein denkbar geringer Spielraum. Schließlich bleibt es im Verborgenen, wie mit deutlich erhöhten Freibeträgen, aber nahezu unveränderten Steuersätzen, ein doppelt so hohes Aufkommen wie im Jahr 1996 erzielt werden soll, ganz abgesehen von jährlich bundesweit geschätzten 350 Millionen Euro an zusätzlichen Erhebungskosten innerhalb der Finanzverwaltungen. Von einer Vermögensteuer auf Bundesebene kann da-her nur abgeraten werden. Gleichwohl bleibt es einer Landesregierung unbenommen, die Vermögensteuer trotz dieser Nachteile in ihrem Land einzuführen. Im Erfolgsfall werden dann die anderen Länder dem guten Beispiel folgen. Andernfalls hätte man immerhin das fehlgeschlagene Experiment auf ein Bundesland begrenzt, statt ganz Deutschland in Mitleidenschaft zu ziehen.

Ansprechpartner

Dr. Gerd Gutekunst, E-Mail: gutekunst@zew.de

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