Im Rahmen der Koalitionsgespräche von SPD und Bündnis 90/Die Grünen wurde vereinbart eine ökologische Steuerreform umzusetzen. Konkrete Angaben über das Besteuerungsverfahren, die Ermittlung der Bemessungsgrundlagen und vorgesehene Ausnahmeregelungen wurden zwar nicht genannt. Jedoch wurden die Steuertarife und die vorgesehene Entlastung bei den gesetzliche Sozialabgaben beziffert:

Strom: 2 Pfennig pro Kilowattstunde
Heizöl: 4 Pfennig pro Liter
Gas: 0,32 Pfennig pro Kilowattstunde
Benzin und Diesel: 6 Pfennig pro Liter
Senkung der Sozialabgaben um 0,8 Prozentpunkte
(Annahme: je zur Hälfte Arbeitslosen- und Rentenversicherungsbeitrag)

Die Auswirkungen dieser Energiesteuer und der Kompensation bei den Sozialabgaben auf ein durchschnittliches Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes in Deutschland wurden am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Kooperation mit Prof. Jacobs, Universität Mannheim mit dem EDV-Programm "European Tax Analyzer" berechnet. Im Rahmen dieser Simulation werden die Steuersysteme detailliert abgebildet, so daß die Veränderung der Steuerzahlungen des Modellunternehmens exakt quantifiziert werden kann. Die einzelwirtschaftliche Analyse zeigt, daß sich die Steuer- und Abgabenbelastung des Unternehmens um 1,3 Prozent erhöht, weil die Kompensation deutlich geringer ausfällt als die Belastungen durch die Energiesteuer (siehe Tab. 1).

Die effektive Abgabenbelastung des Unternehmens erhöht sich durch die Reform um 1,4 Prozentpunkte auf 55,1 Prozent. Sie ist damit grundlegend höher als für ein vergleichbares Unternehmen in Großbritannien (24,3%), den Niederlanden (38,9%) oder den USA (34,5%), jedoch geringer als in Frankreich (94,3%). Dabei wurde unterstellt, daß keine Anpassungsreaktionen des Unternehmens stattfinden, was angesichts der kurzfristigen Einführung für das Jahr 1999 realistisch erscheint. Langfristig ist jedoch mit einzel- als auch gesamtwirtschaftlichen Veränderungen zu rechnen, welche die Belastungswirkung der Reformmaßnahmen auf Unternehmen vermindern oder zusätzlich erhöhen können.

Umweltsteuer  Kompensation kurzfristige Auswirkung gesamt
+1,8% -0,5% +1,3%

Tabelle 1: Auswirkungen der geplanten ökologischen Steuerreform auf die Steuer- und Abgabenbelastung eines Durchschnittsunternehmens in Deutschland im Jahr 1999

Die Betrachtung konkreter Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen zeigt, dass es bei diesem Reformkonzept Gewinner und Verlierer gibt. Die Bandbreite der Be- und Entlastungen reicht von einer Reduzierung der Steuer- und Abgabenbelastung um 0,7 Prozent bis zu einer Erhöhung um 17,5 Prozent (siehe Tab. 2). Ausnahmeregelungen für energieintensive Unternehmen wurden dabei nicht berücksichtigt, um die prinzipiellen Wirkungen der Steuerreform aufzuzeigen.

Tendenziell profitieren die betrachteten Unternehmen des Maschinenbaus und des Dienstleistungssektors. Die übrigen acht Unternehmen zählen dagegen zu den Verlierern einer solchen ökologischen Steuerreform. Insgesamt erscheint die Entlastung zur Kompensation der Mehrbelastungen durch die Energiesteuer bei dem vorliegenden Entwurf zu gering, so dass für die Mehrzahl der untersuchten Unternehmen als auch für das betrachtete Durchschnittsunternehmen eine Erhöhung der Abgabenbelastung resultiert. Auch bei den insgesamt sehr moderaten Energiesteuertarifen dieses Konzepts ergeben sich demnach für einzelne Unternehmen deutliche Mehrbelastungen. Dies führt zu einer Verschlechterung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit dieser Unternehmen und Nachteilen für den Standort Deutschland in diesen Bereichen.

Aufgrund der ohnehin bereits hohen Steuer- und Abgabenbelastung deutscher Unternehmen im internationalen Vergleich sind daher in den Verliererbranchen Arbeitsplatzverluste zu befürchten. Ob diese durch neue Arbeitsplätze bei den Gewinnern ausgeglichen werden können, bleibt abzuwarten. Zumindest wird es Übergangsschwierigkeiten mit zusätzlichen Risiken für den Arbeitsmarkt geben, weil ein Wechsel von Arbeitskräften aufgrund unterschiedlicher Qualifikation und Anforderungsprofile nicht ohne weiteres möglich sein dürfte.

Ausnahmeregelungen für energieintensive Unternehmen erscheinen aus diesem Grund sinnvoll. Allerdings schränkt eine Befreiung der Unternehmen mit dem höchsten Energieverbrauch von der Energiesteuer die ökologische Lenkungswirkung der Reform erheblich ein. Hauptzweck einer ökologischen Steuerreform ist indessen die Verbesserung des Umweltschutzes. Es ist jedoch fraglich, ob mit solchen niedrigen Steuertarifen und Steuerbefreiungen für energieintensive Unternehmen, wie in dem vorgesehenen Konzept, eine Reduzierung des Energieverbrauchs überhaupt erreicht werden kann. Eine deutliche Minderung des Energieverbrauchs, wie sie für den Klimaschutz notwendig wäre, kann jedenfalls nicht realisiert werden. Wenn darüber hinaus Kohle nicht in die Energiebesteuerung einbezogen wird, obwohl deren Verbrennung die höchsten Kohlendioxidemissionen aller Energieträger verursacht, ist eine spürbare Verbesserung des Umweltschutzes nicht zu erwarten.

Es stellt sich daher die Frage, ob mit einer derart konzipierten ökologischen Steuerreform nicht lediglich eine zusätzliche Finanzierungsquelle für die Ausgaben des Staates eröffnet wird. Prinzipiell ist die Einführung einer ökologischen Steuerreform aus ökonomischer Sicht zwar zu begrüßen. Die Beurteilung hängt jedoch wesentlich von der konkreten Ausgestaltung der Ökosteuer und der damit verbundenen Kompensation ab. Dabei muß die Verbesserung des Umweltschutzes im Vordergrund der Überlegungen stehen. Gleichwohl läßt sich dies in einem nationalen Alleingang ohne negative Auswirkungen auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und damit auch auf die Beschäftigung nur schwer erreichen.


Automobil AG

+0,5%

Autozulieferer GmbH

+0,5%

Bau AG

+0,5%

Elektro GmbH

+0,3%

Handel GmbH

+0,5%

Maschinenbau GmbH

-0,1%

Nahrungsmittel AG

+4,3%

Schmierstoff GmbH

+0,4%

Wirtschaftsprüfung AG

-0,7%

Zement und Gips AG

+17,8%

Tabelle 2: Auswirkungen der geplanten ökologischen Steuerreform auf die Steuer- und Abgabenbelastung ausgewä;hlter Unternehmen in Baden-Württemberg im Jahr 1999 (Datenbasis: Jahresabschluß 1995). Aus Datenschutzgründen sind die Unternehmensnamen anonymisiert, so daß lediglich ihre Branchenzugehörigkeit erkennbar ist.

Ansprechpartner

Dr. Alexander Wünsche, E-Mail: wuensche@zew.de