Mannheim Tax Index
Steuerliche Standortattraktivität in Europa
Der Mannheim Tax Index ist ein Indikator für das effektive Steuerniveau von Unternehmen, da die Besteuerung als ein wichtiger Standortfaktor gilt. Hierbei vergleicht er Länder und Regionen aus steuerlicher Sicht und berücksichtigt dabei alle Steuern auf Gewinne und investiertes Kapital sowie die wichtigsten Regelungen zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage. Somit wird ein umfassendes Bild der Besteuerung gezeichnet, indem zwei generelle Stränge verfolgt werden: die Besteuerung inländischer Unternehmen mitsamt ihren Anteilseignern und grenzüberschreitende Unternehmensinvestitionen. Die Analyse der Besteuerung von Unternehmen ist eine traditionelle Methode, um die steuerliche Attraktivität von Regionen im internationalen Wettbewerb zu vergleichen. Sie konzentriert sich auf die Steuersätze, die von mobilem Kapital und mobilen Unternehmen getragen werden.
Dr. Daniela Steinbrenner
ZEW-ExpertinUnser Index basiert aus zwei Gründen auf den effektiven Steuerbelastungen: Sie sind für die Investitionsentscheidung relevanter als nominale Steuersätze, und sie sind aufgrund ihres aggregierten Niveaus in Bezug auf verschiedene Standorte direkt vergleichbar. Die Betrachtung dieser effektiven Steuersätze im Zeitverlauf liefert eine Intuition über gemeinsame Trends im Steuerwettbewerb und mögliche Interdependenzen zwischen Standorten.
Effektivsteuerbelastungen im Ländervergleich
Die Corona-Krise hat zu deutlichen Verwerfungen in den Lieferketten geführt und die Weltwirtschaft stark getroffen. Diese Situation wird durch die Energiekrise und die daraus resultierende sehr hohe Inflation in der EU für Unternehmen zusätzlich verschärft. Für die Wahl des Unternehmensstandortes sowie die dringend benötigten Investitionstätigkeiten im europäischen Binnenmarkt ist auch die steuerliche Standortattraktivität einzelner Mitgliedsstaaten ein bedeutsames Entscheidungskriterium.
Hier hat Deutschland, eines der wichtigsten europäischen Länder aus Sicht ausländischer Direktinvestitionen, in den vergangenen Jahren im internationalen Steuerwettbewerb immer weiter an Boden verloren. Im Jahr 2022 weist Deutschland im Vergleich zu Frankreich, Italien, dem Vereinigten Königreich und dem EU-Durchschnitt die höchste Steuerbelastung für traditionelle Geschäftsmodelle auf. Insbesondere durch die Senkung des französischen Körperschaftsteuersatzes in den vergangenen Jahren wird der Hochsteuerlandcharakter Deutschlands deutlich. Auch die Erhöhung des Körperschaftsteuersatzes im Vereinigten Königreich auf 25 Prozent im Jahr 2023 wird an der Spitzenposition Deutschlands vorerst nichts ändern. Ohne deutliche Reformen in der Körperschaftsteuer verbleibt Deutschland aus einer rein steuerlichen Perspektive ein vergleichsweise unattraktiver Standort für Unternehmen mit internationalen Investitionsalternativen.
Deutschlands effektive Steuerbelastung liegt 10 Prozentpunkte über dem europäischen Durchschnitt
Die effektive Durchschnittsteuerbelastung eines profitablen Investitionsprojekts in Deutschland liegt im Jahr 2022 bei 28,8 Prozent und übersteigt somit den EU-Durchschnitt um 10 Prozentpunkte. Im internationalen Vergleich haben nur zwei der betrachteten Länder (Spanien und Japan) eine höhere Abgabenlast. Die anhaltend hohe Belastung von Investitionen in Deutschland seit der grundlegenden Steuerreform im Jahr 2008 gefährdet die Position im Mittelfeld der Belastungen vergleichbarer großer Industrienationen, da diese weiterhin aktiv am Steuerwettbewerb teilnehmen.
Beispiele zur Verbesserung der steuerlichen Standortattraktivität finden sich unter anderem bei den wichtigsten Wettbewerbern um ausländische Direktinvestitionen, Frankreich und dem Vereinigten Königreich. Nach dem Vorbild Frankreichs könnte Deutschland eine generelle Absenkung des im europäischen Vergleich sehr hohen Gewinnsteuersatzes, welcher sich aus dem Körperschaftsteuer- und dem Gewerbesteuersatz zusammensetzt, in Erwägung ziehen. Darüber hinaus bieten Sonder- und Sofortabschreibungen nach dem Beispiel Großbritanniens eine attraktive Alternative. Es profitieren nur Unternehmen, die tatsächlich investieren und die Steuerzahlungen entfallen nicht endgültig, sondern werden in die Zukunft verlagert. Eine deutliche Verbesserung der Investitionsdynamik und somit der steuerlichen Standortattraktivität Deutschlands ist allerdings nur zu erwarten, wenn diese Sonder- und Sofortabschreibungsmöglichkeiten breit ausgestaltet sind, sodass eine Vielzahl von Unternehmen und Investitionen profitieren können.
Devereux-Griffith-Modell
Die Berechnung des Mannheim Tax Index basiert auf dem etablierten investitionstheoretischen Ansatz der britischen Ökonomen Devereux und Griffith (1999, 2003). Hierbei wird unter Berücksichtigung einer Vielzahl steuerlicher Parameter und deren Auswirkungen auf eine hypothetische, zukünftige Investition die effektive Steuerbelastung eines Landes berechnet und steuerlich bedingte Verzerrungen in der Standortwahl aufgezeigt. Hierfür können sowohl die Kapitalkosten und die effektive Grenzsteuerbelastung einer marginalen Investition, die den Umfang einer Investition an einem Standort beeinflusst, als auch die effektive Durchschnittsteuerbelastung einer rentablen Investition berechnet werden.
Die Grafik „Modellstruktur“ zeigt die Struktur der Investition und deren Finanzierung. Für die Berechnung des Mannheim Tax Index wird eine Kapitalgesellschaft des Verarbeitenden Gewerbes unterstellt, die selbst oder durch eine ausländische Tochtergesellschaft eine Investition in eine vorgegebene Kombination diverser Wirtschaftsgütern tätigt. Das hypothetische Investitionsvorhaben besteht zu gleichen Teilen aus immateriellen Wirtschaftsgütern, Industriegebäuden, Maschinen, Finanzanlagen und Vorratsvermögen. Dabei werden auch unterschiedliche Wege der Finanzierung berücksichtigt. Die Finanzierungsquellen sind, in der Reihenfolge ihrer Gewichtung, einbehaltene Gewinne, Fremdkapital und neues Beteiligungskapital.
Datenzugriff
Bitte nachfolgende Zitierung nutzen:
ZEW (2023), Mannheim Tax Index – Update 2022
Zugang zu den Daten
Den Berechnungen für den Mannheim Tax Index liegen die Zahlen der Studienreihe „Effective Tax Levels Using the Devereux/Griffith Methodology“, die das ZEW im Auftrag der Europäischen Kommission durchführt, zugrunde. Ziel dieser Studie ist es, für die 27 EU-Staaten sowie das Vereinigte Königreich, Schweiz, Norwegen, Republik Mazedonien, Türkei, USA, Kanada und Japan effektive Steuersätze zu ermitteln. Dabei stützt sich die Berechnung der inländischen und grenzüberschreitenden marginalen und durchschnittlichen Effektivsteuersätze auf den Ansatz von Devereux und Griffith. Neben der Unternehmensebene wird auch die Ebene der Anteilseigner erfasst. Die Studie stellt die Entwicklung der effektiven Steuersätze für den Zeitraum von 1998 bis 2020 dar. Weitere Informationen liegen zum Download vor: