ZEW-Workshop "Recent Developments in Behavioural Microsimulation"

Workshop

Anfang Dezember 2010 veranstaltete das ZEW einen zweitägigen Workshop zu neuen Entwicklungen in der verhaltensbasierten Mikrosimulation. 35 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem In- und Ausland nutzten die Gelegenheit, um sich über aktuelle Entwicklungen in diesem Forschungsfeld auszutauschen.

Als Hauptredner des Workshops sprach Prof. Richard Blundell (University College London und Institute for Fiscal Studies). Er stellte die wichtigsten Lektionen aus der Mirrlees Review vor, einem großangelegten Projekt, in dem zahlreiche internationale Experten die Eigenschaften eines guten Steuersystems untersucht haben.

Ein weiterer inhaltlicher Schwerpunkt des Workshops lag im Bereich der Familienökonomik. Hier zeichnet sich ein wachsender wirtschaftspolitischer Beratungsbedarf ab. So führt etwa das ZEW derzeit für das Familien- und das Finanzministerium mit den Methoden der Mikrosimulation eine Sofortevaluation von 13 ehe- und familienbezogenen Leistungen in Deutschland durch.

Katharina Wrohlich (DIW Berlin), Alexander Bick (Goethe-Universität Frankfurt) und Egbert L.W. Jongen (CPB Den Haag) befassten sich aus verschiedenen methodischen Blickwinkeln mit dem Zusammenhang zwischen außerhäuslicher Kinderbetreuung und der Erwerbstätigkeit von Frauen. Arthur van Soest (Universität Tilburg) untersuchte den Einfluss des Steuer-Transfer-Systems auf die Aufgabenverteilung bei der Hausarbeit. Das generell hohe methodische Niveau des Workshops, gerade im Bereich der Verhaltensmodellierung, wurde auch in zwei weiteren Beiträgen deutlich. Marco Cosconati (Banca d’Italia) stellte ein Modell zum Einfluss der Erziehung auf die Humankapitalbildung vor, Andreas Steinhauer (Universität Zürich) verknüpfte die Ex-post-Evaluation von Elternzeitregelungen mit einem strukturellen Modell der Arbeitsplatzsuche.

Verschiedene Beiträge befassten sich darüber hinaus mit allgemeinen methodischen Fragen: Philippe Liégeois (CEPS/INSTEAD Luxemburg) stellte ein Verfahren zum Umgang mit negativen Grenznutzen in diskreten Wahlmodellen vor. Andreas Peichl und Sebastian Siegloch (beide IZA Bonn) beschäftigten sich mit einer vergleichenden Analyse von Arbeitsangebotselastizitäten beziehungsweise der Integration der Arbeitsnachfrage in Mikrosimulationsmodellen. Jürgen Wiemers (IAB Nürnberg) stellte eine Untersuchung darüber vor, ob sich durch die Hartz-IV-Reformen die Inanspruchnahme von Sozialleistungen verändert hat.

Mehrere der im Workshop diskutierten Papiere verknüpften Mikrosimulationsmodelle mit einer Lebenszyklusbetrachtung, um die Ausgestaltung des Steuer-Transfer-Systems unter den Bedingungen des demographischen Wandels (Peter Haan, Goethe-Universität Frankfurt), den Nettobeitrag von Einwanderern zur Sozialversicherung (Murat G. Kirdar, Technische Universität Ankara) oder den privaten Vermögensaufbau (Simone Tedeschi, Universität Modena) zu untersuchen.

Die Breite der Anwendungen der Mikrosimulation zeigten die Beiträge von Daniela Glocker (DIW Berlin), die den Einfluss von Studiengebühren untersuchte, und von David Philipps (IFS London), der den Einfluss der Lebensmittelpreise auf den Haushaltskonsum in Mexiko analysierte und zum Ende seines Vortrags einen kurzen Überblick über die Forschung im Bereich des Mikrosimulation am IFS London gab.

Ansprechpartner: Dr. Holger Stichnoth

Die Mikrosimulation ist ein wichtiges Werkzeug der Politikberatung und kommt am ZEW jedes Jahr in mehreren Projekten zum Einsatz. Auftraggeber sind dabei in der Regel Bundesministerien oder Gremien wie der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. In der Mikrosimulation werden Individual- oder Haushaltsdaten mit ökonomischen Modellen kombiniert, um Auswirkungen von Politikmaßnahmen vorherzusagen. In der verhaltensbasierten Mikrosimulation wird dabei berücksichtigt, dass die Haushalte auf die veränderten Rahmenbedingungen reagieren, sie beispielsweise nach einer Reform im Steuer-Transfer-System ihr Arbeitsangebot ausweiten oder einschränken.