ZEW-Wissenschaftler/innen diskutieren Mobilitätsfragen in Peking

Konferenzen

Session bei Beijing-Humboldt-Forum (BHF) 2019

ZEW Research Associate Professor Andreas Löschel im Vortrag

Das ZEW Mannheim hat gemeinsam mit der University of International Business and Economics (UIBE) in Peking und der Alexander von Humboldt-Stiftung das diesjährige Beijing-Humboldt-Forum (BHF) organisiert, das vom 21. bis 23. September 2019 in der chinesischen Hauptstadt stattfand. Dabei veranstaltete das ZEW eine Session mit dem Titel „Minderung  des Klimawandels, Kontrolle der Luftverschmutzung und der Mobilitätssektor“ (Climate Change Mitigation, Air Pollution Control and the Mobility Sector). Hier diskutierten internationale Gäste gemeinsam mit ZEW-Wissenschaftlern/-innen die Rolle von Umwelt-, Energie- und Innovationspolitiken für die Entwicklung eines emissionsreduzierten Transportsektors in China und Europa.

Das Beijing-Humboldt-Forum stand in diesem Jahr unter dem Motto „Green Economy, Cultural Heritage, Artifical Intelligence“ und bot den Teilnehmenden aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik vielfältige Vorträge zu den Themen Green Economy, kulturelles Erbe und künstliche Intelligenz. In insgesamt siebzehn Sessions wurden die beiden Themen Green Economy und kulturelles Erbe in verschiedenen Aspekten näher beleuchtet.

Folgende Themen wurden unter anderem aufgegriffen:

  • Ökonomisch nachhaltige Business-Modelle
  • Digitale Innovationen im Automobilsektor
  • Recycling komplexer Materialien
  • Sprache und Medien
  • Wissenstransfer zwischen Ostasien und dem Westen im 19. und 20. Jahrhundert
  • Internationale Bildungskooperationen

Im Rahmen der Eröffnungszeremonie sprachen neben Prof. Dr. Zhao Zhongxiu, Vizepräsident der UIBE und Präsident des BHF, weitere Vertreter der deutschen und österreichischen Botschaften, der Präsident der türkisch-deutschen Universität in Istanbul sowie Vertreter der Stadt Brasilia und Teilnehmer/innen aus Industrie und Wissenschaft.

Vorträge rücken Effektivität unterschiedlicher Politikmaßnahmen zur Reduktion von Treibhausgasen und lokaler Luftverschmutzung in den Fokus

Professor Jiang Qingzhe von der UIBE eröffnet mit seiner Keynote das BHF 2019

In der ZEW-Session zum Thema Minderung des Klimawandels, Kontrolle der Luftverschmutzung und der Mobilitätssektor stellten Umweltökonomen/-innen aus China, Deutschland und der USA Forschungsprojekte vor, welche die Effektivität unterschiedlicher Politikmaßnahmen zur Reduktion von Emissionen auf lokaler, regionaler und internationaler Ebene in den Fokus rückten. Die Session wurde durch Prof. Dr. Andreas Löschel, ZEW Research Associate und Professor an der Universität Münster, sowie Prof. Dr. Bodo Sturm, ZEW Research Associate und Professor an der HTWK Leipzig, gemeinsam mit Prof. Ou Xunmin, Ph.D., von der Tsinghua-Universität in Peking moderiert. Ein wichtiger Fokus der Session lag dabei auf ökonomischen Fragestellungen rund um die vom Mobilitätssektor verursachten Emissionsbelastungen.

In seinem Eingangsreferat stellte Prof. Ou Xunmin, Ph.D., die Erwartungen für den chinesischen Automobilmarkt in den nächsten Jahrzehnten vor. Demnach wird im Jahr 2050 ein Bestand von etwa 500 Millionen Autos erwartet, davon etwa 80 Prozent Elektro-Autos. Dazu wird derzeit massiv in die Ladeinfrastruktur investiert und gleichzeitig Programme zur Förderung von Wasserstoffantrieben aufgelegt. In Ergänzung dazu betonte Prof. Qin Ping, Ph.D., von der Renmin-Universität in Peking die Bedeutung des Transportsektors für die Verbesserung der Umweltqualität in Peking. Ihre Analyse zeigte, dass bis zu 58 Prozent der Luftverschmutzung in Peking auf den Verkehrssektor zurückgeht und daher insbesondere Politikansätze zur Reduzierung starker Staubelastung in den Vordergrund  rücken sollten. Die Modellierungen zeigen, dass damit eine Reduktion der Treibhausgasemissionen von 76 Prozent bis zum Jahr 2030 möglich wäre. Prof. Antonio Bento, Ph.D., vom USC Center for Sustainability Solutions wies in seinem Vortrag auf ungewünschte Nebeneffekte von Luftreinhalteprogrammen in China hin. Demnach führen durch kurzzeitige Produktionsverbote induzierte Produktionsverlagerung von Unternehmen dazu, dass die Luftverschmutzung sich in den regulierten Phasen zwar verbessert, im Anschluss insbesondere in besonders dicht besiedelten Industrieregionen  jedoch stark ansteigt, so dass insgesamt mehr Emissionen anfallen als ohne eine entsprechende Regulierung. Prof. Bento empfahl daher Politikinterventionen, die z.B. durch entsprechende Höchstgrenzen stärker auf eine zeitliche Glättung des Emissionsausstoßes hinwirken, als Maßnahmen, die kurzfristig sehr hohe Emissionsvermeidungen generieren. Dies könnte zum Beispiel durch eine Beschränkung der Anzahl der Tage mit starker Luftverschmutzung im Jahr umgesetzt werden. Daran anschließend hob Prof. Zhang Bing, Ph.D., von der Nanjing University die Bedeutung von App-basierten Informationssystemen zu lokalen Schadstoffbelastungen hervor. Anhand einer feldexperimentellen Studie in 50 chinesischen Städten fanden Prof. Bing und seine Koautoren heraus, dass eine höhere Transparenz der Schadstofflevels zu einer strikteren Anwendung nationaler Politiken durch die entsprechenden Lokalregierungen führte.

Prof. Dr. Martin Kesternich, stellvertretender Leiter des ZEW-Forschungsbereichs „Umwelt- und Ressourcenökonomik, Umweltmanagement“ ging in seinem Vortrag auf die Rolle der Reichweitenangst bei der Kaufentscheidung bzw. Nutzung von E-Autos ein. Anhand von Daten zur täglichen Fahrleistungen in Deutschland zeigte er, dass mehr als 80 Prozent der derzeitigen Verbrenner prinzipiell durch ein Elektro-Auto ersetzt werden könnten, ohne dabei die jetzige alltägliche Fahrleistung einschränken zu müssen. Die fortwährende Skepsis gegenüber Elektro-Autos bestätigten auch die Analysen von Daten eines Car-Sharing-Anbieters. Demnach wählten 75 Prozent der Kunden stets einen Verbrenner, selbst wenn an der entsprechenden Ausleihstation ein Elektro-Auto zu gleichen Kosten verfügbar war. ZEW-Umweltökonomin Carina Fugger stellte in ihrem Vortrag feldexperimentelle Ergebnisse zur Rolle des freiwilligen CO2-Ausgleichs bei Kurierdienstleistungen unter Firmenkunden vor. Von besonderem Interesse war für die Teilnehmer/-innen der Session der empirische Befund, dass die versendenden Firmen zwar durchaus bereit sind, einen Aufschlag für ihre klimaneutrale Lieferung zu zahlen, diese Tatsache aber tendenziell nicht durch einen entsprechenden Aufdruck auf das Paket dokumentieren möchten.

Forum für interdisziplinären Dialog

Ein wesentliches Element des BHF war auch in diesem Jahr der interdisziplinäre Dialog, der für eine ganzheitliche Bestimmung und Betrachtung der zukünftigen Herausforderungen einer ökologischen und nachhaltigen Gesellschaft von zentraler Bedeutung ist. Hochkarätige Referentinnen und Referenten aus unterschiedlichen Disziplinen stellten verschiedene Sichtweisen zur Diskussion und brachten eine Vielzahl von Lösungsansätzen vor. So bereicherten Beiträge aus den Bereichen Ökonomie, Philologie, Physik sowie Ingenieurwissenschaften die Diskussion, ganz im Sinne der interdisziplinären, internationalen und interkulturellen Vernetzung, der sich das Beijing-Humboldt-Forum verschrieben hat. Diese Tradition soll auch zukünftig weitergeführt werden. Das nächste Forum ist für 2020 in Brasilien geplant. Gemeinsam mit Prof. Dr. Xiaohu Feng von der UIBE, der als Generalsekretär des Beijing-Humboldt-Forums regelmäßig zur Stärkung der Kooperation zu Gast am ZEW ist, hat das BHF auch im Jahr 2020 beste Voraussetzungen, um den interdisziplinären Dialog weiter voranzubringen.

Weitere Ko-Organisatoren des BHF 2019 waren das Baotou Research Institute of Rare Earths (BRIRE), die Stadtregierung von Chengdu, die Botschaft der Republik Österreich in China, die University of Applied Sciences Upper Austria, das Institute of European Studies (IES) an der Chinese Academy of Social Sciences (CASS), das Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen (IMWS), die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und das CNPC Research Institute of Safety and Environment Technology (RISE).

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