ZEW-Präsident Wolfgang Franz zum Thema "V-Wort, I-Wort"

Standpunkt

Das V-Wort ist in aller Munde, wobei nicht immer sorgfältig genug zwischen der Verstaatlichung einer Bank und der Beteiligung des Staates an einem privaten Unternehmen, etwa der Automobil- oder Maschinenbauindustrie, unterschieden wird. Zwischen beiden staatlichen Eingriffen liegen indes Welten.

Insoweit die betreffende Bank, die Hypo Real Estate (HRE) beispielsweise, ein systemisches Risiko darstellt, müssen wir ihr helfen, weil die Kosten eines Dominoeffektes weiterer Bankenzusammenbrüche unvergleichlich höher ausfallen würden. Inwieweit die HRE in der Tat als systemrelevant einzustufen ist, kann von außen nicht beurteilt werden, man muss sich in diesem Fall auf das Urteil der beteiligten Prüfungsinstanzen, die dies bejahen, verlassen. Allerdings vermag das zur Rechtfertigung einer Systemrelevanz vorgetra gene Argument, die Reputation der Pfandbriefe stünde auf dem Spiel, nicht durchgängig zu überzeugen. Denn hinter den Pfandbriefen stehen - hoffentlich - stabile Immobilienwerte. Kurzum, der Staat muss die HRE wohl oder übel retten. Aber wie? Eine Verstaatlichung bringt eine Reihe von rechtlichen und ordnungspolitischen Problemen mit sich, weshalb sie als Verstoß gegen marktwirtschaftliche Prinzipien kritisiert wird. Sie besitzt indes zwei wichtige Vorteile. Erstens brauchen die im Besitz der HRE befindlichen toxischen Wertpapiere nicht bewertet zu werden. Dies erscheint praktisch kaum möglich, wäre aber bei anderen staatlichen Rettungsaktionen erforderlich. Zweitens geht es um Haftungsfragen. Sollen die Steuerzahler oder erst einmal die Aktionäre und gegebenenfalls die Fremdkapitalgeber zur Kasse gebeten werden? Bei einer Enteignung müssen die Aktionäre bluten und das entspricht marktwirtschaftlichen Prinzipien einer Eigentümerhaftung. Zwar werden die Aktionäre entschädigt, aber selbstverständlich nicht zum herrschenden Börsenkurs oder sogar darüber. Denn der Börsenkurs der HRE ist deshalb nicht wesentlich niedriger, weil der Staat bereits massiv eingesprungen ist. Dass die Aktionäre die Last gerne auf die Steuerzahler überwälzen möchten, ist nachvollziehbar, stellt jedoch womöglich die eigentliche Bedrohung einer marktwirtschaftlichen Ordnung dar. Bei um Hilfe rufenden Unternehmen der Realwirtschaft sieht die Sache völlig anders aus. Opel ist kein systemrelevantes Unternehmen, denn Autos werden (mehr als) genug produziert. Das gilt analog für die zahlreichen Zulieferbetriebe. Wenn der Staat sich finanziell bei Opel engagiert, brechen vermutlich alle Dämme. Denn wie will der Staat die Begehren anderer Unternehmen abwehren, die dem Vernehmen nach bereits bei ihm vorstellig geworden sind? Wenn es ohne Staatseingriff wirklich nicht anders geht, muss Opel Insolvenz anmelden. Damit wären wir beim I-Wort angelangt. Eine Insolvenz von Opel wird als Horrorszenario hochstilisiert, weil damit Tausende von Arbeitsplätzen bei Opel und seinen Zulieferbetrieben verloren gingen. Das ist schlicht falsch. Deutschland verfügt seit rund zehn Jahren über ein modernes Insolvenzrecht, welches darauf ausgerichtet ist, das Unternehmen nach Möglichkeit in der einen oder anderen Form über die Runden zu retten. Dies ist der Kerngedanke eines Insolvenzplanverfahrens. Der Insolvenzverwalter wird versuchen, Gläubiger zu einem teilweisen Forderungsverzicht zu bewegen und gleichzeitig private, gegebenenfalls ausländische Investoren zu gewinnen. Wenn sich die Opel-Händler diesbezüglich engagieren wollen, ist dagegen nichts einzuwenden. Dann wird der Automobilmarkt entscheiden, ob Autos Marke Opel wettbewerbsfähig sind und insoweit dies zutrifft, werden sich private Investoren finden und Arbeitsplätze gerettet. Dies benötigt vermutlich etwas Zeit, nicht zuletzt im Hinblick auf die Verflechtung mit General Motors, aber diese Zeit erkauft man sich mit einem Insolvensplanverfahren. Die Politiker sind mithin gut beraten, trotz des aufziehenden Wahlkampfes keine finanziellen Engagements einzugehen. Ohnehin ist unklar, ob das Wahlvolk dies tatsächlich honorieren würde. Umfragen sprechen eher dagegen.