ZEW-Präsident Wolfgang Franz zum Standort Deutschland - "Kostenvorteile"

Standpunkt

In Pressemeldungen wurde der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen und stellvertretende CDU-Vorsitzende, Dr. Jürgen Rüttgers, wie folgt zitiert: Die Auffassung, dass Steuersenkungen mehr Investitionen und Arbeitsplätze nach sich zögen, sei falsch. Gleiches gelte für die Behauptung, dass die Löhne in Deutschland zu hoch seien. Allerdings äußerte sich Rüttgers in den Wortinterviews differenzierter – er warnte vor Automatismen beziehungsweise Verallgemeinerungen, sprach allerdings von "Lebenslügen". Gleichwohl wurden seine Ausführungen von den diesbezüglichen "üblichen Verdächtigen" – Sie ahnen vielleicht, wen ich speziell meine – als Beleg für ihre Attacke auf "neoliberales" Gedankengut behände aufgegriffen. Daher scheint eine allgemeine Klarstellung geboten.

Im Hinblick auf die Unternehmenssteuerbelastung ist Deutschland nach wie vor ein Hochsteuerland. Dies belegen Berechnungen des ZEW und des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung auf der Grundlage eines internationalen Vergleichs der effektiven Steuerbelastung der Unternehmen. Warum wohl investieren hiesige Unternehmen scharenweise im steuergünstigen Ausland und schaffen dort und weniger hierzulande Arbeitsplätze? Weil die Steuerbelastung und die Lohnkosten bei uns so niedrig sind? Selbstverständlich bestimmen auch andere, zumindest ebenso wichtige Motive den Umfang solcher Direktinvestitionen im Ausland, wie beispielsweise Markterschließung, Kundenservice etc. Gleichwohl stellt der Kostenvorteil des Auslands einen wesentlichen Bestimmungsgrund für diese Aktivitäten dar, nicht von ungefähr werben diese Länder eben damit. Die Bundesregierung hat den prinzipiellen Handlungsbedarf erkannt und möchte mit einer Steuerreform die Standortattraktivität Deutschlands verbessern, selbst wenn die bisher bekannt gewordenen Vorhaben nicht recht zu überzeugen vermögen. Was die Lohnkosten anbelangt, so lässt sich für die vergangenen Jahre alles in allem eine moderate Entwicklung konstatieren, allerdings ausgehend von einem hohen Niveau. Es ist je nach Gemütslage belustigend oder unverfroren, wie mit einem geschickt gewählten Basisjahr als Ausgangspunkt die hiesigen Lohnkosten als Standortnachteil klein geschrieben, mitunter sogar als Standortvorteil gepriesen werden. Gerne bedienen sich einschlägige Publikationen der Lohnstückkosten, also der Lohnkosten in Relation zur Arbeitsproduktivität, wobei nahezu regelmäßig unterschlagen wird, dass die hiesige Arbeitsproduktivität auf Grund von Entlassungen überzeichnet und die Lohnstückkosten daher zu niedrig ausgewiesen werden. Schnell ist man hingegen bei der Hand, solche Argumente unter Hinweis auf die Entlassungsproduktivität als dem "Unwort des Jahres" zu diskreditieren. Kaum jemand behauptet, Lohnsenkungen würden in jeder Situation und in jedem Unternehmen sofort neue Arbeitsplätze schaffen. Das ist genauso abwegig wie das Gegenteil. Einer wirklich rezessiven Schwäche der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage ist mit allgemeinen Lohnsenkungen kaum beizukommen. Aber eine solche Situation liegt und lag in den vergangenen Jahren hierzulande überhaupt nicht vor, sondern in erster Linie sind es Störungen auf der Angebotsseite, die hauptsächlich die Probleme verursachen. Einzelwirtschaftlich mögen einer Arbeitsplatzschaffung mit Hilfe von Lohnkostenvorteilen zudem dann Grenzen gesetzt sein, wenn die Produktion sehr kapitalintensiv ist, in der kurzen Frist jedenfalls. Langfristig dürften jedoch niedrigere Lohnkosten zu einer geringeren Kapitalintensität beitragen, etwa in neu gegründeten Unternehmen. Des Weiteren ist schließlich etwas Geduld vonnöten, bis sich die Früchte einer moderaten Lohnpolitik in Arbeitsplatzgewinnen niederschlagen. Dies zeigen internationale Erfahrungen, beispielsweise in den Niederlanden, dem Nachbarland und Wettbewerber Nordrhein-Westfalens.