ZEW-Präsident Franz zum Thema "Mitbestimmung"

Standpunkt

In der aktuellen Ausgabe der ZEWnews nimmt der Präsident des ZEW, Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Wolfgang Franz, Stellung zum Thema "Mitbestimmung".

Mitbestimmung

Nicht erst seit den erst teilweise ans Licht gekommenen skandalösen Vorgängen um die besondere und aufwändige "Betreuung" von Betriebsratsmitgliedern bei der Volkswagen AG - in der Presse ist sogar von Korruption die Rede - steht das hiesige Modell der in diesem Zusammenhang betrieblichen Mitbestimmung unter starkem Druck. Dasselbe gilt für die unternehmerische Mitbestimmung, also die Vertretung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat, bei der in einem besonders krassen Fall eines Fehlverhaltens der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende eines Großunternehmens in seiner Eigenschaft als Gewerkschaftsführer zu Warnstreiks indirekt auch gegen "sein" Unternehmen aufrief. Des Weiteren sind Berichte über Interessenkollisionen, sachfremde Koppelgeschäfte und "kooperative Absprachen" zwischen Mitgliedern des Aufsichtsrats, Vorstands und Betriebsrats Legion. So etwa, wenn sich der Vorstandsvorsitzende eines Konzerns seine vorzeitige Vertragsverlängerung, wozu auch die Zustimmung von Arbeitnehmervertretern im Aufsichtrat erforderlich war, dem Vernehmen nach dadurch erkaufte, dass er sich in gleichzeitig laufenden Tarifverhandlungen für großzügige Erhöhungen der Arbeitnehmerentgelte einsetzte.

Diese und andere grobe Missstände könnten noch als Fehler im System angesehen werden, jedoch deutet die neuere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs darauf hin, dass sich möglicherweise das System zum Fehler entwickeln könnte. Unternehmen, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) wirksam gegründet worden sind, dürfen demnach
ihren Sitz innerhalb der EU rechtsformwahrend verlegen. Vereinfacht ausgedrückt, kann sich eine in einem EU-Mitgliedstaat (mit geringen oder fehlenden Rechtsvorschriften über die
Mitbestimmung) gegründete Gesellschaft, die ihren tatsächlichen Verwaltungssitz etwa nach Deutschland verlegt, der hiesigen unternehmerischen Mitbestimmung entziehen.

Damit steht dem Wettbewerb zwischen unterschiedlichen Rechtsinstitutionen der Unternehmensmitbestimmung wenig entgegen, eine für Ökonomen höchst wünschenswerte Entwicklung. Dann sollte aber ebenso die von der genannten Rechtsprechung nicht betroffene betriebliche Mitbestimmung auf den Prüfstand. Sie verursacht erhebliche Kosten, nämlich allein für die Betriebsratstätigkeit jährlich rund 338 Euro je Beschäftigten im Jahre 2004, wie neuere Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft zeigen.

Bei den allfälligen Reformen muss es nicht um die simple Abschaffung der Mitbestimmung allgemein gehen, sondern um mehr Vertragsfreiheit und Kostensenkung. Angesichts bekannter Fehlentwicklungen und beachtlicher Kosten einerseits und unsicherer Erträge andererseits sollte es der individuellen Vertragsfreiheit überlassen bleiben, in welchem Umfang sich der unternehmerischen und betrieblichen Mitbestimmung bedient werden soll. Bei der Unternehmensmitbestimmung sollte die Hauptversammlung entscheiden, ob und in welcher Form der Aufsichtsrat mitbestimmt wird. Inwieweit er dann gegebenenfalls Gewerkschaftsfunktionäre bestellt, ist seine Sache. Bei der betrieblichen Mitbestimmung sollte es prinzipiell einen erzwingbaren Betriebsrat geben, sofern mindestens ein Drittel, besser: die Hälfte, der Beschäftigten dafür votiert. Über dessen Rechte müssen sich die Vertragsparteien auf der betrieblichen Ebene verständigen, andernfalls kommt eine gesetzliche Auffanglösung in Form eines deutlich verschlankten Betriebsverfassungsgesetzes zum Zuge.

Leitgedanken müssen dabei eine Konzentration der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats auf zentrale soziale Angelegenheiten, eine deutliche Entbürokratisierung und eine Kostensenkung sein. Die angemahnte Kostenentlastung umfasst erstens eine markante Heraufsetzung von Schwellwerten, ab deren Erreichen Betriebsratsmitglieder von ihrer beruflichen Stellung freizustellen sind. Zweitens werden die Kosten des Betriebsrats wie in Österreich gänzlich oder zumindest hälftig auf die Arbeitnehmer umgelegt und direkt vom Arbeitsentgelt einbehalten.