ZEW-Präsident Franz zum EuGH-Urteil zum deutschen Teilzeit- und Befristungsgesetz

Standpunkt

Im deutschen Teilzeit- und Befristungsgesetz ist in §14 Absatz 3 die Möglichkeit enthalten, Arbeitsverträge mit neu eingestellten Arbeitnehmern im Alter von derzeit mindestens 52 Jahren befristet abschließen zu können, und zwar ohne Begrenzung der Dauer oder der Anzahl der Befristungen. Darin sieht der EuGH einen Verstoß gegen das Verbot der Diskriminierung, in diesem Fall der Altersdiskriminierung gemäß EU-Richtlinie 2000/78/EG.
Leidtragende des EuGH-Urteils sind nach Ansicht des ZEW-Präsidenten Wolfgang Franz ältere Arbeitslose.

Bärendienst


Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat sich wieder einmal des institutionellen Regelwerks auf dem Arbeitsmarkt angenommen. Das lässt schon nichts Gutes ahnen. Diesmal schlug indes nicht das Bundesarbeitsgericht zu, dessen Urteile sich hinsichtlich ihrer ökonomischen Sinnhaftigkeit mitunter eines zweifelhaften Rufes erfreuen. Vielmehr sah sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) bemüßigt, eine Rechtsfortbildung zu Lasten der älteren Arbeitslosen zu betreiben.


Es geht um das Urteil vom 22. November vergangenen Jahres zum deutschen Teilzeit- und Befristungsgesetz und die darin in §14 Absatz 3 enthaltene Möglichkeit, Arbeitsverträge mit neu eingestellten Arbeitnehmern im Alter von derzeit mindestens 52 Jahren befristet abschließen zu können, und zwar ohne Begrenzung der Dauer oder der Anzahl der Befristungen. Darin sieht der EuGH einen Verstoß gegen das Verbot der Diskriminierung, in diesem Fall der Altersdiskriminierung gemäß EU-Richtlinie 2000/78/EG.


Die Bewertung dieses Urteils aus Sicht der Jurisprudenz steht hier nicht zur Debatte, obwohl es schon zu denken gibt, wenn ein führender Rechtswissenschaftler dem Vernehmen nach dem EuGH - wenn auch in Zusammenhang mit einem anderen Urteil - vorwirft, dass er mit "mystischen Formulierungen abenteuerlich, unhaltbar und nachgerade skurril" die Grundregeln juristischer Methodenlehre verletze. Das ist starker Tobak. Das Urteil aus ökonomischer Sicht fällt ebenfalls wenig schmeichelhaft aus.


Denn wer die Leidtragenden des EuGH-Urteils sind, liegt auf der Hand, nämlich ältere Arbeitslose. Unternehmen scheuen hauptsächlich auf Grund des Alterskriteriums bei der Sozialauswahl im Rahmen des Kündigungsschutzes vor der Einstellung Älterer zurück, denn sie fürchten, diese nicht oder nur unter hohen Kosten entlassen zu können. Bekanntlich hat sich das Kündigungsrecht hierzulande auf Grund seiner richterlichen Fortbildung zu einem Abfindungshandel entwickelt, weil Unternehmen sich von riskanten Kündigungsschutzprozessen mit Hilfe von Abfindungszahlungen selbst an solche Arbeitnehmer freikaufen, die darauf überhaupt keinen Anspruch haben. Daher war der deutsche Gesetzgeber gut beraten, die Beschäftigungschancen älterer Arbeitsloser wenigstens durch eine flexible Befristungsregelung zu erhöhen. Dieses löbliche Vorhaben hat der EuGH zunichte gemacht.

Aber es kommt noch schlimmer. Hiesige Arbeitgeber, die im Vertrauen auf die deutsche Gesetzgebung entsprechende befristete Arbeitsverträge abgeschlossen haben, müssen nun damit rechnen, dass sich die betroffenen Arbeitnehmer in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis einzuklagen versuchen. Denn deutsche Gerichte sollen laut EuGH die Regelungen des Teilzeit- und Befristungsgesetzes hinsichtlich der befristeten Einstellung älterer Arbeitnehmer nicht anwenden, sodass das befristete Arbeitsverhältnis, sofern es bereits länger als zwei Jahre besteht, nur durch Kündigung beendet werden kann. Dies hat auf der Grundlage des allgemeinen Kündigungsschutzes zu erfolgen, womit die Kündigung nach bisherigen Erfahrungen auf Grund des Alterskriteriums bei der Sozialauswahl von den Arbeitsgerichten in vielen Fällen als unwirksam erklärt werden dürfte.


Als Folge werden es sich Unternehmen künftig noch gründlicher überlegen, selbst eindeutige gesetzliche Flexibilitätspotenziale beim deutschen Arbeitsrecht in Anspruch zu nehmen, wenn sie nicht sicher sein können, dass diese anschließend vom EuGH "kassiert" werden, ohne den Unternehmen die Möglichkeit einzuräumen, zum vorherigen Status zurückzukehren. Mit dem "allgemeinen Gleichheitsgrundsatz", auf den sich der EuGH beruft, könnte so manche deutsche Gesetzesnorm obsolet werden. Vor allem engt diese Rechtsprechung Bemühungen des Gesetzgebers ein, den Problemgruppen auf dem Arbeitsmarkt Chancen auf Arbeitsplätze zu eröffnen. Der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit wird damit ein Bärendienst erwiesen.