ZEW-Präsident Franz über Steuerdumping

Standpunkt

Der Beitrag findet sich in der Juni-Ausgabe der ZEWnews

Steuerdumping
Wenn die Konkurrenz ungemütlich wird, taucht in schöner Regelmäßigkeit der Vorwurf des Dumpings auf, verbunden mit der Aufforderung, einem solchen unfairen Treiben schleunigst und nachdrücklich Einhalt zu gebieten. Das hohe Lied desWettbewerbs singtman gern, aber nur, solange dieser einen selbst in Ruhe lässt: Wo kämen wir denn hin, wenn sich Löhne und Steuern aufgrund freier Entscheidungen oder - horribile dictu - gar auf dem Markt bildeten; also her mit Mindestlöhnen und Mindeststeuern. Um letztere geht es hier.
Den aktuellen Anlass bilden die niedrigen Unternehmenssteuern in den EU-Beitrittsländern. In der Tat: Wie Berechnungen des ZEW zeigen, beläuft sich die effektive Steuerbelastung für dort ansässige Kapitalgesellschaften im Durchschnitt auf 21,3 vH, unter Berücksichtigung steuerlicher Investitionsanreize auf 15,4 vH. "Spitzenreiter" ist Litauen mit einer effektiven durchschnittlichen Steuerbelastung von 13,1 vH oder sogar nur 7,2 vH bei der Einbeziehung steuerlicher Investitionsanreize. Im Vergleich zur effektiven Durchschnittssteuerbelastung hierzulande in Höhe von 37,2 vH sind das Steuerparadiese - und zwar direkt vor Deutschlands Haustür. Aber: Mit Steuerdumping hat das nichts zu tun.
Steuerdumping läge nur dann vor, wenn die Beitrittsländer beispielsweise ausschließlich in ihrem Gebiet befindliche Auslandsunternehmen oder deren Töchter und Zweigniederlassungen in den Genuss von Investitionsfördermaßnahmen oder niedriger Steuern kommen ließen, diese jedoch einheimischen Unternehmen vorenthielten. Eines solchen unfairen Vorgehens hat sich Irland in den 1990er Jahren bedient, und dies vor dem Hintergrund finanzieller Transfers, die Irland aus den Strukturfonds der EU erhielt. Zu bedenken sind ferner höhere Umsatzsteuersätze etwa in Ungarn mit 25 vH, das heißt diese Länder wählen eine teilweise andere Steuerstruktur, indem sie den Konsum zugunsten von Investitionen stärker belasten als in Deutschland. Das stellt eine legitime, vielleicht sogar überlegene finanzpolitische Strategie dar.
Eine besondere Note erhält die aktuelle Diskussion über das vermeintliche Steuerdumping der Beitrittsländer dadurch, dass diese Länder nicht unerhebliche Finanzmittel aus Brüssel zur Modernisierung ihrer Infrastruktur erhalten. Diese Subventionen - so die Kritik - ermöglichten erst die dortige niedrigere Unternehmenssteuerbelastung, oder drastischer formuliert: Wir bezahlen sie dafür, dass sie uns die Arbeitsplätze wegnehmen.
In einem gewissen Umfang mag ein solcher Effekt nicht ganz von der Hand zu weisen sein. Die Steuerpolitik dieser Länder ist jedoch der falsche Adressat dieser Kritik, einschlägige Vorwürfe wären an die Infrastrukturhilfen der EU zu richten, wobei diese hierzulande jedoch hoch willkommen sind, jedenfalls solange ostdeutsche Regionen die Empfänger sind. Die Politik wusste, was sie tat, als sie die Beitrittsverträge unterschrieb. Das Lamento jetzt kommt reichlich spät. Soweit noch möglich, sollten mithin die Infrastrukturhilfen der EU überprüft und gegebenenfalls gekürzt werden.
Kein Weg führt daran vorbei, dass sich das Hochsteuerland Deutschland dem internationalen Steuerstandortwettbewerb stellen muss. Diese Notwendigkeit bestand bereits vor dem 1. Mai 2004, denn im Vergleich zu anderen EU-Staaten als den Beitrittsländern schneidet Deutschland im Hinblick auf die Unternehmenssteuerbelastung ebenfalls ungünstig ab, selbst wenn die derzeitige Steuerreform im nächsten Jahr ihren Abschluss gefunden haben wird. Befürchtungen eines ruinösen Steuerwettbewerbs - eines "race to the bottom" - sind weitgehend unbegründet. Unternehmen sind sehr wohl an einer herausragenden Standortqualität interessiert und bereit, dafür Steuern zu entrichten.