Im März dieses Jahres wollen die Staats- und Regierungschefs der EU über den am 4. Februar 2011 geplanten "Pakt für Wettbewerbsfähigkeit" befinden. Dieser Pakt, häufig als "Wirtschaftsregierung" betitelt, zielt auf eine engere wirtschaftspolitische Zusammenarbeit der EU-Staaten ab, um mit Hilfe "harmonisierter Bedingungen der nationalen Märkte und Systeme" – so die Verlautbarung seitens des Bundeskanzleramts – systematisch die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Volkswirtschaften zu steigern.

Der beabsichtigte Pakt geht damit weit über die im vergangenen Jahr beschlossene Überwachung der staatlichen Budgets der Mitgliedsstaaten, "das Europäische Semester", hinaus. Als Rechtsgrundlage soll Artikel 136 des Lissabon-Vertrags dienen, nach dem der Europäische Rat für die Mitgliedsstaaten des Euroraums Grundzüge der Wirtschaftspolitik erlassen kann, um ein reibungsloses Funktionieren der Wirtschafts- und Währungsunion zu gewährleisten. Insbesondere die Bundesregierung legt indes großen Wert darauf, dass EU-Staaten, deren Währung nicht der Euro ist, wie etwa Polen und das Vereinige Königreich, dem Pakt beitreten.

Der Begriff Wirtschaftsregierung hat es in sich, weil er sehr interpretationsbedürftig ist. Die Verfechter sehen darin die Chance, endlich den ins Stocken geratenen wirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen Integrationsprozess innerhalb der EU voranzubringen. Mit einer gemeinsamen Wirtschaftspolitik könne Krisenprävention betrieben werden, um eine wesentliche Krise im Euroraum, nämlich finanzpolitisches Fehlverhalten in einigen Staaten, zu unterbinden. Kritiker dagegen fürchten das Ende eines förderlichen Wettbewerbs nationaler Regeln, etwa im Bereich der Steuersysteme, eine Entmachtung der nationalen Parlamente, denen eine ihrer wichtigsten Kompetenzen, die Haushaltspolitik, entzogen würde, und schließlich zumindest eine Beeinträchtigung der Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank.

Maßgeblich für die Einschätzung des geplanten Pakts sind zwei Kriterien. Zum einen geht es darum, mit welchen konkreten Maßnahmen in welche unter nationaler Hoheit befindlichen Systeme eingegriffen werden soll. Zum anderen ist zu fragen, wie es um die Durchsetzung sinnvoller Harmonisierungsziele bestellt sein wird.

Als mögliche Ansatzpunkte einer harmonisierten Wirtschaftspolitik werden die öffentliche Verschuldung, die Steuersätze, die Rentensysteme und die Lohnstückkosten genannt. Hier gilt es sorgfältig zu unterscheiden. Wenn andere Länder dazu gebracht werden können, die Neuverschuldung ihrer öffentlichen Haushalte in den Griff zu bekommen, ist das ebenso sinnvoll und notwendig wie die Bewältigung der Herausforderung, die gesetzlichen Rentensysteme demografiefest zu machen. Zwar spricht wenig dagegen, die deutsche Regelung einer "Schuldenbremse" als Orientierungshilfe zu wählen, jedoch sollte hierbei die implizite Staatsverschuldung in Gestalt späterer Pensionsverpflichtungen des Staats nicht aus dem Blickfeld geraten. Vorsicht ist indessen bei der Steuerpolitik angesagt. Nur allzu behände sind Politiker aus Hochsteuerländern mit dem Vorwurf eines "unfairen Steuerwettbewerbs" bei der Hand, selbst bei Ländern, welche bestimmte Aufgaben dem privaten Sektor überlassen oder staatliche Leistungen effizienter, das heißt verbunden mit einer geringeren Steuerleistung, erbringen. Vollends diffus stellt sich eine Harmonisierung der Lohnpolitik angesichts einer Tarifautonomie dar. Was soll die Bundesregierung denn unternehmen, falls Deutschland einer zuwenig expansiven Lohnentwicklung geziehen würde. Die Beamtengehälter drastisch erhöhen?

Im Hinblick auf die Durchsetzbarkeit des Paktes schweigen sich bisherige Verlautbarungen über den Pakt aus. Von etwaigen Sanktionen gleich welcher Art ist keine Rede. Ohne diesbezügliche effektive Regeln wird der "Pakt für Wettbewerbsfähigkeit" das gleiche Schicksal nehmen wie der Stabilitäts- und Wachstumspakt oder die Lissabon-Agenda. Dann bleibt es auf den einschlägigen Zusammentreffen der EU-Regierungschefs in Brüssel bei dem sympathischen pfälzischen Motto: "Wir haben mal darüber geredet."