Wie wirkt sich die Deregulierung auf den Fernbusmarkt aus? - "Mittelfristig macht die EU-Politik mehr Integration im Fernbusmarkt möglich"

Nachgefragt

Der deutsche Markt für Fernbuslinienverkehr ist im Jahr 2013 umfassend dereguliert worden. Seitdem ist es Busunternehmen mit entsprechender Lizenz möglich, Fernbusverbindungen mit einer Länge von mehr als 50 Kilometern im Linienverkehr anzubieten. ZEW-Wettbewerbsökonom Kai Hüschelrath sieht den Abbau von staatlichen Regelungen im Fernbusmarkt als ein Musterbeispiel für den Erfolg europäischer und nationaler Deregulierungspolitik und auch in den jüngsten Übernahmeaktivitäten keinen Grund zu übermäßiger Sorge um den Wettbewerb.

Wie beurteilen Sie die Marktentwicklungen in den dreieinhalb Jahren nach der Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG)?

Im Zuge der Deregulierung kam es zu den erwarteten Eintritten einer größeren Anzahl neuer Anbieter. Teilweise haben die Neuankömmlinge einen eher regionalen Fokus verfolgt, manche aber auch das Ziel eines bundesweiten Netzaufbaus. Einige Unternehmen waren darin sehr erfolgreich, andere wiederum haben den Markt nach relativ kurzer Zeit schon wieder verlassen müssen. Insgesamt werden die umfassenden Eintritts- und Wachstumsaktivitäten – gepaart mit einer großen Nachfrage nach den entsprechenden Beförderungsdienstleistungen – aber vermutlich dazu führen, dass die für 2030 erwarteten Beförderungszahlen bereits 2016 erreicht werden. Das unterstreicht eindrucksvoll, welcher Dynamik sich der Markt seit seiner Deregulierung erfreut.

Wer profitiert von der Deregulierung des Fernbusmarktes denn besonders?

Nachfrageseitig ist es sicherlich so, dass insbesondere preissensitive Kunden wie beispielsweise Studierende oder auch Senioren/-innen den Fernbus als Transportmittel schätzen. Insofern trägt die Deregulierung des Fernbusmarktes klar zur besseren Mobilität dieser Bevölkerungsgruppen bei. Angebotsseitig ist es natürlich im Interesse jeder Stadt, an das Fernbusnetz angeschlossen zu werden. In einer jüngst veröffentlichten ZEW-Studie konnten wir zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit eines solchen Anschlusses nicht nur von der Anzahl der Einwohner einer Stadt abhängt, sondern auch von weiteren Faktoren wie dem durchschnittlichen Einkommen, dem Anteil junger und älterer Menschen oder der Automobildichte.

In jüngerer Zeit haben einige Unternehmensübernahmen in der Fernbusindustrie für Aufsehen gesorgt. Wie ist das aus wettbewerbsökonomischer Sicht zu beurteilen?

Grundsätzlich können Fusionen über realisierte Effizienzvorteile durchaus auch im Interesse der Kunden sein. Im Fernbusmarkt muss man da sicher vor allem an die Vorteile eines größeren Netzwerkes denken. Allerdings führen horizontale Fusionen immer auch zu einer Reduktion der Wettbewerber, was letztlich zu Preiserhöhungen führen kann. So haben wir im Zuge unserer Studien auch herausgefunden, dass die Durchschnittspreise für Fernbusfahrten in den Jahren 2013 und 2014 dann besonders niedrig waren, wenn MeinFernbus und FlixBus die Strecke beide in direktem Wettbewerb bedienten. Dieser Effekt geht nach der erfolgten Fusion im vergangenen Jahr vermutlich verloren. Dennoch ist auch durch die jüngsten Fusionsaktivitäten nicht zu erwarten, dass solche Marktmachtprobleme eine größere Bedeutung erlangen. Nicht nur große Teile der Nachfrage dürften sehr sensibel auf Preiserhöhungen reagieren, sondern es stehen ja auch Ausweichmöglichkeiten wie die Bahn oder Mitfahrzentralen zur Verfügung. Darüber hinaus erscheint auch der Eintritt in den Fernbusmarkt zumindest derzeit noch leicht möglich, sodass substanzielle Preiserhöhungen auch aus dieser Perspektive eher unwahrscheinlich sind.

Wie ist es denn um die Liberalisierung der Fernbusmärkte in anderen europäischen Staaten bestellt?

Trotz langjähriger Bestrebungen der Europäischen Kommission mit Blick auf eine vollständige Liberalisierung aller nationalen Fernbusmärkte sind wir aktuell von diesem Ziel noch ein ganzes Stück entfernt. Während beispielsweise die entsprechenden Fernbusmärkte in Großbritannien oder Schweden bereits vor Jahrzehnten dereguliert wurden, wurden die nötigen legislativen Schritte in Frankreich etwa erst im August 2015 abgeschlossen. Die nächsten Jahre versprechen auch dahingehend spannend zu werden, dass erfahrenere Fernbusunternehmen seit einiger Zeit am Ausbau ihrer internationalen Verbindungen arbeiten. Aufgrund der im europäischen Binnenmarkt geltenden Regeln ist dies nicht nur leicht umsetzbar, sondern ermöglicht mittelfristig auch die Schaffung eines integrierten europäischen Fernbusmarktes.

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Prof. Dr. Kai Hüschelrath, Telefon 0621/1235-384, E-Mail hueschelrath@zew.de

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