Wie sinnvoll ist die Bankenabgabe? Das systemische Risiko ist durch eine Bankenabgabe kaum regulierbar

Nachgefragt

Die deutschen Banken sollen für die Kosten von Finanzkrisen in Zukunft in stärkerem Umfangs selbst aufkommen als bisher. Hierzu hat die Bundesregierung eine Bankenabgabe beschlossen. Diese sieht vor, dass die deutsche Kreditwirtschaft jährlich rund eine Milliarde Euro in einen Sicherungstopf einzahlen muss. Dr. Michael Schröder, Leiter des Forschungsbereichs Internationale Finanzmärkte und Finanzmanagement am ZEW erwartet, dass es schwer werden wird, eine praktikable Umsetzung für eine solche Abgabe zu finden, die mehr darstellt als nur eine weitere Einnahmequelle des Staates und wirksam zu einer Begrenzung des systemischen Risikos im Finanzsektor beiträgt.

PD Dr. Michael Schröder, Jahrgang 1961, leitet am ZEW den Forschungsbereich "Internationale Finanzmärkte und Finanzmanagement". Seine Forschungsschwerpunke sind insbesondere die empirische Kapitalmarktanalyse, die Erwartungsbildung auf Finanzmärkten, nachhaltige Kapitalanlagen sowie das Vermögensmanagement von Stiftungen. Im Jahr 2009 wurde er von der Universität Stuttgart habilitiert und erhielt die Lehrbefugnis für Betriebswirtschaftslehre. Schröder lehrt als Privatdozent an der Universität Stuttgart mit Schwerpunkt in Betriebswirtschaftslehre und Finanzwirtschaft.

Künftig soll nicht der Steuerzahler, sondern die Bankenwirtschaft für Krisen an den Finanzmärkten gerade stehen. Wird die Bankenabgabe ihren Zweck erfüllen?
Schröder: Bislang ist noch nicht klar, wie die angekündigte Bankenabgabe ausgestaltet werden soll. Daher lässt sich diese Frage derzeit leider nicht beantworten. Die Grundidee scheint zu sein, dass Banken entsprechend ihrem Beitrag zum systemischen Risiko des Finanzsektors besteuert werden sollen. Alles andere ist aber noch recht unklar. Welcher regionale Bezugsrahmen ist zum Beispiel relevant: das systemische Risiko in Deutschland, in Europa oder eine weltweite Ausdehnung? Beim jüngsten G20-Treffen konnten sich die Finanzminister und Notenbankchefs noch nicht auf die Einführung einer globalen Bankenabgabe einigen. Eine einheitliche Regelung wäre aber sinnvoll, weil dadurch wettbewerbsverzerrende Effekte im internationalen Finanzgeschäft vermieden werden könnten.

Die Höhe der Bankenabgabe soll sich unter anderem am systemischen Risiko der Bank bemessen. Wie kann man die Bedeutung einer Bank für die Volkswirtschaft und damit das systemische Risiko überhaupt messen?
Schröder: Es gibt derzeit keine theoretisch ausgereiften und direkt umsetzbaren Kennzahlen, mit denen das systemische Risiko einer Bank gemessen werden könnte. Dies ist eine Aufgabe, die die ökonomische Forschung in der nächsten Zeit zu lösen hat. Wie kann dann aber die angekündigte Bankenabgabe umgesetzt werden? Es ist denkbar, dass Ersatzgrößen wie etwa die Bilanzsumme oder der Umfang des Eigenhandels herangezogen werden, die allerdings keinen direkten Bezug zum systemischen Risiko aufweisen. In diesem Fall wäre die Bankenabgabe lediglich eine Zusatzsteuer auf Banken, ohne Lenkungswirkung in Bezug auf das Systemrisiko. Hierbei könnte sich auch der US-Vorschlag für eine Bankenabgabe durchsetzen. Dabei wird die Bemessungsgrundlage der Bankenabgabe berechnet als Aktiva der Bank abzüglich des Eigenkapitals und der Mittel für die Einlagensicherung. Diese Bemessungsgrundlage hat zwar kaum etwas mit dem systemischen Risiko zu tun, ist aber leicht ermittelbar und damit auch praktisch umsetzbar.

Die Bankenabgabe sieht nicht vor, dass auch Versicherungsunternehmen, Pensionsfonds und Kapitalanlagegesellschaften in den Topf einzahlen. Wie ist das zu bewerten?
Schröder: Versicherungsunternehmen und Pensionsfonds sind in spezielle Sicherungssysteme eingebunden, die im Falle eines Konkurses dafür sorgen sollen, dass die Verluste der Kunden stark begrenzt werden. Darüber hinaus gehende Risiken für das Finanzsystem dürften in der Regel sehr gering sein. Eine Ausnahme bilden Spezialversicherer, die etwa Versicherungen für das Ausfallrisiko von Anleihen, Krediten oder anderen Finanzinstrumenten anbieten. Die Insolvenz eines solchen Versicherers kann durchaus sehr große Rückwirkungen auf die Stabilität des Finanzsektors ausüben. Bei der von der US-Regierung bislang präferierten Bankenabgabe sollen auch große Versicherungsunternehmen einbezogen werden. Es ist daher durchaus vorstellbar, dass bei einem Kompromiss der G20-Länder auch Versicherungsunternehmen eine solche Abgabe zahlen müssen.

Gibt es eine sinnvolle Alternative zur Bankenabgabe, damit in der nächsten Finanzkrise nicht wieder der Steuerzahler einspringen muss?
Schröder: Die Idee der Bankenabgabe ist es, die Banken stärker an der Finanzierung von Rettungsaktionen bei künftigen Finanzkrisen zu beteiligen. Diese Funktion kann die Abgabe auch dann erfüllen, wenn sie – mangels einer operationalen Lösung – nicht am Systemrisiko ansetzt, sondern an einer Ersatzgröße wie etwa der Bilanzsumme. Bei entsprechend hohem Steuersatz kann die Bankenabgabe dazu beitragen, dass ein größerer Teil der durch Finanzkrisen verursachten Kosten von den Banken selbst getragen wird.