Wie krisenfest sind die Finanzmärkte heute? "Internationale Regelungen zur Regulierung der Finanzmärkte sind Wunschdenken"

Nachgefragt

Vor über drei Jahren löste die Insolvenz der Lehman-Bank eine globale Finanzmarktkrise aus, deren Folgen immer noch spürbar sind. Prof. Dr. Michael Schröder, Leiter des ZEW-Forschungsbereichs Internationale Finanzmärkte und Finanzmanagement, spricht über Erfolge und Versäumnisse der Finanzmarktregulierung nach dem Lehman-Zusammenbruch.

Prof. Dr. Michael Schröder leitet am ZEW den Forschungsbereich Internationale Finanzmärkte und Finanzmanagement. Seine Forschungsschwerpunke sind insbesondere die empirische Kapitalmarktanalyse, Erwartungsbildung auf Finanzmärkten, nachhaltige Kapitalanlagen sowie das Vermögensmanagement von Stiftungen. Im Jahr 2009 wurde er an der Universität Stuttgart habilitiert und erhielt die Lehrbefugnis für Betriebswirtschaftslehre. Schröder lehrt an der Frankfurt School of Finance & Management im Bereich Asset Management.

Wurden die Finanzmärkte seit dem Zusammenbruch der Lehman-Bank krisenfest gemacht?

Die im Rahmen von Basel III beschlossenen Regulierungsmaßnahmen sind ein Schritt in die richtige Richtung. Insbesondere die Festlegung auf eine höhere Kernkapitalquote und die engere Definition dessen, was als Kernkapital gelten darf, sollten die Banken besser vor unvorhergesehenen Kreditausfällen schützen. Es bleibt allerdings abzuwarten, wie gut diese neuen Regeln in einer Krise tatsächlich funktionieren werden. Dies betrifft insbesondere die Frage, ob die nun vorgeschriebenen Kapitalpuffer (Kapitalerhaltungspuffer, antizyklischer Puffer) die ansonsten deutlich prozyklischen Wirkungen der Bankenregulierung hinreichend abfedern können. Auch die Höhe des Mindesteigenkapitals bleibt durchaus umstritten. So zeigen internationale Forschungsergebnisse, dass die Kosten für zusätzliches Eigenkapital relativ gering sein dürften. Angesichts der immensen Kosten, die die letzte Finanzkrise verursacht hat, spricht dies für eine weitere erhebliche Erhöhung des Mindesteigenkapitals etwa in Richtung von 16 Prozent bis 20 Prozent.

Was ist bei der Regulierung der Finanzmärkte noch nicht erreicht worden?

Es gibt zahlreiche Bereiche der Finanzmarktregulierung, die erweitert und verbessert werden sollten. Bislang immer noch völlig unzureichend reguliert sind beispielsweise Hedge Fonds, also Investmentfonds, die auf bestimmte Kursbewegungen oder auf Positionen spekulieren, die sie derzeit noch gar nicht besitzen. Auch die Regulierung von Ratingagenturen ist noch kaum voran gekommen. Hier wurde das zentrale Problem der verzerrten Anreize aufgrund der Finanzierung durch die Emittenten noch gar nicht angegangen. Darüber hinaus gibt es bei den gesetzlichen Grundlagen zur Restrukturierung und Auflösung von systemrelevanten Banken in Krisenperioden nur einige wenige und dazu noch sehr unterschiedliche Regelungen in einzelnen Staaten. Durch die Möglichkeit der Restrukturierung und gegebenenfalls Abwicklung von Banken soll das „too big to fail“-Problem von Banken reduziert werden. Hierzu wäre es aber sehr sinnvoll, dass zumindest in Europa, besser noch weltweit einigermaßen einheitliche Regelungen beschlossen werden. Dass das klappt, etwa beim Treffen der G20-Staats- und Regierungschefs im kommenden November, halte ich bedauerlicherweise jedoch für wenig realistisch.

Droht angesichts der zunehmenden Regulierung der Finanzmärkte eine Verlagerung der Geschäfte in unregulierte Bereiche?

Leider gibt es hierzu kaum verlässliche Informationen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die verschärften Eigenkapitalanforderungen von Basel III die Anreize zur Auslagerung in nicht regulierte Bereiche spürbar verstärken. Um dies zu verhindern, sollten die so genannten Schattenbanken ebenfalls stärker reguliert werden. Ich denke dabei vor allen an Hedge Fonds, die traditionell eine dünne Eigenkapitalbasis aufweisen und überwiegend mit Krediten spekulieren.

Wie ließe sich der Schattenbankensektor effektiver regulieren?

Hier könnte man beispielsweise bei den kreditgebenden Banken ansetzen. Diese müssten etwa für Geschäfte mit Hedge Fonds Eigenkapitalanforderungen auferlegt bekommen, die deutlich über den bisherigen Anforderungen liegen. Außerdem sollte es Banken nur dann erlaubt sein, Hedge Fonds Kapital zur Verfügung zu stellen, wenn bestimmte Informationen über die Aktivitäten der Hedge Fonds bereitgestellt werden, damit die Regulierungsbehörden in der Lage sind, das von den Banken eingegangene Risiko realistisch zu beurteilen. Darüber hinaus sollte weiterhin versucht werden, weltweit eine Registrierungspflicht für Hedge Fonds durchzusetzen, die eine direkte Regulierung von Hedge Fonds ermöglicht.