Standpunkt des ZEW-Präsidenten Achim Wambach

Die Wärmewende ist eine Herausforderung – aber auch eine Chance. ZEW-Präsident Achim Wambach erläutert in einem Interview für das MVV-Kundenmagazin, wie Haushalte, Wirtschaft und Politik den Wandel effizient und gerecht gestalten können.

Herr Professor Wambach, was verstehen Sie unter einer erfolgreichen Wärmewende, und wo stehen wir aktuell in Deutschland?

Die Wärmewende bedeutet die Elektrifizierung und Umstellung auf erneuerbare Energien, ähnlich wie im Strom- oder Verkehrssektor. Es ist eine gewaltige Aufgabe und wir stehen noch am Anfang. Zwar wurden bereits Fortschritte erzielt, vor allem in der Forschung. Die reinen Umstellungszahlen aber zeigen: Es gibt noch viel zu tun.

Wo geht die Reise hin in der Klimapolitik mit Blick auf die Entwicklungen in den USA, Europa und Deutschland?

Aktuell stehen die Zeichen nicht unbeingt auf Klimaschutz. Die USA sind aus dem Pariser Abkommen ausgetreten, wobei einzelne Bundesstaaten weiterhin ambitionierte Klimaziele verfolgen. Vielleicht ist das eine Chance, international mit China ein gemeinsames Klimaabkommen hinzubekommen. Denn jedes Vakuum, das international geschaffen wird, füllt sich wieder. Diese Gelegenheit sollte Europa auch ergreifen. In Euopa wird jetzt der Clean Industrial Deal diskutiert, der Klimaschutz mit Wirtschaftswachstum verbindet. Das halte ich für sinnvoll. Das ist keine Absage an den Klimaschutz. Es geht nur nicht mehr nur darum, Klimaziele um jeden Preis zu erreichen, sondern sie so effizient wie möglich umzusetzen.

Welche Instrumente schlagen Sie für eine effektive Klimapolitik vor?

Ökonomen fordern seit Langem, klimaschädliche Emissionen durch Marktmechanismen zu verteuern. Der Emissionszertifikatehandel in Europa ist dabei ein Schlüsselinstrument. Zum Vergleich: Subventionspolitik, wie sie in den USA betrieben wird, ist dreimal so teuer. Europa hat hier eine effizientere Lösung geschaffen. Weil sie genau dort greift, wo die Emissionen entstehen. Das ist wirklich eine Errungenschaft.

Was kostet es, wenn wir nichts tun?

Wir diskutieren heute nicht mehr, ob Klimaschutz nötig ist, sondern wie er effizient gestaltet werden kann. Es gibt Studien, die zeigen, dass das 1,5- bis 2-Grad-Ziel aus ökonomischer Sicht optimal sein kann. Der Gedanke dahinter ist, dass es sich lohnt, heute ausreichend Mittel zu investieren, um zukünftige Schäden zu vermeiden. Vorausgesetzt, der Klimaschutz wird kostengünstig umgesetzt. Dann bleibt er auch bezahlbar und mit Wirtschaftswachstum vereinbar.

Welche Technologien halten Sie für besonders vielversprechend, um die Wärmewende voranzutreiben?

Wärmepumpen und Fernwärme sind zentrale Technologien. Für Haushalte gibt es kaum Alternativen, da grüner Wasserstoff noch zu teuer ist. Er wird eher für die Industrie interessant werden. Wer als Privathaushalt über eine neue Heizung nachdenkt, sollte prüfen, ob Fernwärme verfügbar ist oder eine Wärmepumpe sinnvoll wäre.

Wie sehen Sie die Zukunft des fossilen Erdgases?

Erdgas ist ein Auslaufmodell. Die Energiewende steht global noch am Anfang, aber langfristig wird fossiles Gas verschwinden. Wichtig ist, dass wir weltweit eine gemeinsame Klimapolitik verfolgen. Und auch wenn wir jetzt einen Rückschlag hinnehmen mussten, ist meine Erwartungshaltung, dass in etwa fünf Jahren immer mehr Länder in die Klimapolitik einsteigen werden. Auch ein Land wie China, das sehr viel emittiert, leidet unter dem Klimawandel. Und sobald Klimaschäden gravierender werden, haben sie einen Anreiz, Teil einer gemeinsamen Klimapolitik zu werden.

Wie bewerten Sie mögliche Alternativen wie grünen Wasserstoff aus ökonomischer Sicht? 

Grüner Wasserstoff wird eine Rolle spielen, insbesondere in der Industrie und der Stromerzeugung. Allerdings können wir davon ausgehen, dass wir ihn künftig zu 70 Prozent importieren müssen. Selbst wenn er aufgrund des technologischen Fortschritts günstiger werden sollte. Für alle anderen Anwendungen, etwa Haushalte, ist er zu teuer und ineffizient, da viel Energie bei der Umwandlung verloren geht.

Mannheim hat bei der Wärmewende eine Vorreiterrolle eingenommen. Wie schätzen Sie das ein?

Vorbildprojekte sind wichtig, wenn sie zur Nachahmung anregen. Mannheim muss wirtschaftliche Lösungen finden und soziale Fragen klären. Themen wie Fernwärmeausbau, die Ertüchtigung des Stromnetzes sowie die Koordination zwischen Haushalten und Stadt sind zentrale Herausforderungen.

Wie bewerten Sie die Ankündigung von MVV, sich aus dem Gasnetz zurückzuziehen?

Die MVV hat wichtige Informationen geliefert – und die müssen auf den Tisch, damit man Entscheidungen treffen kann. Nach jetzigem Planungsstand werden Mitte der 2030er-Jahre nur noch wenige Haushalte Gas verbrauchen, das gilt auch für die Industrie, und dann lohnt es sich nicht mehr, ein teures Netz aufrechtzuerhalten. Das ist eine wichtige Information, die die Städte nicht zurückhalten sollten, weil sie nicht gut ankommt. Eine frühe Ankündigung hilft, Fehlentscheidungen bei Heizungsinvestitionen zu vermeiden. 

Doch was bedeutet das für Haushalte, die gerade eine neue Gasheizung eingebaut haben?

Ich halte es für sehr unglücklich, dass nach wie vor Gasheizungen eingebaut werden. In manchen Fällen mag das für den Übergang sinnvoll sein. Aber es sollte immer unter der vollständigen Information gemacht werden, dass Gas deutlich teurer werden wird und keine zukunftsfähige Heizlösung ist. Deswegen ist es so wichtig, die Information früh genug zu teilen – ich hoffe, andere Kommunen ziehen nach –, damit das nicht noch öfter passiert. Bei den Neubauten ist es so, dass zu mittlerweile mehr als 75 Prozent Wärmepumpen eingesetzt werden. Wer eine neue Heizung plant, sollte sich jetzt mit Alternativen wie Wärmepumpen oder Fernwärme befassen.

Gas wird durch den steigenden CO₂-Preis immer teurer. Sind Verbraucher darauf vorbereitet?

Das Bewusstsein wächst, aber es gibt Nachholbedarf in der politischen Kommunikation. 2027 tritt der zweite europäische Emissionshandel in Kraft, was Heiz- und Benzinkosten steigen lässt. Studien rechnen für einen Vierpersonenhaushalt im Wärmebereich einen Kostenanstieg von etwa 1000 Euro im Jahr vor. Die Verbraucherinnen und Verbraucher sollten rechtzeitig informiert und unterstützt werden. 

Wie kann die Wärmewende sozial gerecht gestaltet werden?

Ich halte das für die wichtigste Aufgabe. Die Politik hat das Thema inzwischen erkannt. Zum einen helfen Subventionen, den Umstieg zu erleichtern. Zum anderen gibt es die Möglichkeit, die Einnahmen aus dem CO₂-Handel als Klimageld an die Haushalte zu verteilen. Das gerecht zu gestalten, ist allerdings nicht so einfach. Dazu braucht es mehr Studien.

Warum lohnt es sich für den Einzelnen, Teil der Wärmewende zu werden?

Fossile Energien werden teurer, erneuerbare günstiger. Der Umstieg lohnt sich langfristig finanziell, auch weil neue Technologien wie Wärmepumpen subventioniert und mit der Zeit effizienter und kostengünstiger werden.

Welche wirtschaftlichen Anreize sind notwendig?

Mittelfristig kommen wir um Subventionen nicht herum. Daneben ist Information entscheidend. Auch sie ist ein wirtschaftlicher Anreiz. Denn Wissen hilft, die richtige Entscheidung zu treffen. Und diese Informationen zu liefern, ist eine kommunale Aufgabe, keine rein wirtschaftliche.

Wie wichtig ist die Einbindung der Bürgerinnen und Bürger? 

Sehr wichtig, weil die Umstellung des Wärmesystems ein gemeinschaftlicher Prozess ist. Für eine solche Transformation gibt es kein Drehbuch. Und weil sie uns alle betrifft, sollten auch alle eingebunden sein in der Planung und Abstimmung.

Welche Maßnahme würde die Wärmewende am meisten beschleunigen?

Die Einbindung von Installateuren, Schornsteinfegern und Energieberatern. Sie spielen eine zentrale Rolle bei der Entscheidung für neue Heizsysteme und sollten gezielt informiert und geschult werden.

Welche Chancen ergeben sich durch die Wärmewende?

Langfristig wird Energie günstiger, wenn fossile Energieträger verschwinden. Zudem entstehen neue Märkte und Arbeitsplätze, etwa in der Wärmepumpenproduktion und -installation. Und das Klima profitiert natürlich.

Dieses Interview erschien zuerst im Kundenmagazin der MVV Energie AG.

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