Wie geht es weiter mit dem Euro? Die Eurozone steht vor der Wahl zwischen Pest und Cholera

Nachgefragt

Die chaotischen Verhältnisse nach der jüngsten Parlamentswahl in Griechenland lassen den Austritt Griechenlands aus der Gemeinschaftswährung wahrscheinlicher werden. ZEW-Präsident Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Wolfgang Franz zeigt auf, wie er die Zukunft des Euro beurteilt.

Professor Dr. Dr. h.c. mult. Wolfgang Franz ist seit 1997 Präsident des ZEW in Mannheim und Inhaber eines Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim. Überdies leitet er die Forschungsgruppe "Wachstums- und Konjunkturanalysen“ des ZEW. Seine Hauptarbeitsgebiete sind die Makroökonomie, die Arbeitsmarkt- und die empirische Wirtschaftsforschung. Franz ist Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Seit März 2009 ist er Vorsitzender dieses Gremiums.

Was wird passieren, wenn Griechenland morgen sagt: "Wir treten jetzt aus der Eurozone aus!“?

Eigentlich möchten die Griechen weiterhin in der Währungsunion bleiben, aber wenn sich eine neue griechische Regierung den vereinbarten Anpassungsmaßnahmen verweigert, entfallen die von EU und IWF zugesagten Finanzhilfen. Der griechische Staat kann seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen und das Bankensystem Griechenlands bricht zusammen. Die EZB kann ebenfalls nicht helfen, Griechenland muss wieder eine eigene Währung einführen, die nach Schätzungen gegenüber dem Euro nur rund die Hälfte wert sein dürfte. Die Folgen sind auf jeden Fall schwerwiegend: Die Importpreise steigen dramatisch, Konsum und Investitionen brechen ein und die Sparer müssen immense Verluste hinnehmen. Steigende Exporte, etwa im Tourismusbereich und im Transportgewerbe werden das bei weitem nicht kompensieren können. 

Wie würde Europa reagieren?

Die EU wird nicht tatenlos zusehen können und helfen. Das kostet viel Geld und zwar zusätzlich zu den rund 80 Milliarden Euro, für die allein Deutschland bei einem Zahlungsausfall Griechenlands haftet – im Rahmen der Rettungspakte und der Target-2-Verbindlichkeiten Griechenlands. Darüber hinaus könnten möglicherweise noch Ansteckungseffekte auf andere Problemländer hinzu kommen, wobei allerdings die Brandmauern mittlerweile höher sind und das Bankensystem in Europa besser gewappnet ist als noch vor zwei Jahren. 

Hält der Euro langfristig die bestehende Teilung der Währungsunion in einen wirtschaftlich starken Norden und einen wirtschaftlich schwachen Süden aus?

Solche regionalen Verteilungen der Wirtschaftskraft sind nicht in Stein gemeißelt. Deutschland galt vor rund zehn Jahren noch als der kranke Mann Europas und Italien hat bei allen Schwierigkeiten eine leistungsfähige Wirtschaft. Regionale Disparitäten gab es in Zeiten der DMark selbst innerhalb Deutschlands. Heterogenitäten innerhalb des Euro-Raums können mit Hilfe einer starken Arbeitsmobilität und zielführenden EU-Strukturfonds abgemildert werden.

Was ist sinnvoller: Ein Austritt der schwachen Länder aus der Währungsunion oder ein Austritt der starken Länder?

Das ist wie die Wahl zwischen Pest und Cholera. Wenn beispielsweise die "starken“ Länder einen "Nord-Euro“ einführen, wird es nicht lange dauern, bis die Finanzmärkte testen, ob das ein oder andere Land nicht besser beim "Süd-Euro" aufgehoben ist.

Wie muss die Konstruktion der Gemeinschaftswährung verändert werden, um die europäischen Volkswirtschaften langfristig wieder auf ein solides Fundament zu stellen?

Dazu brauchen wir einen funktionstüchtigen Ordnungsrahmen, der solide Staatsfinanzen und ein stabiles Finanzsystem gewährleistet. Mit dem Fiskalpakt und dem Rettungsschirm ESM, so denn beide beschlossen werden, ist aber ein gutes Stück des Wegs zurückgelegt, bei aller berechtigten Kritik an Details. Jetzt kommt es darauf an, aus dem derzeitigen Schlamassel eine Brücke hin zu einem soliden Ordnungsrahmen zu bauen. Dazu hat der Sachverständigenrat einen Schuldentilgungspakt vorgeschlagen.