"Weltweite Diversifikation am Kapitalmarkt ist der Königsweg für die Altersrente"

Nachgefragt

Während die Lebenserwartung in Deutschland steigt, hinkt die demografische Entwicklung hinterher. Dazwischen klafft die Rentenlücke, also die Differenz zwischen gewohntem Nettoarbeitseinkommen und Rentenzahlung am Ende des Arbeitslebens. Trotz Maßnahmen wie der Riester-Rente zeichnet sich ab, dass vielen heutigen Arbeitnehmern/-innen die späteren Rentenbezüge nicht reichen werden, um den gewohnten Lebensstandard halten zu können. ZEW Research Associate Martin Weber plädiert dafür, neben gesetzlicher und betrieblicher Altersvorsorge am Kapitalmarkt zu investieren, um für die Altersrente vorzusorgen.

Ist das Phänomen der Rentenlücke eine generelle "Altersschwäche" oder Krankheit hoch entwickelter Industrienationen? Wie sieht es vergleichsweise in anderen Ländern aus?

Schweden und Australien haben neben der gesetzlichen und betrieblichen Altersvorsorge eine verpflichtende dritte Säule geschaffen, die – bei einer gewissen Risikoeinstellung – besser ist als das, was wir in Deutschland geboten bekommen. Besser heißt in dem Fall, dass der schwedische oder australische Staat einen Rentenfonds in Form eines optimal diversifizierten Portfolios anbietet, in den die Bevölkerung einen Teil ihrer Sozialabgaben einzahlt. Zwar gilt bei einem solchen Modell: Ohne Risiko keine mehr erwartete Rendite. Wenn das Risiko aber optimal verteilt wird – durch weltweit diversifizierte Investitionen in unterschiedliche Anlageklassen –, dann kann man mit einer guten Renditeerwartung rechnen. Schweden und Australien sind so erfolgreich mit ihrem Modell, weil sie hohe Renditen haben. Die Riester-Rente ist ein Versuch in ähnlicher Richtung, der aber an einer Reihe von Konstruktionsfehlern krankt.

Was ist denn das Problem der Riester-Rente?

Die Riester-Rente ist eine staatlich geförderte private Altersvorsorge, die in eine Vielzahl von Anlageprodukten investieren kann. Vom Produkt her ist das allerdings zu beliebig. Zudem war die Riester-Rente ursprünglich ohne eine Kapitalgarantie geplant. Der öffentliche Druck wurde dann aber so groß, dass das das eingezahlte Kapital am Ende nun doch wieder zur Verfügung stehen muss. Dieser Mechanismus lässt aber die Inflationsentwicklung unberücksichtigt. Schließlich ist die Riester-Rente eine Art freiwilliger Rente, bei der Vertreter für den Vertrieb teuer bezahlt werden, während der/die Verbraucher/innen die Riester-Förderung selbst beantragen müssen, was viel zu aufwendig ist. Bei der Riester-Rente wurden also Fehler gemacht, die zu einem gewissen Grad politisch gewollt sind, weil die Bevölkerung Angst vor dem Kapitalmarkt hat.

Wie sicher wäre denn eine Rente als Anlage am Kapitalmarkt im derzeitigen Niedrigzinsumfeld?

Die gegenwärtige Niedrinzinsphase ist eine Momentauf­nahme. Am ZEW haben wir uns in einer Reihe von Studien angesehen, wie hoch der Realzins in Deutschland unter Berücksichtigung der Inflation in den vergangenen 30 Jahren war. Nullzins-Phasen gab es dabei immer wieder ebenso wie Situationen, in denen der Realzins etwa bei vier Prozent und die Inflation bei 4,5 Prozent oder 3,5 Prozent lag. Das heißt, die jetzige Niedrigzinsphase fällt bei einer Anlage am Kapitalmarkt über 30, 40 Jahre hinweg gar nicht so sehr ins Gewicht. Am Kapitalmarkt anlegen heißt aber auch, notgedrungen auch ein gewisses Risiko eingehen, das sich jedoch deutlich verringern lässt. Die weltweite Diversifikation ist dabei der Königsweg, denn die Weltwirtschaft geht ja nicht auf einen Schlag auf null runter.

Wie wollen Sie die arbeitende Bevölkerung und die politischen Institutionen davon überzeugen, zwecks Altersvorsorge am Kapitalmarkt zu investieren?

Am Kapitalmarkt anlegen heißt erstmal nichts anderes, als in Unternehmensbeteiligungen zu investieren, die natürlich Schwankungen ausgesetzt sind aber langfristig eine steigende Bewertung erwarten lassen. Bei möglichst breit gestreuten Beteiligungen – im Aktienindex MSCI World sind zum Beispiel rund 1.700 Unternehmen notiert – gehört mir ein kleiner Bruchteil der Weltwirtschaft. Die Börse ist kein Spielkasino, sondern dient dazu, Unternehmensanteile zu bewerten, das muss man den Menschen nahe bringen. Bei den politischen Institutionen bin ich eher weniger optimistisch. Sicherlich müssten Modelle wie aus Schweden oder Australien für Deutschland angepasst werden, indem etwa Sparkomponenten über gestaffelte Risikoklassen angeboten werden, da zählt dann die Präferenz des Einzelnen. Daneben braucht es zusätzliche Lösungen für Geringverdiener. Der Staat könnte dafür Instrumente bereitstellen. Und eine Institution wie das ZEW könnte dazu natürlich in Form von wissenschaftlich erarbeiteten Vorschlägen beitragen.