Unternehmensgründung durch Frauen in Deutschland - Frauen hinken immer noch hinterher

Nachgefragt

Unternehmensgründungen sind wichtig, um Volkswirtschaften innovativ und wettbewerbsfähig zu halten. Viel ungenutztes Potenzial gibt es allerdings bei Gründungen durch Frauen. Sie sind unter den Selbstständigen nach wie vor unterrepräsentiert. Dies erläutern die ZEW-Wissenschaftlerinnen Dr. Sandra Gottschalk und Dr. Michaela Niefert.

Dr. Michaela Niefert ist Wissenschaftlerin im Forschungsbereich "Industrieökonomik und Internationale Unternehmensführung". Sie arbeitet auf dem Gebiet der Gründungs- und Mittelstandsforschung und beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit den Determinanten des Gründungsgeschehens und der Entwicklung junger Unternehmen. Ihr Forschungsinteresse gilt insbesondere den Gründungen von Frauen, Gründungen aus der Arbeitslosigkeit und Ausgründungen aus existierenden Unternehmen.

Dr. Sandra Gottschalk ist Wissenschaftlerin im Forschungsbereich "Industrieökonomik und Internationale Unternehmensführung". Sie forscht zu Fragen der Gründung und Schließung von Unternehmen. Sie untersucht insbesondere die Bedeutung des Humankapitals von Unternehmensgründern und -gründerinnen für die Performance, die Schließungswahrscheinlichkeit und die Entwicklung von jungen Unternehmen. Ein weiterer Schwerpunkt ihrer Forschungstätigkeit sind die Methoden zur Anonymisierung von Unternehmensdaten.

Der Frauenanteil an den Selbständigen hat sich laut Mikrozensus von 26 Prozent im Jahr 1991 auf 32 Prozent in 2011 erhöht. Sind die Frauen also dabei, mit männlichen Gründern gleichzuziehen?

Niefert: Auf den ersten Blick sieht es so aus. Bei genauer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass sich Frauen meist ohne Beschäftigte selbstständig machen und die Selbstständigkeit oft nur in Teilzeit, zum Beispiel zusätzlich zu einer abhängigen Beschäftigung, ausüben. Nur in diese Formen der Selbstständigkeit sind Frauen in den vergangenen zehn Jahren vermehrt eingetreten. Die Anzahl der Gründerinnen mit Beschäftigten und die Zahl der Haupterwerbsgründerinnen haben sich dagegen kaum verändert.

Wer sich ohne Mitarbeiter oder "nebenbei" selbstständig macht, gründet aller Wahrscheinlichkeit nach kein Unternehmen, das in größerem Umfang investiert und unternehmerische Risiken übernimmt. Bei einem Großteil der Eintritte in die Selbstständigkeit, die der Mikrozensus verzeichnet, handelt es sich also gar nicht um Unternehmensgründungen im eigentlichen Sinn. Anders ist es bei den Gründungen im Mannheimer Unternehmenspanel (MUP), das einen relativ eng abgegrenzten Unternehmensbegriff verwendet. Dort ist der Anteil der von Frauen gegründeten Unternehmen an allen Gründungen seit 2003 sogar rückläufig und lag 2010 bei nur 22 Prozent. Von einem "Aufholen" der Gründerinnen kann demnach keine Rede sein.

Wie schneiden Gründerinnen bei der Unternehmensperformance im Vergleich zu Gründungen von Männern ab?

Gottschalk: Gründungen von Frauen schneiden bei allen Performancemaßen,die wir in unsere Analysen einbezogen haben, im Durchschnitt schlechter ab. Beschäftigungswachstum, Umsatz und Rentabilität ihrer Unternehmen sind geringer. Auch der Anteil von Unternehmensschließungen ist bei von Frauen gegründeten Unternehmen in den ersten zehn Jahren nach Gründung höher. Außerdem betreiben Unternehmen von Frauen in geringerem Maße Forschung und Entwicklung, sind also tendenziell weniger innovativ.

In den letzten Jahren ist es allerdings zu einer Angleichung der Gründungen von Männern und Frauen hinsichtlich einiger Qualitätsmerkmale gekommen. Dies betrifft vor allem die Beschäftigungsgröße und das Beschäftigungswachstum der neuen Unternehmen. Diese Angleichung ist hauptsächlich auf den Trend hin zu mehr Sologründungen zurückzuführen. In dessen Folge hat sich auch der Anteil der Gründungen von Männern ohne Beschäftigte und ohne Beschäftigungswachstum stark erhöht. Diese Angleichung ist also darauf zurückzuführen, dass sich Gründungen von Männern im Durchschnitt verschlechtert haben.

Woran liegt es, dass Frauen als Gründerinnen teilweise schlechter abschneiden als Männer?

Gottschalk: Gründerinnen und Gründer unterscheiden sich in einigen erfolgsrelevanten Merkmalen. Im Vergleich zu männlichen Gründern haben Gründerinnen im Durchschnitt ein geringeres formales Bildungsniveau. Dies ist erstaunlich, weil mittlerweile der Akademikeranteil unter erwerbstätigen Frauen in Deutschland insgesamt kaum noch von dem der Männer abweicht.

Außerdem verfügen Gründerinnen über weniger Berufserfahrung. Vor allem fehlt es ihnen an Erfahrung in Führungspositionen. Frauen gründen in kleineren Teams und investieren weniger Startkapital in ihre Unternehmen. Sie gründen auch häufiger aus Not, das heißt aus Mangel an Beschäftigungsalternativen, während Männer mit einer Gründung eher die Umsetzung einer konkreten Geschäftsidee verfolgen.

In welchen Sektoren gründen Frauen besonders stark und warum?

Gottschalk: Der Frauenanteil bei den neu gegründeten Unternehmen liegt bei etwa 22-24 Prozent. Er ist mit 26-30 Prozent überdurchschnittlich hoch im Handel und mit 30-34 Prozent in den konsumorientierten
Dienstleistungen, also in Wirtschaftszweigen, die nicht technologieintensiv, weniger innovativ und letztlich auch weniger wachstumsorientiert sind. In den Hightech-Branchen ist der Anteil von Frauen-Gründungen dagegen besonders gering. Dies liegt auch an der Berufswahl von Frauen. Nach wie vor lassen sich Frauen in geringerem Maße in technischen Berufen ausbilden. Auch entscheiden sie sich viel seltener als Männer für ein ingenieurwissenschaftliches oder Informatikstudium. Die Gruppe von Frauen, die in einem forschungs- und wissensintensiven und somit wachstumsstarken Wirtschaftszweig als Unternehmerinnen Fuß fassen könnten, ist somit klein.

Was bedeuten die von Ihnen skizzierten Entwicklungen für die deutsche Volkswirtschaft?

Niefert: Die Anzahl der Unternehmensgründungen in Deutschland ist seit dem Ende der 1990er Jahre tendenziell rückläufig. Angesichts der großen Bedeutung, die Gründungen für die Erneuerungs- und Wettbewerbsfähigkeit der Ökonomie haben, ist diese Entwicklung nicht unbedenklich. Die Hoffnung, Frauen könnten hier in die Bresche springen und dem Abwärtstrend durch eine stärkere Beteiligung am Gründungsgeschehen entgegen wirken, hat sich bisher nicht erfüllt. Zudem gründen Frauen gerade in den technologieorientierten Branchen, die im Hinblick
auf die Wettbewerbsfähigkeit von besonderer Bedeutung sind, nach wie vor relativ selten. Hoffnungsvoll stimmt allerdings die jüngste Entwicklung in den technologieintensiven Wirtschaftszweigen des verarbeitenden Gewerbes: Dort ist seit 2006 der Anteil der Frauengründungen von elf auf immerhin 15 Prozent gestiegen. Möglicherweise ist dies ein Anzeichen dafür, dass Gründerinnen langsam auch in den High-Tech-Sektor vordringen und einen zunehmenden Beitrag zur Innovationskraft der Volkswirtschaft leisten.

Was kann Politik tun, um Frauen stärker zu Gründungen zu motivieren – auch in für sie wenig attraktiven Branchen?

Niefert: Ein Ziel sollte sein, die Anzahl der Frauen, die für eine Gründung in den technologieorientierten Branchen qualifiziert sind, zu erhöhen. Maßnahmen, die Frauen zur Wahl eines technischen Berufs oder eines MINT-Studienfachs ermutigen, weisen hier in die richtige Richtung. Ob politische Maßnahmen dazu führen können, dass das Gründerinnen-Potenzial besser ausgeschöpft wird und mehr Frauen eine Gründung wagen, ist allerdings fraglich. Es existiert eine Vielzahl von Unterstützungs- und Fördermaßnahmen für Gründerinnen und Gründer, auch an Hochschulen. Deren Wirksamkeit ist häufig nicht eindeutig belegt. Ob speziell an Frauen adressierte Maßnahmen eine Wirkung in die gewünschte Richtung haben, ist ebenfalls nicht sicher. Ein umfassender Mentalitätswandel hin zu höheren Frauenanteilen in Führungspositionen großer und kleiner Unternehmen und zu deutlich mehr Verantwortungsübernahme durch Frauen hätte sicher auch große Wirkung auf das Gründungsverhalten.