Konjunkturexpert/-innen uneinig bei Prognosen

Im Vergleich zum April 2022 haben sich die Prognosen für den Monat Mai kaum verändert.

Nach den kräftigen Anpassungen der Prognosen im Vormonat sehen die Expertinnen und Experten für Konjunktur im aktuellen Monat nur bei der Inflation stärkeren Anpassungsbedarf. Ungewöhnlich ist dabei die starke Bandbreite der Prognosen. Das zeigen die Konjunkturtableaus von ZEW Mannheim und Börsen-Zeitung.

Die Prognosen der wichtigsten makroökonomischen Größen haben sich seit dem vorangegangen Monat nur noch geringfügig verändert. Damit zeigt sich die neue geopolitische Lage aufgrund des Ukraine-Kriegs in den Einschätzungen zur wirtschaftspolitischen Entwicklung.

Unsicherheit beim weiteren Verlauf der Konjunktur

Für das Wachstum der deutschen Wirtschaft im laufenden Jahr 2022 beträgt die Median-Prognose des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) unverändert 2,2 Prozent, für das Jahr 2023 ist sie mit 2,8 Prozent (Vormonat: 2,7 Prozent) leicht höher als im Vormonat. Die Bandbreite der Prognosen ist allerdings beachtlich und drückt große Unsicherheit bezüglich des weiteren Verlaufs der Konjunktur in diesem Jahr aus: Die niedrigste Prognose geht mit einem Rückgang um 0,3 Prozent (relativ zum Vorjahr) von einer leichten Rezession aus, die höchste Prognose sieht mit 4,1 Prozent dagegen ein sehr kräftiges Wachstum. Für 2023 liegt diese Bandbreite der BIP-Prognosen zwischen 1,4 Prozent (Minimum) und 3,9 Prozent (Maximum).

Positive Signale für die Arbeitsmarkt-Entwicklung

Durchweg positiv wird die weitere Entwicklung des Arbeitsmarkts in Deutschland gesehen. Für 2022 liegt die Prognose der Arbeitslosigkeit im Jahresdurchschnitt (Median) bei 5,0 Prozent, für das Jahr 2023 bei 4,9 Prozent. Beide Werte sind zwar leicht höher als im Vormonat, im Vergleich zum aktuellen Wert der Arbeitslosenquote von 5,1 Prozent (März 2022) geht jedoch so gut wie keine der Prognosen von einem Anstieg aus. Etliche der Expertinnen und Experten können sich eher einen noch deutlicheren Rückgang vorstellen.

Starker Rückgang der Inflation im nächsten Jahr erwartet

Für das laufende Jahr wird ein Anstieg der kurzfristigen Zinsen in der Eurozone prognostiziert.

Die Inflationsprognose für das Jahr 2022 hat sich seit dem letzten Monat von 5,7 auf 6,0 Prozent erhöht. Nach wie vor gehen die Expertinnen und Experten jedoch von einem starken Rückgang im nächsten Jahr aus; 2023 soll die Inflation mit 2,4 Prozent nur noch wenig über der Zielmarke der Europäischen Zentralbank (EZB) liegen. Für 2022 ist die Bandbreite der Prognosen ebenfalls ungewöhnlich groß: Der geringste Prognosewert liegt bei 3,5 Prozent, der höchste prognostizierte Wert bei 8,2 Prozent. Für 2023 liegt dieses Prognoseintervall zwischen 1,8 und 3,6 Prozent.

Erstaunlich an den Bandbreiten der Prognosen ist, dass die dadurch ausgedrückte Unsicherheit für das laufende Jahr sehr groß ist, während sie für 2023 deutlich geringer ausfällt. Das ist deshalb bemerkenswert, weil sich in einem längeren Zeitraum grundsätzlich mehr überraschende Entwicklungen ergeben können, als in einem kürzeren Zeitraum. Es zeigt sich in den Prognosen noch eine andere Tendenz, welche die Interpretation des Prognoseintervalls als reinen Ausdruck von Unsicherheit etwas in Frage stellt: So gehen die eher niedrigen Prognosen für 2022 mit eher hohen Prognosen für 2023 einher und umgekehrt.

Konjunkturtableaus von ZEW und Börsen-Zeitung

In Kooperation mit der Börsen-Zeitung veröffentlicht das ZEW seit dem Jahr 2013 monatlich Konjunkturtableaus für Deutschland und die Eurozone mit volkswirtschaftlichen Kennzahlen und Prognosen. Zahlreiche Banken und Institute veröffentlichen in unterschiedlichen Abständen Berichte über die aktuelle und voraussichtliche wirtschaftliche Lage. Aus diesen Publikationen werden die für das Tableau relevanten Informationen herausgefiltert und der Median, das Minimum und das Maximum aus den Prognosen für das jeweils laufende und dessen Folgejahr berechnet.

Die monatlich veröffentlichten Konjunkturtableaus zeigen die aktuellen Prognosen für das Bruttoinlandsprodukt (BIP), die Verwendungskomponenten des BIP, Verbraucherpreise, Industrieproduktion, Arbeitslosenquote und lang- und kurzfristige Zinsen sowie Zinsdifferenzen. Der Fokus liegt auf nationalen Informationsquellen, allerdings ergänzen die Prognosen einiger internationaler Banken und Institute die Datenbasis des Tableaus. Das Tableau für den Euroraum wird zudem noch mit Daten von europäischen Banken und Instituten erweitert.

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Michael Schröder
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