Unter welchen ökonomischen Bedingungen lohnt die Projektierung eines Kraftwerkparks? Ab welcher Strom-/ Gaspreisdifferenz sollte der Betreiber sein Kraftwerk hochfahren? Was sind die Schürfrechte für eine Mine wert, wenn der Kohlepreis fällt? Dies sind sehr unterschiedliche Fragen aus der Energiewirtschaft, die die Volkswirtschaft jedoch in einem gemeinsamen Rahmen diskutiert: der Theorie der Realoptionen. Am 27. und 28. Oktober 2008 veranstaltete der Forschungsbereich "Umwelt- und Ressourcenökonomik, Umweltmanagement" des ZEW die Konferenz "Real Options in Energy Economics", um praktische Anwendungen dieser Theorie in der Energiewirtschaft auszuloten.

Realoptionen können als das Recht erklärt werden, eine wirtschaftliche Transaktion unter Unsicherheit durchzuführen. Dabei sind sie das realwirtschaftliche Gegenstück zu Finanzoptionen, die typischerweise das Recht darstellen, eine Aktie zu einem zukünftigen Zeitpunkt zu einem vorher festgelegten Preis zu kaufen. Eine Realoption hingegen ist beispielsweise das Schürfrecht für eine Mine. Die traditionelle Investitionstheorie berechnet den Wert des Schürfrechts als die Differenz aus den zu erwartenden Erlösen aus dem Verkauf der Kohle und den erwarteten Entwicklungs- und Betreiberkosten. Jedoch: Herrscht heute grosse Unsicherheit über den Kohlepreis, so kann es sinnvoll sein, die Entwicklung der Mine zu verschieben, ohne die Option darauf aufzugeben. Dies aber, so die Realoptionstheorie, verändert auch den Wert des Schürfrechts.

Wirtschaftliche Entscheidungen unter Unsicherheit und Unumkehrbarkeit

Es sollten nicht einfach Kosten und Einkünfte bei sicherer heutiger Investition verrechnet werden, sondern Kosten und Einkünfte unter einer optimalen Investitionsstrategie, die die Möglichkeit, eine Investition zu verzögern, umfasst. Wesentliche Voraussetzung für das theoretische Konzept der Realoptionen ist die Unsicherheit über bestimmte Rahmenbedingungen und die Irreversibilität der Transaktion.

Zu der Konferenz "Real Options in Energy Economics" konnten Ökonomen unter anderem aus Frankreich, Österreich, Grossbritannien und den Vereinigten Staaten begrüßt werden. Den Eröffnungsvortrag hielt Lenos Trigeorgis, Leiter der internationalen Real Option Group und Professor an der Universität von Zypern in Nikosia. Er gab einen Überblick über verschiedene Arten von Realoptionen und Unsicherheiten in der Energiewirtschaft wie etwa geologische und klimatische Unsicherheit bei der Ölexploration, Nachfrageunsicherheit beim Gashandel und Unsicherheit über Energieträgerpreise bei der Investitionsstrategie eines Elektrizitätsversorgers. Seinen Vortrag illustrierte er durch zahlreiche Beispiele von Beratungsprojekten, in denen die Realoptionstheorie erfolgreich umgesetzt wurde.

Den zweiten Hauptvortrag hielt Franz Wirl von der Universität Wien. Sein Schwerpunkt lag auf den theoretischen Realoptionsmodellen in der Umweltökonomik. So könne beispielsweise eine Verzögerung von Energieeffizienz Investitionen durch regulatorische Unsicherheit erklärt werden. Pasquale Scandizzo, ökonomischer Berater der Weltbank und Professor an der Universität Tor Vergata in Rom, erklärte im dritten Hauptvortrag, wie die Realoptionstheorie in der Projektplanung angewendet werden kann. Er verwies auf zahlreiche Projekte der Weltbank, insbesondere in der Energiewirtschaft in Entwicklungsländern. Bei den weiteren vorgestellten Forschungsergebnissen tat sich ein breites Spektrum auf, das von der Bewertung umweltpolitischer Förderinstrumente bis zu theoretischen Fragen wie der angemessenen Formalisierung von Risikoaversion in Realoptionsmodellen reichte.