Präsident der Deutschen Bundesbank spricht zu den Herausforderungen der Finanzkrise für die Geldpolitik

Veranstaltungsreihen

Prof. Dr. Axel Weber, Präsident der Deutschen Bundesbank und Mitglied des Rats der Europäischen Zentralbank (EZB), sprach am 20. April im Rahmen der Mannheimer Wirtschafts- und Währungsgespräche am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Vor rund 260 Gästen begrüßte ihn der kaufmännische Direktor des ZEW, Thomas Kohl.

Die Vortragsreihe greift regelmäßig kreditwirtschaftlich relevante Themen auf und wird von der Bankenvereinigung Rhein-Neckar Mannheim unterstützt.

 

Die derzeit wichtigste Aufgabe der Geldpolitik sei der Ausstieg aus den in der Finanzkrise ergriffenen Sondermaßnahmen zur Stabilisierung der Finanzmärkte, sagte Weber zu Beginn seines Vortrags. Die Märkte seien durch die außergewöhnlichen Maßnahmen der EZB mit reichlich Liquidität versorgt worden. Diese müsse dem System nun wieder sukzessive entzogen werden. Da die liquiditätszuführenden Refinanzierungsgeschäfte zeitlich befristet seien, könne dies in kleinen, dem Zustand des Finanzsystems angemessenen Schritten geschehen. Entsprechende Maßnahmen hierzu seien bereits eingeleitet.


Wahrung der Preisstabilität bleibt oberstes Ziel


Trotz ihrer expansiven Geldpolitik während der Finanzkrise sei die EZB auch weiterhin ihrem wichtigsten Ziel, der Wahrung der Preisstabilität, verpflichtet, sagte Weber. Er lehnte deshalb entschieden den Vorstoß aus Reihen des Internationalen Währungsfonds ab, der ein Inflationsziel von vier statt zwei Prozent zur Diskussion stellt. Ein höheres Inflationsniveau sei die falsche Lehre aus der Finanzkrise. Es untergrabe die Glaubwürdigkeit der EZB und schüre die Sorge der Bürger, die Politik wolle die Last der krisenbedingt aufgetürmten Staatsverschuldung durch höhere Inflation verringern.

Angesichts der Finanzkrise müsse sich die EZB der Frage stellen, ob neben der Preisstabilität auch die Stabilität auf den Finanzmärkten in den Zielkatalog der Geldpolitik aufgenommen werden solle. Mit dem geldpolitischen Instrumentenkasten könnten allerdings nicht beide Ziele, Preisstabilität und Finanzmarktstabilität, gleichberechtigt verfolgt werden. Es sei daher keine Option, die Wahrung der Finanzstabilität als Aufgabe der Geldpolitik zu definieren. Vielmehr ist für Weber die Kernerkenntnis aus der aktuellen Krise, dass für diese Aufgabe ein neuer, eigenständiger Politikbereich benötigt wird. Mit dem europäischen Systemrisikorat werde bei der EZB eine entsprechende Institution geschaffen, die ausdrücklich für die systembezogene Überwachung zuständig sei und so zur Finanzmarktstabilität innerhalb Europas beitragen könne.


Defizitländer sollten ihr Geschäftsmodell ändern


Die zunehmenden Ungleichgewichte innerhalb des Euroraums, so Weber, seien darauf zurückzuführen, dass die Vorteile der Gemeinschaftswährung nicht immer sinnvoll genutzt würden. So hätten der Rückgang des Zinsniveaus und der Wegfall des Wechselkursrisikos einige Länder verleitet, über ihre Verhältnisse zu leben. Einige Länder hätten die günstigen Finanzierungsbedingungen auch nicht genutzt, um ihre Haushalte nachhaltig zu konsolidieren. Nicht Deutschland müsse sein exportorientiertes "Geschäftsmodell" ändern, sondern die Länder mit hohen Leistungsbilanzdefiziten seien in der Pflicht, Schritt für Schritt ihre Produktivität zu erhöhen, ihre Arbeitsmärkte zu flexibilisieren und langfristig Lohnzurückhaltung zu üben. Aufgrund dieser Anpassungsprozesse würden die Defizitländer dann auch weniger Exporte aus den Überschussländern nachfragen.


Belastungsprobe für die Währungsunion


Der Fall Griechenlands verdeutliche, welchen Belastungen die Währungsunion durch exzessive Staatsdefizite ausgesetzt werde. Ein eventueller Zahlungsausfall Griechenlands könnte gravierende wirtschaftliche Folgen für andere Länder der Währungsunion haben. Vor diesem Hintergrund müsse - sofern sich das Land nicht länger über die Kapitalmärkte finanzieren könne - als Ultima Ratio eine Unterstützung Griechenlands erwogen werden. Dabei müssten jedoch einige Bedingungen erfüllt werden. So müsste die finanzpolitische Eigenverantwortlichkeit Griechenlands erhalten bleiben. Ferner dürfe es keinen Automatismus bei der Unterstützung geben. Vielmehr müsse jede Anfrage Griechenlands neu geprüft werden. Darüber hinaus seien die Auflagen des Defizitverfahrens strikt einzuhalten und als Mindestauflagen für Hilfen anzusehen.

Für die Zukunft müssten Vorkehrungen getroffen werden, dass sich ein Fall Griechenland nicht wiederhole. Das fiskalische Regelwerk müsse hierzu ergänzt und geändert werden mit dem Ziel, den Stabilitäts- und Wachstumspakt zu stärken.


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Kathrin Böhmer
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