Nachgefragt: Wie wegweisend ist das UN-Klimaabkommen von Paris? - "Die Kosten müssen möglichst gering bleiben"

Nachgefragt

Was unter dem Dach der Vereinten Nationen (UN) im Dezember 2015 am Ende des Weltklimagipfels in Paris gelungen ist, wurde vielfach als historischer Durchbruch gehandelt: Die verbindliche Einigung von 195 Ländern der Erde auf ein gemeinsames Klimaabkommen mit dem konkreten Ziel, die Grenze der globalen Erwärmung bei bestenfalls 1,5 Grad Celsius zu ziehen. In den Jahren zuvor krankten die Verhandlungen daran, die einzelnen Positionen der Vertragsstaaten auf einen Nenner zu bringen. Hat die Welt also wirklich einen geschichtsträchtigen Schritt getan oder wird allenfalls der bisherige Minimalkonsens in Vertragsform gegossen? ZEW-Umweltökonom Oliver Schenker argumentiert, dass ein Wendepunkt in den weltweiten Klimaverhandlungen eingetreten ist, es jetzt aber auf die Umsetzung ankommt.

Wie ist das aktuelle Verhandlungsergebnis seit dem ersten UN-Klimagipfel im Jahr 1995 zu bewerten?

Das in Paris beschlossene Klimaabkommen ist trotz seiner Unzulänglichkeiten ein Meilenstein. Nach zwanzig Jahren Klimadiplomatie und sechs Jahre nach dem Debakel der UN-Klimakonferenz in Kopenhagen von 2009 gibt es zum ersten Mal ein internationales Klimaabkommen, das die allermeisten Staaten, unabhängig ob Entwicklungs-, Schwellen-, oder Industrieländer, in die Pflicht nimmt, ihren Emissionsausstoß zu begrenzen. Was in Paris erreicht wurde, ist mehr als realistischerweise zu Beginn der Konferenz zu erwarten war, nicht zuletzt aufgrund der Umkehr in der Struktur des Verhandlungsprozesses. Anstatt des bisherigen „top-down“-Ansatzes, der verbindlichen Verpflichtung aller Teilnehmer auf gemeinsame Ziele, hat man „bottom-up“ die freiwilligen Versprechungen der Staaten zur Emissionsminderung gebündelt. Die verhaltensökonomische Forschung am ZEW zeigt dabei, dass es möglich ist, so einen weitergehenden Prozess in Gang zu setzen. Dabei spielen aber auch Gerichtigkeitsnormen eine wichtige Rolle. Werden die Verhandlungen von allen am Tisch als fair empfunden, erhöht das die Chancen einer Einigung signifikant.

Genügt denn dieser Erfolg, um effektiv gegen den Klimawandel anzugehen?

Kein Zweifel, die von den Vertragsstaaten versprochenen Emissionsminderungen sind bei weitem noch nicht ausreichend, um die in Artikel 2 des Vertragstextes dargelegten Ziele – die Erwärmung der Erde auf jeden Fall auf unter zwei Grad zu beschränken – zu erreichen. Der Vertrag bietet aber eine gute Grundlage, die Klimaschutzanstrengungen der Weltgemeinschaft auf das nötige Niveau zu heben. Das Zeitfenster, um den nötigen Umbau des weltweiten Energiesystems zu schaffen, ist aber noch immer sehr eng. Das Pariser Abkommen legt ein gutes Fundament und liefert gute Pläne, das eigentliche Gebäude, das die Erde vor dem Klimawandel schützt, muss aber erst noch errichtet werden – und es müsste zeitnah passieren.

Wie sieht der Bauplan dafür aus?

Die ambitionierten Klimaziele können langfristig nur erreicht werden, wenn die Kosten der Klimapolitik möglichst gering bleiben. Deshalb ist es wichtig, dass in Artikel 6 des Vertragstextes marktbasierte Instrumente explizit erwähnt werden. Ob man neben INDC (Intended Nationally Determined Contributions – beabsichtigten, national festgelegten Beiträgen) jetzt noch den Begriff der ITMOs (Internationally Transfered Mitigation Outcomes – international transferierte Klimaschutzbeiträge) in das Glossar der Klimadiplomatie wird aufnehmen müssen, wird sich zeigen. Aber es ist wichtig, einen Rahmen zu haben, der es erlauben würde, Klimaschutzanstrengungen da durchzuführen, wo sie am billigsten sind.

Und wo genau wäre das?

Die Zweiteilung der Welt in Industrieländer, die etwas tun sollten, und Entwicklungsländer, die nichts tun müssen, ist endlich überwunden. Im Gegensatz zum Kyoto-Protokoll sind auch die größten CO2-Emittenten China und die USA mit an Bord. Damit sinken auch die Kosten von nationalen Klimaschutzmaßnahmen. Die Gefahr, dass durch ambitionierte Maßnahmen die eigene Wirtschaft an Wettbewerbsfähigkeit einbüßt und abwandert, ist kleiner geworden. Der weitere Erfolg des Pariser Abkommens wird davon abhängen, ob man die versprochenen Anstrengungen wird überprüfen können. Dass es gelungen ist, in den Berichtspflichten eine erneute Unterscheidung zwischen Entwicklungs- und Industrieländern abzuwenden und gleiche Regeln für alle gelten, wird es in Zukunft einfacher machen, diese Pflichten weiterzuentwickeln und die Anstrengungen der einzelnen Staaten in klar definierten Zyklen vergleichbar zu machen.

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Dr. Oliver Schenker, Telefon 0621/1235-229, E-Mail schenker@zew.de