Nachgefragt: Was bringt die Europäische Bankenunion? - "Finanzstabilität und nachhaltiges Wachstum in Europa sind noch in weiter Ferne"

Nachgefragt

Was im Jahr 2007 als Finanzkrise begann, ist zu einer Staatsschuldenkrise ausgewachsen, mit der Politik und Wirtschaft in Europa bis heute zu kämpfen haben. Eine zweischneidige Rolle dabei spielt das Bankensystem: Die Geldhäuser sind sowohl Ursache des Problems als auch Teil der Lösung in der europäischen Strategie. Eine Bankenunion soll die Finanzstabilität in der Eurozone wiederherstellen. Wie kann das angesichts der konjunkturellen Sorgenkinder Europas funktionieren? ZEW-Finanzökonom Sascha Steffen befasst sich mit den Grundlagen der Europäischen Bankenunion, ihrem Nutzen – und ihren Schwachstellen.

Die Europäische Kommission will mit dem avisierten Projekt Bankenunion nach eigenem Bekunden für "einen sicheren und soliden Finanzsektor im Binnenmarkt" sorgen. Was hat der Steuerzahler davon?

Die Bankenunion besteht aus drei Teilen: einer gemeinsamen Bankenaufsicht, einem einheitlichen Abwicklungsmechanismus von illiquiden Banken, der ab Januar 2015 greifen soll, und seit Kurzem einer gemeinsamen Einlagensicherung. Das Ziel ist ein stabiler Finanzsektor und ein stabiles Wirtschaftswachstum. Europa soll in der Lage sein, dass angeschlagene Banken nicht mehr durch den Einsatz von Steuergeldern gerettet werden müssen. Die Verbindung von Banken und Staaten, die beide in einer potenziell ruinösen Abwärtsspirale vereinen kann, soll damit durchtrennt werden. Für den Bankkunden wird sich aber erst einmal nicht viel ändern. Womöglich werden Bankprodukte teurer, da die verschärften regulatorischen Bedingungen den Kostendruck auf die Banken stark erhöht haben, allerdings nicht nur durch die Bankenunion. Den Kunden als Steuerzahler betrifft das natürlich schon, wenn zum Beispiel das Geld deutscher Steuerzahler für die Rettung griechischer Banken eingesetzt wird. Man kann schließlich jeden Euro nur einmal ausgeben.

Gerade die gemeinsame Einlagensicherung soll garantieren, dass die Sparguthaben des Normalbürgers nicht mehr willkürlich auf dem Spiel stehen. Wir bezahlen also finanzielle Sicherheit mit der Abgabe weiterer Souveränitätsrechte.

Eine gemeinsame Einlagensicherung ist notwendig, um sogenannte "Bank Runs" zu  vermeiden. Wir haben in Griechenland gesehen, wie schnell Milliarden von Euros von den Bankkunden abgehoben worden sind, als bekannt wurde, dass die Staatspleite Griechenlands – und damit die der Banken – eine ernsthafte Bedrohung war. Damit haben sich die Liquiditätsprobleme der Banken um ein Vielfaches erhöht, was eine mögliche Insolvenz der Banken noch beschleunigt hat. Eine gemeinsame Einlagensicherung hätte das Problem wahrscheinlich eindämmen können. Wiederholt sich das Szenario, würde die gemeinsame Einlagensicherung andererseits allerdings zu einer direkten Ver- gemeinschaftung der Risiken von Banken und damit zu einer direkten Gefahr für den Steuerzahler führen – und zwar vollständig an den nationalen Parlamenten vorbei.

Wenn die Architektur anscheinend schon Gefahren birgt, verspricht die Bankenunion dann überhaupt Aussicht auf Erfolg?

Tatsächlich wird das große Ziel der Bankenunion kurz- bis mittelfristig nicht erreicht werden, Finanzstabilität und nachhaltiges Wirtschaftswachstum in Europa sind noch in weiter Ferne. Die Bankenunion ist doch mit einem Stresstest gestartet, der sicherstellen sollte, dass alle europäischen Banken stabil sind, wenn wir sie nach einem einheitlichen Schema bewerten. Was haben wir heute? Griechenland ist nach wie vor vom Staatsbankrott bedroht, die griechischen Banken sind zahlungsunfähig. Die Perspektiven hörten sich vor knapp einem Jahr, als die Bankenunion angeschoben wurde, noch ganz anders an. Die Banken, die die meisten Verluste bei den Stresstests realisiert haben, kommen aus den Ländern Italien und Griechenland.

Welche Länder profitieren von den Plänen der EU-Kommission?

Die Profiteure der Bankenunion sind klar die Länder wie Griechenland, Italien, Irland, Portugal und Spanien, die auch große Profiteure der Einführung des Euros waren und seitdem eine im privaten und staatlichen Bereich hohe Verschuldung angesammelt haben. Stabile Länder sind  nach wie vor Länder wie Deutschland, die Niederlande und zurzeit auch Frankreich. Es ist mit Sicherheit richtig, dass die Banken in den Peripherieländern vielleicht "riskanter" sind, gerade da noch viele schlechte Kredite in ihren Büchern stehen und hier die Staaten krisenanfälliger sind. Aber es gibt marode Banken in allen Ländern, auch in Deutschland. Die Frage ist nur: Haben wir sie identifiziert? Da bin ich eher skeptisch.