Mehr Schulden für eine EU mit Zukunft?
Veranstaltungen„Wirtschaftspolitik aus erster Hand“ am ZEW Mannheim zum Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) der EU
Die Eskalationen in der internationalen Handelspolitik, neue sicherheitspolitische Bedrohungen und eine erodierende Wettbewerbsfähigkeit – das Umfeld der Wirtschafts- und Finanzpolitik in Europa wandelt sich dramatisch. Auch der kommende Mehrjährige Finanzrahmen (MFR) der EU muss diese neuen Realitäten abbilden. Daher stellt sich die Frage, ob Ausgabestruktur des EU-Budgets noch zeitgemäß ist. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Wirtschaftspolitik aus erster Hand“ diskutierte dies ein Expertenpanel unter der Moderation von ZEW-Ökonom Prof. Dr. Friedrich Heinemann am 11. Juli 2025 am ZEW Mannheim. Die Veranstaltung wurde im Rahmen des ZEW Alumnitags und mit freundlicher Unterstützung des ZEW-Förderkreises ausgerichtet.
EU-Verschuldung und fiskalische Transparenz
ZEW-Präsident Prof. Achim Wambach, PhD eröffnete die Veranstaltung und wies direkt zu Beginn auf die Wirkung des Draghi-Berichts hin, der die Debatte über die europäische Verschuldung aktuell entscheidend präge. Im Anschluss daran betonte Friedrich Heinemann in seinem Impulsvortrag, dass die Verschuldung auf der europäischen Ebene eine lange Geschichte habe. Zwar erscheine die europäische Verschuldung aus politischer Perspektive attraktiv, doch für die hoch verschuldeten Mitgliedstaaten setze sie laut Heinemann falsche Anreize.
Heinemann hob außerdem hervor, dass Deutschland im Rahmen des Wiederaufbaufonds „NextGenerationEU“ mittelbar für eine Summe von rund 262 Milliarden Euro hafte. Diese Belastung ergebe sich aus Zuschüssen, Garantien und Kreditvergaben, für die Deutschland gemeinsam einstehe. Bislang sei die Dimension dieser Verpflichtungen in der öffentlichen Debatte unterschätzt worden. Aus Sicht Heinemanns wäre es dringend erforderlich, die EU-Schulden national anzurechnen, um die bestehende fiskalische Intransparenz zu überwinden. Andernfalls liefe man Gefahr, dass sich Mitgliedstaaten zusätzliche finanzielle Spielräume erschlössen, ohne dass dies in der nationalen Schuldenstatistik sichtbar werde.
Mehr Haushaltsdisziplin in Krisenzeiten?
Rolf Strauch, PhD, Chief Economist und Management Board Member des European Stability Mechanism (ESM) und der European Financial Stability Facility (EFSF), betonte, dass die EU Antworten auf die geopolitischen und ökonomischen Umbrüche gemeinsam angehen müsse. Insbesondere bei Themen wie Verteidigung oder Klimawandel wäre laut Strauch eine Vertiefung der fiskalischen Zusammenarbeit in Europa wünschenswert. In Hinblick auf die Überarbeitung des europäischen Fiskalrahmens hob er hervor, dass es das Ziel sein sollte, die langfristige Schuldentragfähigkeit zu sichern, ohne notwendige Zukunftsinvestitionen zu behindern.
Dr. Samina Sultan, Senior Economist für europäische Wirtschaftspolitik und Außenhandel am Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln), stellte fest, dass die EU in einem Spannungsfeld zwischen enormem Investitionsbedarfen und gleichzeitig stark eingeschränkten fiskalischen Spielräumen stehe. In vielen Mitgliedstaaten sei die Staatsverschuldung bereits heute sehr hoch. Ohne eine konsequente Haushaltsdisziplin und Priorisierung von Ausgaben drohe nach ihrer Einschätzung eine Krise, die die politische Handlungsfähigkeit der EU massiv einschränken könnte. Eine solide Fiskalpolitik müsse die Ausgabenseite dringend im Blick behalten.
Dr. Felix Hüfner, Chefvolkswirt Deutschland und Europaökonom der UBS Investment Bank und ZEW Alumnus, wies hingegen darauf hin, dass es einen Vertrauensverlust in den US-Dollar gebe, der die Attraktivität des Euroraums erhöhen könne. Jedoch hinke Europa in Sachen Wirtschaftswachstum den USA stark hinterher. Europa müsse internationalen Investoren in dieser Hinsicht mehr bieten und den Standort attraktiv gestalten. Alleine über Schulden sollte dies laut Hüfner nicht geschehen, stattdessen seien Strukturreformen nötig, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen, beispielsweise durch mehr Entlastungen für Unternehmen.
Ausblick: Neue Schwerpunkte setzen
Mit Blick auf die laufenden Reformbestrebungen beim europäischen Fiskalrahmen wies Sultan abschließend darauf hin, dass die Schwerpunkte stärker auf Innovation, KI und Energie liegen sollten und weniger auf Agrar- und Kohäsionspolitik. Strauch betonte, dass im Bereich Verteidigung konkrete Anforderungen benannt und die finanziellen Mittel dann entsprechend bereitgestellt werden müssten.