Was lange befürchtet wurde, scheint nun Realität zu werden. Die Wähler in Griechenland wollen den Weg der Sanierung der Staatsfinanzen und der wirtschaftspolitischen Reformen nicht länger mitgehen. In Scharen haben sie mit Syriza eine Partei gewählt, die einen radikalen Kurswechsel verspricht.

Der künftige griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras hat im Wahlkampf angekündigt, die Troika aus dem Land zu werfen, die Bedienung der Schulden Griechenlands einzustellen und schmerzhafte Reformen wie die Kürzung des Mindestlohns und den Personalabbau im öffentlichen Dienst rückgängig zu machen.

Statt öffentliche Unternehmen zu privatisieren will er private Firmen verstaatlichen, die mit der Troika vereinbarten Arbeitsmarktreformen sollen abgeblasen werden. Was bedeutet der Wahlausgang für die Zukunft und für den Verbleib Griechenlands in der Eurozone? Man darf nicht alles, was Politiker im Wahlkampf herausposaunen, auf die Goldwaage legen. Alexis Tsipras hat allerdings so große Versprechungen gemacht, dass weit reichende Veränderungen unvermeidlich sind. Wie könnten die aussehen? Zwei Entwicklungen sind denkbar.

Zum einen könnte die neue griechische Regierung darauf setzen, dass die anderen Regierungen der Eurozone einen ungeordneten Staatsbankrott und Austritt Griechenlands aus der Eurozone womöglich so sehr fürchten, dass sie erpressbar sind. Dann könnte Alexis Tsipras einen neuerlichen Schuldenschnitt und ein Ende des von der Troika überwachten Reformkurses durchsetzen. Für die Zukunft der Eurozone wäre dieses Ergebnis allerdings fatal. Griechenland wäre dauerhaft von Hilfen aus dem Rest der Eurozone abhängig, das Land ein Fass ohne Boden. Wähler in Italien, Spanien und Portugal könnten daraus nur lernen, dass radikale und populistische Parteien Hilfen von außen besser durchsetzen können als gemäßigte Kräfte, die auf Kooperation mit den europäischen Partnern setzen.

Deshalb muss Europa sich gegen Erpressungsversuche wappnen und Vorkehrungen ergreifen, die die Kosten eines eventuellen Austritts Griechenlands aus der Eurozone senken. Beispielsweise muss die Rekapitalisierung von Banken vorbereitet werden, die bei einem Griechenland-Austritt in Schwierigkeiten geraten würden. Ziel dieser Maßnahmen ist nicht, einen Austritt Griechenlands herbeizuführen. Es geht darum, eine Destabilisierung der Eurozone insgesamt, verursacht durch eine Aufgabe der wirtschaftspolitischen Reformen und der Kooperation unter den Mitgliedstaaten, zu verhindern.

Zum anderen ist auch folgende Entwicklung denkbar. Syriza hat im Wahlkampf nicht nur das europäische Krisenmanagement kritisiert, sondern auch Missstände in Griechenland angeprangert, insbesondere Korruption und Vetternwirtschaft sowie eine unfaire Verteilung der Krisenlasten. Die etablierten griechischen Parteien haben bei der Lösung dieser Probleme versagt. Sofern die neue griechische Regierung die Beseitigung dieser Missstände in den Mittelpunkt ihrer Politik stellt und etwa eine effektivere Besteuerung wohlhabender Griechen anstrebt oder die Bekämpfung der Korruption verbessern will, verdient sie Unterstützung. Um in diesen Bereichen neue Schwerpunkte zu setzen, ist es durchaus möglich, das mit der Troika vereinbarte Reformprogramm anzupassen.

Wie jeder demokratisch gewählte Politiker sollte auch Alexis Tsipras die Chance erhalten, nicht allein an seinen Worten gemessen zu werden, zumal Worten aus dem Wahlkampf, sondern an seinen hoffentlich wohl überlegten Taten.