Lohnt sich Fracking für Deutschland? - „Wir sollten die Ressourcen erst nutzen, wenn wir sie wirklich brauchen“

Nachgefragt

Fracking boomt – zumindest stellenweise. Bei der Methode des „Hydraulic fracturing“ (zu Deutsch: hydraulisches Aufbrechen) wird eine Mischung aus Wasser, Sand und Chemikalien unter enormem Druck in den Boden geschossen. Der Zweck: Sogenanntes unkonventionelles Erdgas aus unterirdischen, bisher erschlossenen Gesteinsschichten zu gewinnen. Seit fast zehn Jahren arbeiten die Nordamerikaner damit, um auch an Schiefergas zu kommen. In Deutschland wird die Methode bisher kontrovers diskutiert. ZEW-Umweltökonom Oliver Schenker erläutert, welche Gefahren Fracking für Klima und Umwelt mit sich bringt – und ob Deutschland damit eine lukrative Unternehmung winkt.

Dr. Oliver Schenker ist kommissarischer stellvertretender Leiter des Forschungsbereichs „Umwelt- und Ressourcenökonomik, Umweltmanagement“ und koordiniert den Forschungsschwerpunkt „Internationale Umwelt- und Ressourcenpolitik“ am ZEW. Seine Forschungsinteressen umfassen unter anderem internationalen Handel und Wachstum. Der Schwerpunkt setzt sich mit den ökonomischen Herausforderungen der Regulierung globaler Umweltprobleme und der Analyse internationaler Klimapolitik auseinander.

Die Praxis, Erdgas mittels Fracking zu fördern, ist nicht nur zwischen Industrie und Umweltschützern umstritten. Auch in der Wissenschaft gehen die Meinungen darüber auseinander. Mit welchen konkreten Risiken ist Fracking verbunden?

Fracking kann durchaus mit negativen Folgen für die Umwelt einhergehen. Um an das Erdgas in den unterirdischen Gesteinsschichten zu kommen, müssen grundwasserführende Schichten durchstoßen werden. Hierbei besteht eine abstrakte Gefahr der Verunreinigung durch die verwendeten Chemikalien, die zwar nur einen kleinen Teil der Mischung ausmachen, durch die schiere Menge, die nötig ist, aber doch einen Effekt haben können. Das Risiko einer Verunreinigung auf diesem Weg ist aber relativ gering. Problematischer ist dagegen das eingesetzte Wasser-Sand-Chemie-Gemisch, das nach dem Fracken wieder an die Oberfläche zurückkommt. Diese Mixtur muss aufgefangen und entsorgt werden. Gleichzeitig könnte Wasser an die Oberfläche gelangen, das sich dort unten über Jahrmillionen mit Schwermetallen wie Blei oder Quecksilber angereichert hat – hochgiftige Stoffe also. Zudem wurden inzwischen in den USA verschiedentlich kleinere Erdbeben dokumentiert, die beim Fracken unter bestimmten geologischen Verhältnissen auftreten können. Schließlich wird im Zuge des Klimawandels zunehmend auch argumentiert, dass fossile Energieträger wie Erdgas besser im Boden gelassen würden.

Weshalb? Um das Klima nicht mehr als ohnehin schon zu belasten oder um quasi einen ultimativen Notvorrat verfügbar zu haben, falls die Ressourcen versiegen?

In der Tat reden wir dabei über die Klimaschädlichkeit des Schiefergases. Unter diesem Gesichtspunkt wäre Erdgas sicher die bessere Option als Braunkohle, um das Klima zu schonen. Das Erdgas muss jedoch nicht zwangsläufig aus Deutschland stammen. Noch gibt es günstiger zu förderndes Erdgas aus anderen Teilen der Welt wie Nordafrika und Russland. Der Nutzen der durch Fracking erschließbaren Ressourcen liegt wohl eher in der Versorgungssicherheit. Wir sollten die Ressourcen deshalb erst dann nutzen, wenn wir sie wirklich brauchen.

Brauchen wir Fracking in Deutschland überhaupt, wenn wir eine Energiewende haben?

Bis wir ganz ohne fossile Energieträger auskommen, dauert es noch eine gewisse Zeit. Gerade die unstete Produktion von Elektrizität aus erneuerbaren Quellen macht einen Sicherheitspuffernotwendig, der eben diese Schwankungen ausgleichen kann. Gaskraftwerke wären dazu gut geeignet und umweltfreundlicher als Kohlekraftwerke. Aus verschiedenen Gründen sind Gaskraftwerke heute in Europa allerdings kaum profitabel und es ist unwahrscheinlich, dass die Nutzung des Schiefergaspotenzials in Deutschland an dieser Situation etwas ändern würde.

In den USA gilt Fracking als einträgliches Geschäft. Könnte auch Deutschland davon profitieren?

Indirekt profitiert Deutschland schon heute durch niedrige Gas- und Ölpreise. Daneben gibt es hier durchaus ein gewisses, aber limitiertes Potenzial an nutzbarem Schiefergas. So könnte sich nach Schätzung von Fachleuten Deutschland mit seinen Vorräten an Schiefergas bestenfalls zehn Jahre lang selbst versorgen. Das heißt, das Potenzial und die Erträge sind begrenzt. Gleichzeitig ist Deutschland auch viel dichter besiedelt als die wichtigsten Fracking-Regionen der USA. Die Rahmenbedingungen sind folglich andere, was wiederum die Kosten der Regulierung erhöht. Ob unter diesen Umständen eine profitable Industrie mit dem zugehörigen Knowhow, Fachkräften und Investitionen entstehen könnte, ist fraglich. Gerade bei den aktuell tiefen Preisen für konventionelle Energieträger wie Öl und Gas würde sich Fracking kaum lohnen. So hatte man zum Beispiel auch in Polen große Hoffnungen in das Pozential von Fracking gesetzt, was letztlich aber aufgrund von regulatorischen Unsicherheiten und einer komplizierteren Geologie als in den USA gescheitert ist.