Seit Mitte des vergangenen Jahrzehnts ist der hiesige Arbeitsmarkt durch einen markanten Anstieg der Anzahl der Beschäftigten gekennzeichnet, bis jetzt jedenfalls. Diese positive Trendentwicklung - unterbrochen lediglich durch den im Vergleich zur Schwere der Rezession des Jahres 2009 milden Rückgang - hat die Diskussion über Inflexibilitäten bei dem institutionellen Regelwerk auf dem deutschen Arbeitsmarkt weitgehend zum Erliegen gebracht. Mitunter wurde sogar suggeriert, gerade die arbeitsrechtlichen Rigiditäten hätten den Beschäftigungsaufbau beflügelt.

Die Insolvenz der Firma Schlecker belehrt eines Besseren. Dem Vernehmen nach hat die Furcht vor Tausenden von Kündigungsschutzklagen Investoren davon abgehalten, zumindest Teile des insolventen Unternehmens zu erwerben und zu sanieren. Selbst die Gewerkschaften bestreiten dies nicht. So betonte die zuständige Landesbezirksleiterin von ver.di in einem Interview: "Die hohe Zahl der Kündigungsschutzklagen hat Investoren abgeschreckt.“ Auf den nächstliegenden Gedanken, eine Reform des beschäftigungsfeindlichen Kündigungsschutzrechts zumindest bei dem vorliegenden Sachverhalt zu thematisieren, kamen beide Interviewpartner indes nicht.

Die zu beanstandende arbeitsrechtliche Regelung stellt § 613a Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) dar. Ganz allgemein besagt diese Rechtsvorschrift, dass bei einem rechtsgeschäftlichen Betriebsübergang der Erwerber des Betriebs in die Rechte und Pflichten aus den bestehenden Arbeitsverhältnissen eintritt. Konkret bedeutet dies im vorliegenden Fall, dass die Insolvenz des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis nicht automatisch beendet. Sie löst jedoch gemäß § 113 Insolvenzverordnung ein besonderes Kündigungsrecht des Insolvenzverwalters aus (Brox, Rüthers, Henssler, Arbeitsrecht 18. Auflage, Stuttgart 2011, Randziffer 614).

Die Kritik am geltenden Kündigungsschutzrecht geht indes weit über diesen Sachverhalt hinaus. Der Grund liegt jedoch nicht so sehr darin, dass Entlassungen hierzulande unmöglich seien. Wie die Arbeitslosenstatistik zeigt, kommen jährlich Millionen Zugänger in die Arbeitslosigkeit aus einem Beschäftigungsverhältnis. Die Rigidität des Kündigungsschutzes liegt vielmehr an den hohen Kosten. Denn gekündigte Arbeitnehmer drohen dem Arbeitgeber vielfach mit dem Gang vor die Arbeitsgerichte, womöglich durch mehrere Instanzen und mit einer Rechtsschutzversicherung im Rücken. Dies wäre nicht weiter hinderlich, hätte sich die Arbeitsgerichtsbarkeit in der Vergangenheit nicht einer Reihe von skurrilen Urteilen zugunsten beispielsweise leistungsunwilliger Arbeitnehmer befleißigt und könnte nicht der geringfügigste Formfehler die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge haben, frei nach dem Motto: Auf hoher See und vor Gericht sind wir allein in Gottes Hand. Vor diesem Hintergrund ziehen es zahlreiche Arbeitgeber vor, sich mit den gekündigten Arbeitnehmern auf eine teure Abfindung zu verständigen, selbst wenn diese darauf überhaupt keinen Anspruch haben. Plastisch ausgedrückt wird ein Unternehmen praktisch jeden Arbeitnehmer los, sofern die Abfindungszahlung nur hoch genug ist.

Selbstverständlich geht es nicht darum, einem ungezügelten "Hire and Fire" das Wort zu reden. In aller Regel ist der Arbeitnehmer dringlicher auf ein bestimmtes Arbeitsverhältnis angewiesen als das Unternehmen. Viel wäre bereits gewonnen, wenn Kündigungsverfahren weniger kompliziert und vor allem berechenbarer wären. Daher hat der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung bereits vor mehreren Jahren eine Alternative vorgeschlagen, welche diesen Kriterien genügt. Danach sollten betriebsbedingte Kündigungen generell zulässig sein, wenn vorher eine verbindliche Abfindungsregelung bei Entlassungen vereinbart wurde. Für personenbezogene Entlassungen gilt dies natürlich nicht, der leistungsunwillige Arbeitnehmer wird nicht auch noch mit einem goldenen Handschlag verabschiedet. Davon abgesehen erbringt die genannte Abfindungsregelung vor allem Rechtssicherheit. Sie macht Entlassungen nicht notwendigerweise billiger, aber ihre Kosten berechenbarer.

Es ist Sache des Gesetzgebers, solche Vorschläge ernsthaft zu prüfen, selbst bei allem Verständnis dafür, dass ihn zur Zeit beileibe andere Sorgen plagen. Es muss ja nicht unbedingt noch in dieser Legislaturperiode sein.