Nicht nur Prognosen über die künftige wirtschaftliche Entwicklung unterliegen erheblichen Unsicherheiten, sondern Vorhersagen seitens der Naturwissenschaften ebenso und mit vielleicht noch dramatischeren Konsequenzen auf Grund von Fehleinschätzungen. Wahre Horrorgemälde fertigten seinerzeit beispielsweise Epidemiologen über die Verbreitung von Rinderwahnsinn und Schweinegrippe über die zu erwartenden Todesopfer an. Nachher las man es Gott sei Dank anders.

Sollten wir bei den Vorausberechnungen über das Eintreten und die Folgen eines anthropogen verursachten Klimawandels darauf setzen, dass sich die Naturwissenschaftler abermals irren, zumal ihre Erkenntnisse hinsichtlich der Folgen des Klimawandels unter den Experten nicht unumstritten sind? Das wäre eine zu riskante Strategie. Denn falls die Mehrheit der Klimaforscher recht behält und wir nichts tun, kommt uns das vermutlich teurer zu stehen als wenn wir etwas unternehmen, das sich später als unnötig herausstellt.

Wenn es darum geht, die Herausforderungen des Klimawandels zu meistern, verfügen wir über zwei Optionen, die sich indessen nicht ausschließen. Die Vermeidungsstrategie wird derzeit betrieben und hat die Verhinderung des Klimawandels zum Ziel. Hingegen besteht der Zweck einer Anpassungsstrategie in der Minimierung der Schäden des Klimawandels.

Das Problem mit der Vermeidungsstrategie folgt daraus, dass die Reduzierung des weltweiten Temperaturanstiegs ein globales öffentliches Gut darstellt, von dessen Nutzung niemand ausgeschlossen werden kann. Das erhöht die Gefahr eines Trittbrettfahrerverhaltens einer Reihe von Staaten. Von Lippenbekenntnissen abgesehen unterlassen sie kostspielige Maßnahmen des Klimaschutzes und kommen gleichwohl in den Genuss der Bemühungen anderer Länder. Das erklärt, warum es mit internationalen Klimavereinbarungen nicht vorangeht, wie die beiden vergangenen Treffen in Cancun und Kopenhagen belegen. So gesehen birgt die Vorreiterrolle für ein Land erhebliche Risiken, wenn die Verursacherbetriebe in Länder mit geringeren Klimaschutzauflagen abwandern. Dann aber erwischt das Vorreiter-Land die schlechteste aller Welten, nämlich Beschäftigungsverluste bei weltweit unverändertem CO2-Ausstoß. Schließlich zeichnet sich die derzeitige CO2-Vermeidung durch horrend kostenträchtige Ineffizienzen aus. Zwar wurde löblicherweise ein Handel mit Emissionszertifikaten eingeführt, der jedoch eigentlich diverse andere Maßnahmen, wie etwa die Solarenergieförderung, weitestgehend redundant macht, von der lächerlichen Regulierung bezüglich Glühbirnen erst gar nicht zu reden.

Die Anpassungsstrategie besitzt den Vorzug, lokale öffentliche Güter bereitzustellen, indem beispielsweise Deiche, Flutrinnen und Abwasserkanäle ausgebaut werden, die dann in erster Linie der betreffenden Region zugute kommen. Mitunter ist die Nutzung sogar ein privates Gut, wenn etwa Hausbesitzer Vorsorge gegen Sturmschäden treffen. Damit geht vermutlich eine höhere Akzeptanz der Lasten von Anpassungsmaßnahmen einher. Allerdings werden Länder wie unter anderem mehrere afrikanische Länder oder Bangladesch durch Dürre- beziehungsweise Hochwasserkatastrophen besonders hart von der Klimaerwärmung betroffen, einige werden schlicht untergehen, woran Vertreter der 83 pazifischen Inseln von Vanuatu die Staatengemeinschaft seit längerem flehentlich erinnern. Die entwickelten Staaten werden sich dem Ruf nach Hilfeleistungen nicht verschließen können und dürfen.

Vermeidungs- und Anpassungsstrategien schließen einander nicht aus. Ihre Kombination hängt mit der Einschätzung der Erfolgschancen der nächsten internationalen Klimaverhandlungen ab. Da hier ein gerüttelt Maß an Skepsis angebracht ist, sollte Deutschland mehr auf die Entwicklung einer Anpassungsstrategie setzen. Wenn andere Staaten mit einer ähnlichen Haltung aufwarten, veranlasst dies vielleicht die bisherigen Verweigererstaaten eines wirksamen internationalen Klimaschutzabkommens zum Einlenken. Wie dem auch sein mag, eine Diskreditierung der Anpassungsstrategie als Feigheit oder schierer Egoismus ist von vorneherein abwegig.