Innovationsstandort Deutschland - Besonders die Großunternehmen sind in Deutschland innovationsaktiv

Nachgefragt

Die deutsche Wirtschaft gibt Jahr für Jahr mehr Geld für Innovationen aus. Allerdings werden die Innovationsbudgets vor allem durch die großen Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern getragen. ZEW-Ökonom Dr. Christian Rammer erläutert die Ursachen und Folgen dieser Entwicklung.

Dr. Christian Rammer ist stellvertretender Leiter des Forschungsbereichs „Industrieökonomik und Internationale Unternehmensführung“ am ZEW. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Innovationsökonomik und der Wissenstransfer zwischen Wirtschaft und Wissenschaft. Rammer leitet unter anderem die jährliche Innovationserhebung des ZEW (Mannheimer Innovationspanel). Er ist in zahlreichen nationalen und internationalen wirtschaftswissenschaftlichen Forschungs- und Beratungsprojekten tätig.

Von 1995 bis heute gingen 93 Prozent des Aufwuchses der gesamtwirtschaftlichen Innovationsausgaben auf das Konto von Großunternehmen. Bedeutet diese Entwicklung, dass die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) den Anschluss bei den Innovationen verlieren?

Für die Gesamtheit der vielen hunderttausend KMU in Deutschland schon, wenngleich es weiterhin eine große Gruppe sehr innovationsorientierter und auch erfolgreicher KMU gibt. Aber die durchschnittliche Innovationsintensität der KMU, das heißt der Anteil der Innovationsausgaben am Umsatz, ging seit dem Jahr 1995 von 2,7 auf heute 1,6 Prozent zurück. Die Großunternehmen konnten dagegen ihre Innovationsintensität von drei Prozent auf 4,5  Prozent steigern.

Was sind die Ursachen für die geringe Innovationsdynamik bei den KMU hierzulande?

Zunächst muss man sehen, dass die Gruppe der KMU nicht statisch ist. Besonders dynamische KMU mit stark steigenden Innovationsausgaben überschreiten bald die KMU-Schwelle und werden zu Großunternehmen. Umgekehrt schrumpfen immer wieder Unternehmen unter die Schwelle. Diese Unternehmen weisen oft rückläufige oder gar keine Innovationsausgaben aus. Hinzu kommt, dass sich KMU im vergangenen Jahrzehnt bei Anlageinvestitionen immer mehr zurückgehalten haben, auch weil die Finanzierung über Kredite schwieriger wurde. Dies wirkte sich auch auf innovative Investitionen aus. In vielen Bereichen beobachten wir außerdem einen intensiveren Wettbewerb aus dem Ausland, der mit erhöhtem Preisdruck einhergeht. Dies führt oft dazu, dass sich KMU ganz aus dem Innovationsgeschäft zurückhalten, da ihnen wegen niedrigerer Margen die Mittel für Innovationsprojekte fehlen und sie kaum Möglichkeiten sehen, unter den Bedingungen eines starken Preiswettbewerbs Innovationen erfolgreich zu platzieren.

Was bedeutet es für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft, wenn hauptsächlich die großen Unternehmen in Innovationen investieren?

Die Gefahr besteht, dass dann gerade in sich neu entwickelnden Innovationsfeldern und Märkten weniger Innovationen stattfinden. Denn diese Märkte sind zunächst klein, unübersichtlich und schwer prognostizierbar. Für Großunternehmen sind sie unattraktiv, weil sie dort ihre Stärken – Produktion in großen Mengen und das Angebot standardisierter, zuverlässiger Lösungen - nicht ausspielen können. Aber fast alle grundlegend neuen Innovationen haben klein angefangen und wurden zunächst meistens von kleinen Unternehmen vorangetrieben. So war es in der Biotechnologie sowie in vielen Bereichen der Umwelttechnologien. Die Großen steigen meist erst dann ein, wenn sich Märkte konsolidiert haben und ein bestimmtes Absatzvolumen erreicht ist. Ein innovativer KMU-Sektor ist daher notwendig, damit immer wieder neue Märkte entwickelt werden. Davon profitieren letztlich auch die Großunternehmen. Und trotz rückläufiger Innovationsausgaben der KMU steht Deutschland nicht schlecht da: Im Jahr 2012 gab es hierzulande rund 31.500 KMU, die kontinuierlich Forschung und Entwicklung (FuE) betrieben haben und damit auf der Suche nach neuen Märkten und neuen Lösungen sind. Etwa jedes vierte forschende KMU in Europa ist in Deutschland zu finden.

Die Innovationsbudgets aufzustocken ist eine Sache. Gelingt es den Unternehmen aber auch, aus den gewonnenen Forschungserkenntnissen marktfähige Produkte, Dienstleistungen oder verbesserte Prozesse abzuleiten? Zeigen sich hier ebenfalls Unterschiede zwischen den großen und den kleineren Unternehmen?

Die Unternehmen in Deutschland sind durchaus in der Lage, ihre Investitionen in Innovationserfolge umzusetzen. Im Jahr 2012 standen den Innovationsausgaben von über 137 Milliarden Euro Umsätze mit neuen Produkten von fast 650 Milliarden Euro gegenüber. Aber auch auf diesem Feld sind es die Großunternehmen, auf die der Löwenanteil des Neuproduktumsatzes entfällt, konkret 77 Prozent. Dieser Anteil hat in den vergangenen Jahren weiterhin merklich zugenommen.