Wenn denn der Euro wirklich an den derzeitigen Schwierigkeiten und Fehlentwicklungen im Euro-Raum schuld wäre, stünde es in der Tat schlecht um das Gelingen der Währungsunion. Aber so ist es nicht, selbst wenn dies in einschlägigen Talk-Runden und pseudo-wissenschaftlichen Druckerzeugnissen dem Volk von Wichtigtuern einzuhämmern versucht wird.

Wäre der Euro für die derzeit besonders virulenten makroökonomischen Störungen verantwortlich, so müsste beispielsweise der Euro-Raum im Vergleich zu anderen Währungsräumen ein besonders starkes Ungleichgewicht in seiner Leistungsbilanz und seiner öffentlichen Verschuldung aufweisen. Das Gegenteil trifft zu. Die Leistungsbilanz des gesamten Euro-Raums ist nahezu ausgeglichen und seine Neuverschuldung lag im Jahr 2010 mit knapp 7 v. H. des Bruttoinlandsprodukts weit unterhalb der von Japan (fast 10 v. H.), des Vereinigten Königreichs (etwas über 10 v. H.) und der Vereinigten Staaten (rund 11 v. H.). Wohlgemerkt, diese Gegenüberstellung bezieht sich auf das Euro-Gebiet als Ganzes und so gesehen handelt es sich eben um keine "Euro-Krise". Innerhalb des Euro-Raums sieht die Sache anders aus, denn einzelne Länder sind sehr wohl in Schwierigkeiten und damit sind wir bei den eigentlichen Ursachen der Krise angekommen, nämlich den hausgemachten Fehlern in einzelnen Euro-Ländern.

Im Fall Griechenlands ist finanzpolitisches Fehlverhalten über Jahre hinweg zu konstatieren, dessen wahres Ausmaß die griechischen Behörden mit Hilfe statistischer Manipulationen weitgehend verschleiern konnten. In Irland lag die Hauptursache in einer exzessiven Kreditvergabe des Finanzsystems insbesondere in den Jahren des Immobilien-Booms. Der irische Staatshaushalt war noch im Jahr 2007 ausgeglichen und es ist noch nicht lange her, als angesichts der ökonomischen Leistungsfähigkeit Irlands vom "keltischen Tiger" die Rede war. Letztlich fungiert der Rettungsschirm für Irland also als Bankenrettungsprogramm. Analoges trifft auf die Hilfe für Griechenland insoweit zu, als deutsche und französische Banken zu Anfang des Jahres 2010 Forderungen gegenüber Griechenland in Höhe von rund 44 beziehungsweise 71 Milliarden US-Dollar aufweisen (das waren rund 57 v. H. aller konsolidierten Auslandsforderungen gegenüber Griechenland). Vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit der Insolvenz von Lehman Brothers und der noch nicht (ganz) ausgestandenen Finanzkrise ist nachvollziehbar, dass der Politik eine Umschuldung griechischer Staatsanleihen anstelle des Rettungsschirms zu riskant erschien.

Mithin dürfte klar sein, in welche Richtung Aktivitäten gehen müssen, um ähnliche Krisen künftig möglichst zu verhindern. Erstens dürfen systemrelevante Banken den Staat und damit den Steuerzahler nicht wieder in Geiselhaft nehmen können. Hier helfen entweder systemische Eigenkapitalzulagen oder eine spezifische Lenkungssteuer ("Pigou-Steuer"). Zweitens bedarf es nach Auslaufen des derzeitigen Rettungsschirms eines funktionstüchtigen Krisenmechanismus. Dieser muss je nach Schwere des finanzpolitischen Fehlverhaltens eine Beteiligung der privaten Gläubiger bei der Lösung von staatlichen Zahlungsschwierigkeiten vorsehen. Drittens muss der Stabilitäts- und Wachstumspakt entscheidend gehärtet werden. Zu allen drei Aspekten hat der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung Vorschläge unterbreitet.

Ein Austritt Deutschlands aus der Währungsunion gehört allerdings definitiv nicht dazu. Das wäre in hohem Maße töricht, denn eine massive Aufwertung der dann neuen D-Mark wäre die Folge, mit immens negativen Folgen für unsere Exporte und Arbeitsplätze. Mit der Vermeidung beträchtlich schwankender nominaler Wechselkurse rechtfertigte sich doch seinerzeit aus ökonomischer Sicht ganz wesentlich eine Währungsunion. Denn wie aus der Lehrbuch-Literatur bekannt (Mundell-Fleming-Modell), kann man die folgenden drei Optionen nur paarweise, jedoch nicht gleichzeitig zusammen realisieren: stabile nominale Wechselkurse, eine autonome Geldpolitik und einen freien Kapitalverkehr. Die Währungsunion bot daraus einen Ausweg. Solche Einsichten zu vermitteln ist natürlich schwerer als in
D-Mark-Nostalgie zu schwelgen.