Wenn es im Haus lichterloh brenne, gehe es vordringlich darum, ein Übergreifen des Brands auf andere Gebäude zu verhindern, koste es was es wolle. Mit einer solchen Analogie wird die Rettungsaktion der EU-Staaten vom 10. Mai von ihren Befürwortern gerechtfertigt. Konkret wurde auf einen von Griechenland ausgehenden Domino-Effekt, zumindest im Hinblick auf Portugal und Spanien, verwiesen, auf Grund dessen sich die Euro-Zone dem Rand eines potenziellen Zusammenbruchs genähert habe. Die Europäische Zentralbank (EZB) begründete ihre Maßnahmen mit der alarmierenden Meldung, bestimmte Marktsegmente seien dysfunktional in Bezug auf die Markttiefe und die Marktliquidität und der Transmissionsmechanismus der Geldpolitik sei beeinträchtigt gewesen, was immer dies im einzelnen heißen mag. Vor diesem Hintergrund stellen sich drei Fragen. Worin lagen die Ursachen des Brands, gab es Brandstifter? War es wirklich alternativlos, dass die Feuerwehr das ganze Dorf mit einem Schaumteppich überzog oder hätte eine begrenzte Rettungsaktion genügt? Was ist nun als allererstes zu tun?

Im Hinblick, erstens, auf die Ursachen ist es nicht damit getan, Griechenland die Alleinschuld zuzuweisen. Gewiss: Jahrelang haben griechische Institutionen die EU mit Falschmeldungen über den Tisch gezogen und ihre Wirtschafts- und Sozialpolitik in erschreckendem Ausmaß auf Pump finanziert. Aber: Jahrelang wurden im EcoFin-Rat einschlägige Warnungen von Eurostat geflissentlich ignoriert und die Verschuldungsproblematik mit Hinweis auf den rund 3 v.H.-Anteil Griechenlands am EU-Bruttoinlandsprodukt verniedlicht. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt wurde im Jahre 2005 angeblich "reformiert", tatsächlich aber aufgeweicht, nicht zuletzt auf Betreiben Deutschlands. Die "präventiven und korrigierenden Arme" des Paktes haben sich nun für alle sichtbar als zahnloser Tiger entpuppt. Schließlich: Es mag ja spekulative Übertreibungen gegeben haben, aber die Finanzmärkte sind ihrer Rolle insoweit nachgekommen, als sie Fehlentwicklungen gebrandmarkt haben. Auf die Spekulanten einzudreschen, stellt größtenteils ein Ablenkungsmanöver dar.

Gab es, zweitens, Alternativen zum Rettungspaket, nämlich den Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone und/oder eine Umschuldung griechischer Staatsanleihen? Die EU-Verträge sehen den "Rausschmiss" eines Landes nicht vor. Freiwillig wird sich Griechenland kaum darauf einlassen, weil seine auf Euro lautenden Staatspapiere zu bedienen dann mit einer deutlich abgewerteten neuen Drachme wesentlich teurer würde. Eine Umschuldung hätte massiven Abschreibungsbedarf auch bei deutschen Banken zur Folge. Diese haben für rund 35 Mrd. Euro griechische Staatsanleihen im Depot, allen voran die Hypo Real Estate, die sich im Staatsbesitz befindet, sodass der deutsche Steuerzahler indirekt zur Kasse gebeten würde. Und das alles vor dem Hintergrund einer noch nicht ausgestandenen Finanzkrise und einer nach wie vor fragilen konjunkturellen Erholung und des immensen Zeitdrucks.

Die ganze Malaise wäre, drittens, wesentlich glimpflicher verlaufen, hätten sich die EU-Staaten vor Monaten zu einem zielführenden Konsolidierungspakt mit regelgebundenen Sanktionen verpflichtet, wobei die Sanktionen durchaus automatisch in Kraft tretende Steuererhöhungen bei Verfehlungen des vorher festgelegten und vom Gesetzgeber beschlossenen Konsolidierungspfades beinhalten können. Zu einem solchen Konsolidierungspakt hat der Sachverständigenrat in seinem Jahrsgutachten 2009/10 Vorschläge unterbreitet. Ein glaubwürdiger Konsolidierungspakt, in welcher Form auch immer, stellt die unabdingbare Voraussetzung für meine Zustimmung zum Rettungspaket dar, wenngleich unter erheblichen Bedenken. Versagt die Politik hier, versage ich mein Plazet. Mindestens ebenso große Sorgen bereitet das Verhalten der EZB. Sie möge uns bitte erklären, wieso es kein politischer, ihre Unabhängigkeit beschädigender Druck war, dem sie gefolgt ist, und wie sie Inflationsgefahren durch Neutralisierung der zusätzlichen Liquidität begegnen will.

Wolfgang Franz