Die Ergebnisse der Gemeinschaftsdiagnose Frühjahr 2011 - "Wirtschaftsaufschwung trotz Konjunkturrisiken"

Nachgefragt

Deutschland erlebt einen kräftigen Wirtschaftsaufschwung. Davon zeigen sich die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute in ihrer Gemeinschaftsdiagnose im Frühjahr 2011 überzeugt. Auch das ZEW ist an dem gemeinsamen Gutachten für die Bundesregierung beteiligt. Dr. Marcus Kappler, federführend für das ZEW in die Gemeinschaftsdiagnose eingebunden, erläutert die Ergebnisse des Gutachtens.

Nach seinem Studium der Volkswirtschaftslehre in Tübingen, Maryland (USA) und Berlin promovierte Dr. Marcus Kappler im Jahr 2007 an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Seit dem Jahr 2002 am ZEW beschäftigt, ist Kappler stellvertretender Leiter der Forschungsgruppe Wachstums- und Konjunkturanalysen. Er forscht insbesondere zur Genauigkeit von Konjunkturprognosen, der strukturellen Arbeitslosigkeit und den Einflussfaktoren des Produktionspotenzials.

Wirtschaftsaufschwung trotz Konjunkturrisiken

Deutschland erlebt einen kräftigen Wirtschaftsaufschwung. Davon zeigen sich die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute in ihrer Gemeinschaftsdiagnose im Frühjahr 2011 überzeugt. Auch das ZEW ist an dem gemeinsamen Gutachten für die Bundesregierung beteiligt. Dr. Marcus Kappler, federführend für das ZEW in die Gemeinschaftsdiagnose eingebunden, erläutert die Ergebnisse des Gutachtens.

Die Forschungsinstitute erwarten, dass das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) in diesem Jahr um 2,8 und im nächsten Jahr um 2,0 Prozent wachsen wird. Was treibt die deutsche Wirtschaft?

Die deutsche Wirtschaft hat erstaunlich schnell die große Rezession des Jahres 2009 überwunden, im Gegensatz zu vielen anderen Industrieländern. Seit Anfang des Jahres befindet sie sich in einem kräftigen Aufschwung, der sowohl von der Nachfrage aus dem Ausland als auch aus dem Inland getragen wird. Das Auslandsgeschäft deutsche Unternehmen legt spürbar zu, da sich die Weltwirtschaft vor allem wegen der raschen Erholung der Schwellenländer im Aufschwung befindet. Im Inland stimuliert das niedrige Zinsniveau die Investitionstätigkeit, insbesondere im privaten Wohnungsbau. Die positive Beschäftigungsentwicklung sowie steigende Lohneinkommen werden zu einem Anstieg der privaten Konsumausgaben führen. Im weiteren Verlauf dürften sich die Kräfte noch stärker in Richtung Inlandsnachfrage verlagern und vom Außenhandel tendenziell schwächere Impulse ausgehen, da steigende Lohnstückkosten die internationale Wettbewerbsfähigkeit beeinflussen werden.

Einige Länder der Eurozone befinden sich nach wie vor in einer Schuldenkrise. Daneben gibt es mit Blick auf die Rohstoffversorgung durch die unübersichtliche Lage im arabischen Raum Risiken. Welche Gefahren sehen Sie darüber hinaus für die deutsche Wirtschaft?

Vor allem von jenen Volkswirtschaften, in denen die Finanz- und Wirtschaftskrise strukturelle Probleme offen gelegt hat, gehen nach wie vor Risiken für den globalen Aufschwung aus. Die Vereinigten Staaten müssen ihr  Schuldenproblem in den Griff bekommen. Schon jetzt reagieren die Märkte nervös auf die hohen Budgetdefizite und den steigenden Schuldenstand. Auch ist die Schuldensituation in den Peripherieländern der Eurozone noch immer brisant. Bei griechischen Staatsanleihen wird ein Schuldenschnitt diskutiert. Portugal muss sich unter den europäischen Rettungsschirm begeben und Notkredite in Anspruch nehmen. Sollte sich die Lage in Nordafrika weiter zuspitzen oder auf andere ölexportierenden Länder übergreifen, könnte ein Ölangebotsschock die Konjunktur in den ölimportierenden Ländern ernsthaft gefährden, insbesondere in denen, die sich derzeit ohnehin nur schwach erholen.

Gibt es neben den Risiken weitere Chancen für die deutsche Konjunktur?

Es sind Szenarien denkbar, die für eine kräftigere Expansion der deutschen Wirtschaft als in der Prognose angenommen sprechen. So sind die Zinsen in vielen Ländern auf einem historisch niedrigen Niveau. Aber es fehlen Erfahrungswerte, wie sich dies in einer hochintegrierten Weltwirtschaft auswirkt. Gerade in Deutschland waren die monetären Rahmenbedingungen seit sehr langer Zeit nicht mehr so günstig wie jetzt.

Deutschland wird in diesem Jahr der Gemeinschaftsdiagnose zufolge seine Neuverschuldung wieder unter die Zielmarke von drei Prozent des BIP drücken können. Hat Deutschland einen nachhaltigen Konsolidierungspfad eingeschlagen?

Zur dauerhaften Begrenzung der Staatsverschuldung in Deutschland wurde im Jahr 2009 eine Schuldenbremse in die Verfassung aufgenommen. Um den Anforderungen dieser Regelung gerecht zu werden, hat die Finanzpolitik in diesem Jahr die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte eingeleitet. Dies ist ein richtiger und wichtiger Schritt, vor allem weil die Schuldenquote im vergangenen Jahr mit rund 83 Prozent bereits einen hohen Stand erreicht hat. Außerdem ist der Zeitpunkt für die Einleitung der Haushaltskonsolidierung sehr günstig. Die gute Konjunkturlage verschafft dem Staat zusätzliche Steuereinnahmen, die nun genutzt werden müssen, um die Tragfähigkeit der Staatsschuld langfristig sicherzustellen.