Das Konjunkturpaket der Bundesregierung - Prozyklische Wirkung von Konjunkturprogrammen setzt der Politik Grenzen

Nachgefragt

32 Milliarden Euro wird die Bundesregierung in den kommenden beiden Jahren ausgeben, um die Talfahrt der deutschen Konjunktur abzubremsen. Kernstück des Konjunkturpakets ist ein milliardenschweres Kreditprogramm für den Mittelstand. Darüber hinaus sollen Unternehmen durch günstige Abschreibungsmodalitäten zu Investitionen animiert werden. Das Kurzabeitergeld wird künftig ein halbes Jahr länger ausbezahlt, für emissionsarme Neuwagen soll die KfZ-Steuer bis zu zwei Jahre entfallen und zusätzliche Milliarden Euro fließen in das CO2-Gebäudesanierungsprogramm. Was das Rettungspaket bewirkt und welche weiteren Maßnahmen geeignet wären, die Konjunktur zu beleben, fragen wir Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Wolfgang Franz, Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) und Leiter der Forschungsgruppe "Wachstums- und Konjunkturanalysen" am ZEW.

Professor Dr. Dr. h.c. mult. Wolfgang Franz, Jahrgang 1944, promovierte nach dem Studium der Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim.1981 habilitierte er sich und folgte einem Ruf an die Universität Mainz. 1984 nahm er einem Ruf an die Universität Stuttgart, 1989 einen Ruf an die Universität Konstanz an. Seit 1997 ist Franz Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim und Inhaber eines Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim. Überdies leitet er seit September 2007 die Forschungsgruppe "Wachstums und Konjunkturanalysen" des ZEW. Die Hauptarbeitsgebiete von Franz sind die Makroökonomie, die Arbeitsmarkt- und die empirische Wirtschaftsforschung. Seit 2003 ist Franz Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, dem er bereits in der Zeit von 1994 bis 1999 angehörte.

Die Große Koalition erwartet, dass ihre Maßnahmen das Wirtschaftswachstum in Deutschland stimulieren und rund eine Million Arbeitsplätze sichern werden. Werden diese Ziele durch das Konjunkturprogramm erreicht oder entzündet die Politik ein Strohfeuer?

Das Maßnahmenpaket der Bundesregierung stellt ein Bündel von Aktivitäten dar, die nur zum Teil dazu geeignet sind, das Wirtschaftswachstum zu stimulieren. Die genannte Anzahl von einer Million zusätzlicher Arbeitsplätze scheint mir angesichts des Gesamtvolumens, welches obendrein über mehrere Jahre verteilt werden soll, reichlich optimistisch.

Was spricht konkret gegen Konjunkturprogramme?

Die Machbarkeit der konjunkturellen Entwicklung seitens der Wirtschaftspolitik ist sehr begrenzt. Wie zahlreiche empirische Studien belegen, sind staatliche Konjunkturprogramme in der Praxis häufig wenig hilfreich. Sie wirken meist prozyklisch, weil in der Regel vielfältige zeitliche Verzögerungen eintreten, bis sie ihre Wirkung, so überhaupt vorhanden, entfalten können. Ihr Erfolg wird außerdem durch das Sparen der Haushalte und Importe geschwächt.

Mit welchen Mitteln könnte die Konjunktur erfolgreich gestützt werden?

Der Sachverständigenrat hat dazu eine konjunkturgerechte Wachstumspolitik vorgeschlagen, die sowohl auf der Ausgabenseite als auch auf der Einnahmeseite ansetzen könnte. Zum einen spricht er sich für kreditfinanzierte zusätzliche Investitionen, beispielsweise in die Infrastruktur und die frühkindliche Bildung, aus. Zum anderen müssen bestimmte Defizite bei der Unternehmenssteuerreform beseitigt werden.

Helfen Steuersenkungen oder Konsumgutscheine?

Da bin ich sehr skeptisch. Rund die Hälfte aller Haushalte in Deutschland zahlt überhaupt keine Einkommenssteuer. Deren Senkung beträfe also gerade nicht diejenigen Haushalte, bei denen am ehesten eine hohe Konsumneigung zu erwarten wäre. Unter wachstumspolitischen Gesichtspunkten wäre allerdings an eine Verminderung des steilen Anstiegs der Grenzsteuersätze in der ersten Progressionszone zu denken. Das erhöht die Leistungsbereitschaft. Konsumgutscheine entzünden nur ein Strohfeuer. Dann hat der Staat sein Pulver verschossen, wenn die Konjunkturschwäche länger anhält und es bleiben höhere Schulden.

Die Große Koalition hat sich von ihrem Ziel, bis zum Jahr 2011 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, verabschiedet. Wurde zu lange gewartet, die Konsolidierung des Haushalts voran zu treiben?

Die Konsolidierung der staatlichen Haushalte bemisst sich am strukturellen Defizit, also den um konjunkturelle Einflüsse bereinigten staatlichen Budgetsaldo. Hier ist die Politik bereits weit vorangekommen. Im Jahr 2008 belief sich das strukturelle Defizitauf 0,1 v. H. des Bruttoinlandsprodukts. Für das Jahr 2009 prognostiziert der Sachverständigenrat 0,2 v. H. Im Sinne einer Generationengerechtigkeit sollte der Konsolidierungskurs flexi bel fortgeführt werden.

Was halten Sie vom "Sicherungsnetz für Beschäftigte" im Rahmen des Maßnahmenpakts der Bundesregierung?

Der Ausdruck "Sicherungsnetz" soll vermutlich an den "Schutzschirm" für das Bankensystem erinnern, welcher ein Gesamtvolumen von 480 Milliarden Euro umfasst. Beim "Sicherungsnetz für Beschäftigte" soll neben einem Sonderprogramm für ältere und geringqualifizierte Personen und einer befristeten Verlängerung der Bezugsdauer des Kurzarbeitergeldes die Anzahl der Arbeitsvermittler bei der Bundesagentur für Arbeitum 1.000 erhöht werden. Bezogen allein auf die zuletzt genannte Maßnahme würde bei einem überschlägig angenommenen Jahreseinkommen in der Größenordnung von 50.000 Euro eine Gesamtsumme pro Jahr in Höhe von 50 Millionen Euro zustande kommen. Im Vergleich zu den genannten 480 Milliarden Euro wirkt das doch einigermaßen putzig. Das spricht nicht notwendigerweise gegen die Maßnahme als solche, sondern vor allem gegen ihre Bezeichnung.

Neben dem Hilfspaket für Banken und dem Konjunkturprogramm greift die Bundesregierung auch für die Bürger in die Staatskasse. Etwa wird das Kindergeld und der Kinderfreibetrag erhöht, Geringverdiener erhalten höheres Wohngeld. Sind das "Wahlgeschenke"?

Die Subventionen können nicht unter konjunkturpolitischen Gesichtspunkten gesehen werden. Es handelt sich um gesellschaftspolitische und mittelfristig angelegte ökonomische Anliegen, beispielweise um die ökonomische Situation von Familien zu verbessern.