Standpunkt von ZEW-Präsident Achim Wambach und Clemens Muth

Standpunkt von ZEW-Präsident Achim Wambach und Clemens Muth zu Elementarversicherungen für Immobilien

Extreme Wetterereignisse nehmen zu, die Risiken für Immobilien steigen. Dennoch sind nur rund 54 % der Wohngebäude in Deutschland umfassend gegen Naturgefahren versichert – häufig mangels Risikobewusstsein oder wegen hoher Prämien. Ein neues Konzept will den Versicherungsschutz in Hochrisikogebieten durch staatlich gestützte Prämiendeckel und einen Risikopool bezahlbar machen. In einem Gastbeitrag in der WirtschaftsWoche erläutern Clemens Muth (Berater und ehem. ERGO-Vorstand) und ZEW-Präsident Achim Wambach, wie eine solche Lösung wirken kann – und welche Rolle der Staat künftig bei Elementarschäden einnehmen sollte.

Die Folgen des Klimawandels sind in Deutschland immer stärker zu spüren. Wir erleben eine Zunahme von Hitzetagen, von Starkregen, von Orkanen. Dass wir uns besser schützen müssen, rückt jedoch erst langsam ins öffentliche Bewusstsein. Zwar ist 2024 das bundesweite Klimaanpassungsgesetz in Kraft getreten: Bund und Länder sind aufgefordert, Anpassungsstrategien zu entwickeln und umzusetzen. Auch viele Kommunen haben begonnen, sich besser auf den Temperaturanstieg vorzubereiten. Doch nicht immer sind die Maßnahmen ausreichend und zielführend: Einem Deichausbau folgt nicht selten die Ausweisung von Neubaugebieten nebenan – und damit eine erhöhte Exponierung für Naturgefahren. 

Auch Privathaushalte müssen sich besser auf Wetterextreme vorbereiten. Dies ist in ihrem ureigenen Interesse: Während allgemeine Maßnahmen gegen den Klimawandel den Charakter eines öffentlichen Gutes haben, sind Maßnahmen zur Klimaanpassung private Güter. Wer sein Haus besser gegen Starkregen schützt, reduziert seine eigenen potenziellen Schäden. Ein wesentlicher Aspekt ist dabei der Versicherungsschutz gegen Elementarschäden. Versicherungsprämien senden ein wichtiges Preissignal über Risiken für Immobilien durch Naturgefahren. Bauweise und Präventionsmaßnahmen können die Versicherung günstiger machen, fehlende Prävention erhöht die Prämien.

Das Problem dabei: Nur rund 54 Prozent (Stand 2022) der privaten Wohngebäude sind gegen alle Naturgefahren versichert. Für einige Hausbesitzer ist die Versicherung zu teuer – insbesondere für diejenigen, die in Hochrisikogebieten wohnen. Manche Haushalte mögen davon ausgehen, dass im Schadensfall die öffentliche Hand einspringt. Zudem überschätzen viele den eigenen Versicherungsschutz: Nach einer Studie des ZEW denkt etwa jeder vierte Befragte fälschlicherweise, er sei gegen Elementarschäden versichert. 

Um einen bezahlbaren Versicherungsschutz gegen Elementargefahren auch in Hochrisikogebieten zu schaffen, schlagen wir ein neues Versicherungsprodukt vor. Es besteht aus einer Prämiendeckelung für Bestandsgebäude, gepaart mit einem speziellen Risikopool, für den der Staat geradesteht. 

Das Konzept im Detail: Besitzer von Bestandsgebäuden können eine Basisversicherung über einen privaten Versicherer abschließen, die 80 Prozent der Elementarschäden abdeckt. 20 Prozent der Schäden bleiben im Selbstbehalt des privaten Haushalts. Der private Versicherer ermittelt die eigentlich erforderliche Prämie, etwa für ein Haus an der Ahr (zum Beispiel 2000 Euro). Der zu zahlende Beitrag des Kunden setzt sich aus zwei Teilen zusammen: 20 Prozent der vom Versicherer ermittelten echten Prämie (im Beispiel 400 Euro) sowie 80 Prozent einer gedeckelten Prämie, die von der durchschnittlichen Vorjahresprämie und der vom Gesetzgeber festgelegten Deckelhöhe abhängt. Am Ende könnten die Kosten für den Beispielkunden im Hochrisikogebiet bei 1200 Euro statt der eigentlich erforderlichen 2000 Euro liegen. 

Die privaten Versicherer können bis zu 80 Prozent ihrer Risiken beim Risikopool rückdecken. In schadenarmen Jahren erwirtschaftet der Pool einen Ertrag, in schadenreichen Jahren einen Verlust. Wegen der gedeckelten Prämie ist über die Jahre ein Fehlbetrag zu erwarten, den der Staat auszugleichen hätte. Einen Teil dieser Exponierung im Risikopool könnte die private Versicherungswirtschaft absichern.
 

Keine Staatshilfe mehr bei Unwettern

Insbesondere private Haushalte in Hochrisikogebieten erhalten damit Zugang zu einem noch bezahlbaren Basisversicherungsschutz gegen Elementargefahren. Für die mehr als 99 Prozent der Bestandsgebäude in weniger risikoreichen Gebieten würde weiterhin der wettbewerbliche private Versicherungsmarkt Schutz anbieten. Neubauten auf unbebauten Grundstücken, die ab dem Stichtag der Risikopooleinführung genehmigt werden, hätten keinen Zugang zu Pool und Prämiendeckel. Dies stellt sicher, dass die Preissignale der Versicherungen für Naturgefahren uneingeschränkt wirken können: Bei der Neuausweisung von Grundstücken sollten dann die entsprechenden Kosten, die auch durch den Klimawandel entstehen, berücksichtigt werden. 

Doch schlummern in dem Konzept nicht unkalkulierbare Finanzrisiken für den Staat? Nein. Die öffentliche Hand würde den Risikopool finanzieren, statt sich wie bisher an der Behebung von Unwetterschäden im Privatbereich zu beteiligen. Der Bevölkerung muss transparent kommuniziert werden, dass der Staat über das Füllen des Risikopools hinaus im Katastrophenfall keine direkten Zahlungen an Hauseigentümer leistet. So könnten Versicherungen von Bestandsgebäuden in Hochrisikogebieten bezahlbar bleiben, ohne die Prämien in der Breite des Marktes zu beeinträchtigen. 

Der Gastbeitrag ist zuerst erschienen in der WirtschaftsWoche.

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