Wie Deutschland wettbewerbsfähig wird
VeranstaltungenMinisterpräsident Winfried Kretschmann bei „Wirtschaftspolitik aus erster Hand“ in Stuttgart
Baden-Württemberg gehört zu den leistungsfähigsten Regionen Europas. Doch der Standort steht unter Druck: Geopolitische Spannungen ändern die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Gleichzeitig stellen sich viele Unternehmen die Frage, wie sie die Herausforderungen bewältigen können. Darüber sprach der Ministerpräsident Baden-Württembergs Winfried Kretschmann mit ZEW-Präsident Prof. Achim Wambach, PhD am 2. Juni im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Wirtschaftspolitik aus erster Hand“ in der BW-Bank Stuttgart als Gastgeberin, unterstützt vom ZEW-Förderkreis. Mit gezielten Fragen und pointierten Überleitungen sorgten sie für eine lebendige Diskussion, die nicht nur aktuelle wirtschaftspolitische Entwicklungen, sondern auch deren konkrete Auswirkungen auf den Standort Baden-Württemberg in den Mittelpunkt rückte.
Deutschland hinkt hinterher: Fokus auf Innovation
Winfried Kretschmann betonte, dass es ein grundlegendes Umdenken, hin zu einer offenen Haltung gegenüber Veränderungen und neuen Technologien, brauche. Davon hingen Innovationskraft und wirtschaftliche Stärke ab. Europa müsse seine Sicherheit stärker selbst in die Hand nehmen und die Verteidigungsfähigkeit zügig ausbauen. Zugleich forderte er eine aktivere Rolle der EU in Bezug auf den Freihandel: Einen Dreiklang aus vertieften Partnerschaften, neuen Abkommen und einem möglichst umfassenden Freihandel mit den USA.
Er selbst, erklärte Kretschmann, habe das Thema KI bereits vor zehn Jahren zur Chefsache gemacht und wolle nun die Hotspots Cyber Valley, KIT und IPAI stärker vernetzen. Die Transformation der Automobilbranche sei historisch, dennoch bleibe die Landesregierung auf Kurs bei E-Mobilität, Digitalisierung und Automatisierung. Die Wirtschaft solle sich breiter aufstellen, und sowohl in der Gesundheitswirtschaft als auch in Zukunftsfeldern wie Luft- und Raumfahrt, Robotik, Quantentechnologie und GreenTech wachsen. Kretschmann forderte zudem einen simplifizierten, digitalen Staat – dafür sei eine umfassende Staatsreform gemeinsam mit dem Bund nötig.
Krise als Chance begreifen
Achim Wambach stellte in seinem Impulsvortrag die aktuelle Situation der deutschen Wirtschaft vor und betonte, dass der Druck weiterhin hoch sei, vor allem auf Vorreiter-Bundesländer wie Baden-Württemberg. Auch wenn sich laut der aktuellen ZEW-Konjunkturerwartungen vom Mai 2025 die Aussicht auf die wirtschaftliche Lage Deutschlands leicht erholt habe, sei das Wirtschaftswachstum in Baden-Württemberg in den vergangenen Jahren stark gesunken und habe auch im deutschlandweiten Vergleich den stärksten BIP-Rückgang unter den Bundesländern zu verzeichnen, und das, obwohl es nach wie vor die innovationsstärkste Region in Europa sei.
Die Aufgabe der Politik sei es nun, die Bevölkerung für den notwendigen Wandel mitzunehmen und die Krise als Chance zu begreifen, Veränderungen voranzutreiben. „Historisch gesehen haben Krisen oft Innovationen vorangebracht und zu einer höheren Resilienz geführt. Ob das auch jetzt, in Zeiten von Multikrisen funktioniert, wird sich zeigen. Politik, Wirtschaft und Wissenschaft tragen hier eine gemeinsame Verantwortung, um Stabilität und Wohlstand in der Gesellschaft zu sichern. Die Voraussetzungen dafür sind mit dem technologischen gegeben“, erklärte Wambach während seines Vortrags.
Standort Deutschland wenig attraktiv
Sowohl Kretschmann als auch Wambach wiesen in der anschließenden Diskussion auf die Belastungen durch hohe Unternehmenssteuern und Bürokratieaufwände hin, die Investitionen erschwerten, die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts schwächten und folglich den Standort Deutschland für Gründungen und Investoren unattraktiver machten. Im Hinblick auf die wirtschaftliche Resilienz betonten beide, dass die Digitalisierung, die Bekämpfung des Fachkräftemangels und neue Innovationen eine zentrale Rolle spielten.
Auswirkungen der US-Zollpolitik
Eine weitere zentrale Frage des Abends war der Umgang mit der US-Zollpolitik und den daraus resultierenden geopolitischen Unsicherheiten. Kretschmann warnte vor Folgen für den Wohlstand in Europa. Er betonte, dass Baden-Württemberg als exportstarke Region besonders betroffen sei, insbesondere durch die Zölle auf Autos und Autoteile.
Wambach benannte den Umbruch in der US-Handelspolitik als erratisch und betonte den massiven Anstieg globaler Unsicherheit als Folge der Zölle. Er erklärte, dass Planungssicherheit fehle – auch die Geschwindigkeit, mit der Änderungen an den Zollplänen verkündet würde, führten zu heftigen Reaktionen auf den Finanzmärkten.
Politik und Wissenschaft waren sich einig darin, dass Baden-Württemberg im Kern wirtschaftlich gut aufgestellt sei. Jetzt komme es auf eine adäquate Reaktion auf die verschiedenen Krisen unserer Zeit an, um auch zukünftig weiterhin den Wohlstand zu erhalten.