Das Sparpaket vom 7. Juni 2010 sei eine "soziale Zumutung" und die "Sparorgien zu Lasten der Armen" seien kaum noch zu überbieten. Nun konnten die Entrüstungskampagnen und Protestmärsche wie vorbereitet anlaufen, um das "Gerechtigkeitsempfinden" der Bevölkerung zu beeinflussen, bisher recht erfolgreich. Vor diesem Hintergrund stellen sich zwei Fragen: Worin besteht denn die behauptete soziale Schieflage im Sparpaket? Wie sind die alternativen Sparvorschläge seitens der erwähnten Kritiker zu bewerten?

Im Mittelpunkt der Empörung stehen die Einsparungen bei den finanziellen Leistungen für Erwerbslose. So sollen unter anderem beim Arbeitslosengeld II der zeitlich befristete Zuschlag bei einem vorherigen Bezug des Arbeitslosengeldes (§24 SGB II), die zusätzliche Gewährung von Elterngeld und die Beiträge zur Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) entfallen. Mit einer sozialen Gefriertruhe hat das wenig zu tun. Vielmehr dienen diese Kürzungen einer stärkeren Betonung des Lohnabstandsgebots zwischen Markteinkommen und Fürsorgeleistung, um die Anreize zur Arbeitsaufnahme auf dem ersten Arbeitsmarkt zu stärken. Die bisherigen Beiträge zur GRV erhöhten den Rentenanspruch der Betroffenen ohnehin nur minimal und außerdem springt bei denjenigen Personen, die in ihrem Erwerbsleben kaum Beiträge entrichtet haben, die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbslosigkeit ein. Die Belastungen fallen jedoch bei der GRV an, mit der Folge, dass zumindest die zuge sicherten Beitragssenkungen bei der GRV zeitlich hinausgeschoben werden dürften. Davon sind dann Arbeitnehmer und Unternehmen betroffen, neben den im Sparpakt vorgesehenen Steuererhöhungen (Luftverkehrsabgabe, Brennelementesteuer, Streichung von Vergünstigungen bei der Energiesteuer sowie Beteiligung des Bankensektors an den Kosten der Finanzkrise). Diese Steuererhöhungen machen für das Jahr 2011 fast 40 v. H. des Sparvolumens aus.

Aber solche Steuererhöhungen haben die Gegner des Sparpakets nicht im Sinn, sondern eine kräftige Anhebung des Spitzensatzes der Einkommenssteuer sowie des – derzeit auf Null gesetzten – Satzes der Vermögenssteuer. Denn die "Reichen" sollten nun endlich auch mal einen Teil der Lasten schultern. Eine Inaugenscheinnahme der Fakten wird bei dieser Argumentation als lästig abgelehnt. Eine "Reichensteuer" gibt es längst und etwa 10 v. H. der Einkommensbezieher tragen rund 53 v. H. des Einkommenssteueraufkommens, wohingegen ein Viertel aller Einkommenssteuerpflichtigen auf Grund ihrer niedrigen Einkünfte praktisch keine Einkommenssteuer zu entrichten brauchen. Soll eine höhere Einkommensbesteuerung im Hinblick auf die Konsolidierungsaufgabe nennenswerte Einnahmen bescheren, müsste sie bereits bei der ersten Progressionsstufe ansetzen, also den von fast allen politischen Parteien gehätschelten Facharbeiter einbeziehen. Der Leistungsbereitschaft aller Betroffenen dient dies nicht.

Die Anhebung des Steuersatzes auf Vermögen genießt besondere Popularität. Die Vorschläge reichen allen Ernstes bis zu einem Satz von fünf v. H. jährlich, so dass nach knapp 14 Jahren die Vermögen auf die Hälfte geschmolzen sind, von der Geldentwertung ganz abgesehen. Der Verwaltungsaufwand bei der Vermögenssteuer ist enorm, nicht zuletzt, weil beispielsweise für Immobilien keine Marktwerte vorhanden sind. Schließlich stehen die Einnahmen aus der Vermögenssteuer den Ländern zu, dem Bund ist damit bei seiner Konsolidierungsaufgabe nicht geholfen.

Dies bedeutet nicht, optimistisch oder gar blauäugig genug zu sein, um Steuererhöhungen völlig auszuschließen. Sie sollten sich indes auf die Ausnahmentatbestände vom 19 v. H.-Regelsatz der Umsatzsteuer beziehen und diese weitestgehend abschaffen. Des weiteren sollten die Besteuerung der Zuschläge etwa für Feiertags- und Nachtarbeit sowie die Entfernungspauschale zur Disposition gestellt werden. Aber diesen Weg hat sich Schwarz-Gelb durch zögerliches Handeln verbaut, weil die Bundesratsmehrheit nunmehr dahin ist.