Reaktivierung der Vermögensteuer um jeden Preis?

Standpunkt

Im Bundestagswahlkampf wird der Vorschlag, Vermögen stärker zu besteuern, eine wichtige Rolle spielen. Vermögen wird in Deutschland derzeit vor allem in Form der Erbschaftsteuer belastet. Nun soll eine jährlich zu entrichtende Steuer auf das Nettovermögen jedes Steuerpflichtigen hinzukommen. Eine solche Steuer hat es in Deutschland schon einmal gegeben. Sie wurde aber 1995 vom Bundesverfassungsgericht für grundgesetzwidrig erklärt, weil sie unterschiedliche Vermögensformen sehr ungleich belastete.

Befürworter einer Reaktivierung der Vermögensteuer wie zum Beispiel die SPD oder die Grünen führen zwei Argumente an. Erstens hat der Staat sich in der Finanzkrise hoch verschuldet, um Banken zu retten. Private Gläubiger der Banken sind vor Verlusten bewahrt worden. Nun erscheint es fair, Vermögende zur Kasse zu bitten, um die Staatsschulden wieder abbauen zu können. Das zweite Argument lautet, die Ungleichheit in Deutschland  sei zu groß und der Sozialstaat sei unterfinanziert.

Was ist von diesen Argumenten zu halten? Die Vorstellung, dass die finanziellen Probleme unseres Staates gelöst werden können, indem eine kleine Gruppe Wohlhabender - Schätzungen gehen von rund 150.000 Personen aus - belastet wird, erscheint auf den ersten Blick attraktiv, zumindest für die breite Mehrheit der Bevölkerung, die diese Steuer nicht bezahlen muss. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich jedoch, dass die Vermögensteuer neue Ungerechtigkeiten schaffen und erheblichen wirtschaftlichen Schaden anrichten würde, der uns alle trifft. Wer mehr Umverteilung will, sollte lieber die Progression der Einkommensteuer steigern oder die Erbschaftsteuer effektiver nutzen. Das hat folgende Gründe.

Das Hauptproblem der Vermögensteuer besteht darin, dass sie Investitionen und Arbeitsplätze gefährdet. Eine aktuelle Analyse des ZEW von Christoph Spengel und Lisa Evers untersucht, wie die Kombination aus bestehenden Steuern und einer neuen Vermögensteuer Unternehmen belasten würde. Dabei zeigt sich, dass die Einführung einer Vermögensteuer mit einem Steuersatz von einem Prozent und Freibeträgen von zwei Millionen Euro die effektive Steuerbelastung je nach Unternehmenstyp um 14 bis 20 Prozent steigern würde. Hinzu kommt, dass die Vermögensteuer auch dann zu zahlen wäre, wenn ein Unternehmen Verluste macht - sie wirkt krisenverstärkend. Deshalb räumt selbst Peer Steinbrück ein, dass Betriebsvermögen verschont werden muss. Bei den meisten wohlhabenden Steuerzahlern ist aber ein Großteil des Vermögens in Unternehmen gebunden.

Natürlich gibt es auch Steuerzahler mit sehr hohen Finanzvermögen. Die können der Steuer jedoch leicht entgehen, zum Beispiel durch Umzug ins Ausland. Damit trifft die Steuer am Ende nur diejenigen, die Immobilienvermögen haben, das nicht abwandern kann. Mit einer gerechten Verteilung der Steuerlast hat das nichts zu tun. Hinzu kommt, dass der Erhebungsaufwand der Steuer auf bis zu 50 Prozent des Steueraufkommens geschätzt wird, weil das Vermögen laufend bewertet werden muss.

Aus diesen Gründen sind Nettovermögensteuern in fast allen Industrieländern abgeschafft worden. Oft wird behauptet, in Deutschland seien vermögensbezogene Steuern niedriger als in anderen Ländern. Das liegt aber in erster Linie daran, dass im Ausland die Grundsteuern höher sind. Hier könnte man in der Tat über Steuererhöhungen nachdenken. Die Vermögensteuer zu reaktivieren wäre dagegen ein steuerpolitischer Sonderweg und ein Signal an Investoren im In- und Ausland, Deutschland zu meiden. Das gilt auch für eine einmalige rückwirkende Vermögensabgabe, weil die Ankündigung, sie nicht zu wiederholen, unglaubwürdig wäre. Wer im Wahlkampf verspricht, die Vermögensteuer zu reaktivieren, könnte das im Fall des Wahlerfolgs bereuen - der Preis, den Deutschland für die Reaktivierung dieser Steuer zahlen würde, ist zu hoch.