25 Jahre ZEW – Wie die Welt der Produktivitätsschwäche entgegentreten kann

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ZEW-Ökonomin Prof. Dr. Bertschek bei ihrem Vortrag zum Zusammenhang zwischen Digitalisierung und Produktivität.

In den vergangenen zehn Jahren ist das Produktivitätswachstum weltweit drastisch eingebrochen. Ein Phänomen, dass die ökonomische Forschung vor allem vor die Frage stellt: Was hat die globale Produktivitätsschwäche verursacht und welche Lösungsmöglichkeiten gibt es? In vier Vorträgen und einer anschließenden Podiumsdiskussion anlässlich des Festaktes zum 25-jährigen Jubiläum des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim beschäftigten sich ZEW-Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedenen Forschungsbereichen des Instituts mit dem Problem – und diagnostizierten dabei, welche Hebel in Bewegung gesetzt werden könnten, um der Produktivität wieder auf die Sprünge zu helfen.

"Wir beobachten im weltweiten Vergleich, dass das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Erwerbstätigenstunde in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen ist", analysierte ZEW-Präsident Prof. Achim Wambach, PhD in seiner Einführung zum wissenschaftlichen Teil der ZEW-Jubiläumsfeier. Mit Blick auf die Arbeitsproduktivität, also dem BIP pro Arbeitsvolumen, zeige sich, dass Deutschland derzeit unter den Staaten mit hoher Produktivität hinter den USA, Kanada und Japan rangiere. Was die Ursachen angehe, sei vieles noch unklar. "Messfehler können den Trend nicht erklären", stellte der ZEW-Präsident fest.

Dr. Georg Licht, Leiter des ZEW-Forschungsbereichs „Innovationsökonomik und Unternehmensdynamik“, machte in seinem Anschlussvortrag deutlich, dass die Entwicklung der Arbeitsproduktivität als alleinige Ursache nicht ausreiche, um die globale Produktivitätsschwäche zu erklären. Vielmehr müssten weitere Faktoren berücksichtigt werden. „Ein solcher Faktor ist die Demographie“, sagte Licht. Aktuellen Forschungsresultaten zufolge würden Unternehmen am häufigsten von Personen in der mittleren Alterskohorte zwischen 35 und 50 Jahren gegründet. Da aber gerade diese gründungsaktive Kohorte seit Jahren schrumpfe, gingen auch die Gründungsraten in nahezu allen Ländern zurück. „Die veränderte Altersstruktur hat Effekte für die Gründungstätigkeit“, erklärte Georg Licht. Eine weiterführende Forschungsfrage sei, wo die Hürden für den Markteintritt und das Wachstum junger Unternehmen lägen.

Digitalisierung als Produktivitätstreiber

Den Wettbewerbsaspekt griff Prof. Dr. Kai Hüschelrath, Leiter der ZEW-Forschungsgruppe "Wettbewerb und Regulierung", in seinem Vortrag auf. Jüngere empirische Studien hätten einen starken Einfluss von effektiver Wettbewerbspolitik auf das Wachstum der totalen Faktorproduktivität in hoch entwickelten Staaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) nachgewiesen. "Wettbewerbspolitik setzt und überwacht Regeln, damit Unternehmen sich nicht wettbewerbsfeindlich verhalten", hielt Hüschelrath fest und betonte die große Bedeutung von wettbewerbshütenden Instanzen. Produktivitätsverluste durch Kartelle seien oftmals substanziell. Ein Blick auf die sogenannte "Behördenproduktivität" in Form von Kartellverfolgung, Fusionskontrolle und der Vergabe staatlicher Beihilfen zeige indes, dass die Wettbewerbshüter einiges dafür täten, um Produktivitätsverluste zu vermeiden. "Die Wettbewerbspolitik ist in den vergangenen Jahren weiterentwickelt und dadurch sehr viel effizienter geworden", bemerkte Hüschelrath.

Prof. Dr. Irene Bertschek, Leiterin des ZEW-Forschungsbereichs "Informations- und Kommunikationstechnologien" (IKT), legte dar, weshalb vielfach auf den digitalen Wandel zur Lösung des Produktivitätsproblems gesetzt werde. "Unumstritten ist, dass Digitalisierung ein Produktivitätstreiber ist", sagte Bertschek, "aber es gibt Unterschiede innerhalb und zwischen verschiedenen Branchen, je nach eingesetzter Technologie und getätigten Investitionen." So gebe es in allen Branchen nach wie vor Unternehmen, die ihren Beschäftigten keine mobile Internetnutzung zur Verfügung stellten. Zugleich zeige sich, dass IKT-Investitionen maßgeblich zum Produktivitätswachstum beitrügen. "Die Technologie allein reicht allerdings nicht aus", so Bertschek, "es kommt auch darauf an, dass Beschäftigte weitergebildet werden und in Forschung und Entwicklung investiert wird." Vor allem komplementäre, immaterielle Investitionen spielten dabei ein wesentliche Rolle.

Während der Podiumsdiskussion kam die Frage auf, wie und welche Methoden am ZEW zur Beobachtung der Produktivitätsentwicklung eingesetzt werden. Georg Licht erklärte, dass die Verhaltenskomponente in Feldexperimenten eine immer größere Rolle spiele, während Irene Bertschek erläuterte, dass am ZEW derzeit Methoden zur Messung von immateriellem Kapital entwickelt würden.