ZEW-Studie zur Unternehmensbesteuerung in Europa - IP Box Regime sind für den Fiskus ein zweischneidiges Schwert

Forschung

Eine Reihe von europäischen Staaten besteuern Unternehmenseinkünfte aus Patenten, Marken oder Urheberrechten deutlich geringer als andere Unternehmenserträge. Ein staatlicher Steuerverzicht bei immateriellen Wirtschaftsgütern - "Intellectual Property (IP) Box Regime" im Fachjargon -, der für Unternehmen ein Anreiz sein soll, in Forschung und Entwicklung (FuE) im Inland zu investieren und die Gewinne daraus eben auch dort zu versteuern. Allerdings erweist sich die steuerliche Sonderbehandlung als zweischneidiges Schwert: Die meisten IP Box Regime in Europa, so eine aktuelle Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Kooperation mit der Universität Mannheim, machen es multinationalen Unternehmen in der Praxis möglich, Steuern auf Einkünfte aus immateriellen Wirtschaftsgütern zu sparen, ohne tatsächlich in FuE zu investieren.

Immaterielle Wirtschaftsgüter wie Patente, Marken oder Urheberrechte sind für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und somit auch für die ökonomische Leistungsfähigkeit von Staaten von großer Bedeutung. Gleichzeitig ist es für Unternehmen aber relativ einfach, ihre effektive Steuerbelastung erheblich zu senken, indem sie Einkünfte aus immateriellen Wirtschaftsgütern - das Ergebnis von FuE - in Niedrigsteuerländer verlagern. Diese Gemengelage stellt Steuergesetzgeber in der EU vor die Frage, wie sie die Besteuerung von Erträgen aus der Verwertung immaterieller Wirtschaftsgüter - kurz IP-Einkünfte - ausgestalten müssen. Zum einen, um die Verlagerung von IP-Einkünften in Niedrigsteuerländer einzudämmen. Zum anderen, um Unternehmen zu Investitionen in FuE am Standort zu bewegen.

Die wichtigste politische Innovation der vergangenen Jahre im Bereich der Besteuerung von IP-Einkünften sind IP Box Regime, die einen reduzierten Steuersatz für IP-Einkünfte vorsehen. Seit dem Jahr 2000 haben dreizehn europäische Staaten IP Box Regime eingeführt: Belgien, Frankreich, Großbritannien, Liechtenstein, Luxemburg, Malta, die Niederlande, der Schweizer Kanton Nidwalden, Portugal, Spanien, Ungarn, Zypern sowie zu Beginn des Jahres 2015 Italien. Auch in der Schweiz wurde jüngst eine landesweite IP Box auf Kantonsebene in den Gesetzgebungsprozess eingebracht. Die Steuersätze der dreizehn Regime variieren deutlich: Sie liegen zwischen null Prozent in Malta und 16,76 Prozent - einschließlich Aufschlägen - in Frankreich.

Die ZEW-Untersuchung konzentriert sich auf die mit der Nutzung von IP Box Regimen verbundene effektive Steuerbelastung. Demzufolge zeigt sich, dass sämtliche europäischen IP Box Regime mit einem deutlichen Rückgang der effektiven Steuerbelastung bei einer Investition in ein selbst erstelltes Patent verbunden sind. Die Regime setzen folglich einen Anreiz für Investitionen im IP Box Staat - bergen allerdings auch die Gefahr schädlicher Steuerpraktiken für den Fiskus.

Die Gefahr rührt daher, dass die Steuerbegünstigung laut der Studie nicht auf selbsterstellte immaterielle Wirtschaftsgüter beschränkt ist. Mit Ausnahme von Belgien, den Niederlanden und Portugal ermöglichen die IP Box Regime vielmehr auch niedrige Steuerbelastungen für erworbene immaterielle Wirtschaftsgüter. Zudem müssen Unternehmen nicht zwangsweise in FuE im Inland investieren, um von der steuerlichen Begünstigung zu profitieren. Daher können IP Box Regime zwar tatsächlich zu höheren heimischen FuE-Investitionen führen - wie von politischer Seite beabsichtigt. Zwingend ist das aber nicht. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die lückenhafte Ausgestaltung vieler IP Box Regime deren Ausbeutung im Zuge von Steuerplanungsmodellen mancher multinationaler Unternehmen erst ermöglicht. Ein Instrument zur steuerlichen Förderung von FuE sind IP Box Regime jedenfalls nicht, schlussfolgern die Forscher.

Die vollständige Studie in englischer Sprache finden Sie unter

http://link.springer.com/article/10.1007/s10797-014-9328-x

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