Verkehrsbedingte Luftverschmutzung lässt sich durch eine City-Maut effizient lösen

Nachgefragt

Sind Fahrverbote für Diesel-Autos ökonomisch sinnvoll? Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts können Städte in Deutschland grundsätzlich Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge verhängen, um den EU-weiten Grenzwertnormen für Stickstoffdioxid gerecht zu werden. Derzeit wird über die Einführung lokaler Fahrverbote in mehreren Städten diskutiert, darunter Stuttgart, München, Hamburg und Düsseldorf. Auf betroffene Diesel-Pkw-Besitzer/innen kommen zudem möglicherweise Umrüstung und Softwareupdates zu. ZEW-Umweltökonom Dr. Martin Kesternich schildert, welche Maßnahmen aus ökonomischer Sicht sinnvoll wären, um Belastungen wie verschmutzte Luft und Staus zu senken und CO2-Vermeidung im Verkehrssektor kosteneffizient umzusetzen.

Sind die Diesel-Fahrverbote ein effektives Mittel, um die Luftverschmutzung in deutschen Städten einzudämmen?

Fahrverbote in deutschen Städten erzielen vermutlich eine gewisse lokale Umweltwirkung. Die gesellschaftlichen Kosten wären bei Fahrverboten allerdings unverhältnismäßig hoch und zudem ungerecht verteilt. Alle Dieselfahrer/innen – und nur diese – würden durch das Fahrverbot bestraft, denn es würden beispielsweise keine Anreize für weniger Fahrten von Benzinern geschaffen.  

Welche Alternativen gibt es, um die Anzahl an Autos in den Innenstädten zu verringern und so die Luftqualität in den Städten insgesamt zu verbessern?

Das Problem verkehrsbedingter Luftverschmutzung in Innenstädten lässt sich mit einer City-Maut effizient lösen. Der Mautbetrag sollte dabei – unabhängig von der eingesetzten Kraftstoffart beziehungsweise der Technologie – streng nach dem Schadstoffausstoß gestaffelt werden. Fahrzeuge mit niedrigeren Schadstoffklassen zahlen höhere Mauttarife. Das bedeutet auch, je voller die Straßen und je belasteter die Luft, desto höher die Maut. Der entscheidende Punkt aber ist: Mit der City-Maut haben die betroffenen Menschen eine Wahl. Sie können selbst entscheiden, ob ihnen die Fahrt ins Stadtzentrum mit dem eigenen Pkw so viel wert ist oder ob sie nach Alternativen suchen. Mit Fahrverboten dagegen nehmen die Städte den Betroffenen die Wahl ab und schaffen Tatsachen.

Apropos Alternative: Wie ist der Vorschlag eines kostenlosen öffentlichen Nahverkehrs zu bewerten?

Die aktuelle politische Diskussion zwischen der Bundesebene und den etwaigen Modellstädten für einen Gratis-ÖPNV, darunter auch Mannheim, deutet schon darauf hin, dass die notwendigen infrastrukturellen Investitionen als nicht unbedeutend eingestuft werden. Gleichzeitig fallen die Ticketeinnahmen weg, zum Beispiel sind das für Mannheim derzeit etwa 80 Millionen Euro jährlich. Darüber hinaus ist möglicherweise mit ungewollten Substitutionseffekten zu rechnen, wie das Beispiel Tallinn in Estland zeigt, wo schon seit dem Jahr 2013 der Nahverkehr kostenlos angeboten wird. Dort sind es vor allem Personen, die schon vorher mit Bus und Bahn oder aber als Fahrradfahrer/innen und Fußgänger/innen in der Stadt unterwegs waren, die den kostenlosen ÖPNV verstärkt nutzen. Eine solche Verhaltensänderung möchte man ja genau nicht erzielen. Insgesamt muss man allerdings sagen, dass es nur wenig empirisch belastbare, langfristige Erfahrungen mit solchen Maßnahmen gibt. Hier besteht aus unserer Sicht noch Forschungsbedarf.

Welche volkswirtschaftlichen Konsequenzen haben mögliche Diesel-Fahrverbote?

Hier ist zunächst einmal der Wertverlust der Diesel-Fahrzeuge zu nennen. Das würde auch für solche Diesel gelten, die kaum oder gar nicht auf innerstädtischen Straßen bewegt werden. Hinzu kommen die Kosten für mögliche Nachrüstverpflichtungen. Dem steht natürlich eine gewisse lokale Umweltwirkung gegenüber. Aber diese ist – wie beschrieben – teuer erkauft. Neben den lokalen Luftschadstoffen sollte auch der Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid (CO2) im Verkehrssektor betrachtet werden. Dabei gilt allerdings, dass es für die Klimawirkung keine Rolle spielt, in welchem Sektor CO2 vermieden wird. Aus ökonomischer Sicht sollten Globalschadstoffe daher dort eingespart werden, wo dies zu geringsten Kosten möglich ist. Bedingt durch die bereits vorhandenen Energiesteuern auf Mineralöl ist CO2-Vermeidung im Verkehrsbereich relativ teuer. Die Politik darf hier nicht zu eng denken. Eine kosteneffiziente Klimapolitik sollte zusätzliche CO2-Vermeidung in den weiteren Sektoren des EU-Emissionshandels realisieren oder den Verkehrssektor in diese Sektoren integrieren.

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Policy brief März 2018

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